Großbrand in Kohlscheid : Warum steht das EBV-Haus denn schon so viele Jahre leer?
Herzogenrath Es war eines der markantesten Gebäude der Stadt, dennoch hat das EBV-Haus an der Roermonder Straße rund 15 Jahre lang leer gestanden, galt zuletzt als Spekulationsruine. Warum das so war.
Fahnenstangen auf dem Vorplatz, ein Marmorwürfel mit der Aufschrift „EBV-Haus“, eine Schranke an der Zufahrt zu Parkplätzen, die der Geschäftsführung vorbehalten waren – immer noch zeugen Spuren der ursprünglichen Besitzer von der früheren Bedeutung der stattlichen Immobilie an der Roermonder Straße. Im Jahr 2008 ist der Eschweiler Bergwerks-Verein, einmal Arbeitgeber für Tausende Menschen in der Region, ausgezogen. Was blieb, war ein großzügiger Gebäudekomplex samt rückwärtigem Areal, das man vielfältig hätte nutzen können.
Geschehen ist seither allerdings nichts. Zumindest nichts mit Außenwirkung. Stattdessen verkam der komplexe Bau mit den beiden repräsentativen schwarzen Türmen zum Lost Place. Entsprechend finden sich Fotos von Innenräumen, die samt Mobiliar und teils gefüllten Aktenschränken hinterlassen worden waren, im Internet.
Hätte die Stadt Herzogenrath nicht längst ihren Einfluss geltend machen können, um das exponierte Terrain kommunalen Ansprüchen entsprechend zu entwickeln? Nein, sagt der Technische Beigeordnete Franz-Josef Türck-Hövener auf Anfrage unserer Zeitung entschieden. Das Ensemble an der Roermonder Straße sei seinerzeit als Komplettpaket, zusammengeschnürt mit weiteren EBV-Immobilien in der Region, nämlich dem Straßenverkehrsamt am Aachener Kreuz in Würselen sowie dem EBV-Carree an der Peterstraße in Aachen, veräußert worden. „Wovon die Stadt damals erst im Nachhinein erfahren hat“, wie Türck-Hövener darlegt. Ein Vorkaufsrecht habe zunächst nicht bestanden. „Hätten wir vom Verkaufsvorhaben gewusst“, so ergänzt Stephan Mingers, Leiter des Amts für Stadtentwicklung, Bauordnung und Klimaschutz, „dann hätten wir eine Vorkaufsrechtssatzung drüberlegen lassen.“ Bis dahin aber habe stets ein gutes Verhältnis zum EBV bestanden, mit solch einer „Nacht- und Nebelaktion“ habe deswegen niemand gerechnet gehabt.
So blieb der Stadt seinerzeit nur, Denkmalschutz für die Bauten zu beantragen. Gegen den zunächst der EBV und in Folge der neue Besitzer Klage einlegten, und die seinerzeit in einen Vergleich mündete: Demnach wurde zwar nicht die rückwärtige ehemalige Direktorenvilla, wohl aber die Fassade des Hauptgebäudes samt der Treppenhäuser und dem – nunmehr abgebrannten – Dach sowie der alte Backsteinbau an der Bahnstraße unter Schutz gestellt. „Damit war das umfasst, was aus städtischer Sicht wichtig war“, sagt Mingers.
Der seinerzeitige Vorsitzende der Geschäftsführung der EBV GmbH, Ewald Mesmann, legte im Dezember 2007 gegenüber unserer Zeitung dar, dass die „Grundforderungen der Stadt“ – Erhalt des Hauptgebäudes, keine Etablierung von Einzelhandel – durch den Verkauf gewahrt würden. Von Dienstleistern war die Rede, für die die neuen Investoren, bei denen auch eine MC Grund mit Sitz in Aldenhoven eine Rolle spielen sollte, den repräsentativen Bau an der Roermonder Straße sowie die dahinter liegende 1880 erbaute Villa herrichten wollten. Die aus den 1950er Jahren stammenden Gebäudeteile dazwischen sollten durch „moderne Elemente“ ersetzt werden. Mesmann betonte Ende 2007 zudem: Diverse Interessenten, mit denen er lukrativer hätte abschließen können, seien als nicht bedingungskonform „abgeblitzt”, „an Einzelhandel zu veräußern, wäre einfacher gewesen”.
