Bürgermeister bezieht Stellung : Herr Fadavian, ist Herzogenrath-Mitte wirklich tot?
Interview Herzogenrath Wie sieht es mit der Belebung in Herzogenraths Zentrum aus? Junge Leute fällten dazu im Vorfeld eines jetzt angestoßenen Quartiersprojekts ein Urteil: „tot“. Dass das bei Verantwortlichen in der Stadt auf wenig Gegenliebe stößt, ist klar.
Das Thema beschäftigt viele Kommunen: die Verödung der Innenstädte. Herzogenrath hat in den vergangenen Jahren viel Geld, Expertise und Mühe in bauliche Maßnahmen investiert, um dem etwas entgegenzusetzen. Aber: Noch steppt der Bär in der City nicht. Anlässlich eines neuen Quartiersprojeks zur Beteiligung der Bürgerschaft gab es nun Irritationen über eine Überschrift in unserer Zeitung. Beatrix Oprée sprach dazu mit Bürgermeister Dr. Benjamin Fadavian (SPD).
Herr Dr. Fadavian, der mit einem Zitat versehene Titel unseres Artikels „Trotz Millioneninvestition: ,Herzogenrath-Mitte ist tot‘“ hat im Fachdezernat der Stadtverwaltung zu emotionalen Reaktionen geführt. Warum?
Benjamin Fadavian: Weil sich die Überschrift nicht gerecht anfühlt. Die Stadt arbeitet mit viel Energie und gutem Erfolg daran, die Mitte auf Erfolgsspur zu bringen. Von den im Rahmen des Integrierten Handlunskonzepts (InHK) getätigten öffentlichen Millioneninvestitionen werden 70 Prozent von Seiten des Landes refinanziert. Es gelingt also, erhebliche Mittel für unsere Stadt zu akquirieren. Das allein ist schon großartig.
Das ist keine Frage, damit sind entsprechend gute Projekte