Über die damaligen Erwerber äußerte sich Mesmann im Januar 2008 in einem weiteren Gespräch mit unserer Zeitung: Es gebe über sie „gute Bankauskünfte“, der Käufer sei „keine Heuschrecke“, vielmehr handele es sich um „berechenbare, absolut seriöse Leute, die langfristig Geld verdienen wollen. Ich habe keinen Anlass, den Investor in Zweifel zu ziehen, sondern ein gutes Gefühl.“ Hinter dem Deal stünden „Berliner Landesbanken und Investoren, die in ganz Deutschland aktiv sind“. Ausgehandelt worden sei ein „fairer, guter Preis“, „deutlich über dem Buchwert“. Mesmann sicherte zudem zu: „Das Gebäude wird nicht plattgemacht.“
In Folge indes wurde weiter veräußert. Und zwar, wie Türck-Hövener und Mingers erläutern, in Form einer eigens gegründeten Immobiliengesellschaft: „Auf das Firmenvermögen hatte die Stadt keinen Zugriff.“
Pläne zur Entwicklung des Terrains gab und gibt es durchaus. Im Jahre 2019 stellte das Aachener Planungsbüro HJP ein Quartierskonzept vor, das die Nutzung des 1913 vom EBV bezogenen Hauptgebäudes samt des 1870 errichteten Backsteinbaus ebenso umfasste wie die Errichtung von Mischbebauung auf dem rückwärtigen Grundstück. Ein Seniorenheim mit betreutem Wohnen war angedacht, zudem über 200 Wohnungen von 35 bis 120 Quadratmetern Größe sowie eine Gewerbeeinheit in Richtung Bahnhof samt Tiefgarage. Zwei Spielplätze waren eingeplant, und der alte Baumbestand sollte soweit wie möglich erhalten bleiben.
Die Stadt habe mit den Besitzern, so auch mit der derzeitigen Eigentümerin, einem Familienkonsortium mit Sitz in Lindlar, immer wieder das Gespräch gesucht, betont Türck-Hövener: Doch Investorenpläne seien aufgrund unterschiedlicher Preisvorstellungen hinsichtlich des Grunderwerbs nie zustande gekommen. Will heißen: Bis zum Beginn des Ukraine-Krieges ließ sich mit gewinnträchtigen Immobilien und Grundstücken trefflich spekulieren. „Man musste die Dinge nur liegen lassen.“ So habe es selbst mit Blick auf möglicherweise notwendige Sanierungsarbeiten aufgrund des früheren Grundeigentümerbergbaus in Kohlscheid keinerlei Bereitschaft der Eigentümer gegeben, mit dem Preis entgegenzukommen.
Was sich seit Beginn des Krieges geändert haben dürfte: Die Bauzinsen haben sich verdreifacht, Baupreise sind heftig angezogen. Mit Hochdruck habe man auch angesichts dieser neuen Ausgangslage wieder Kontakt aufgenommen. Tragischerweise aber habe die Ansprechpartnerin genau in diesem Zeitraum einen schweren Unfall erlitten. „Es gibt jetzt einen neuen Ansprechpartner“, sagt Mingers, „wir sind zuversichtlich, die Kontaktdaten noch in dieser Woche zu bekommen.“
Was die derzeitige Brandruine angeht, sei die Stadt lediglich verpflichtet, in Vorleistung Maßnahmen im Sinne der Verkehrssicherung zu ergreifen, etwa einen Zaun rings um das Gelände zu errichten.
Angesichts des nunmehr ungeschützten Gebäudekomplexes, der ohne Dach allen Witterungseinflüssen ausgesetzt ist, sei der Druck auf die Eigentümer nun ein anderer, übt Mingers sich in Zuversicht auf eine absehbare Lösung. Denn, so betont er auch: Mit Blick auf das avisierte Integrierte Handlungskonzept Kohlscheid-Zentrum spiele das Terrain eine wichtige Rolle. „Der Standort würde uns total weiterhelfen.“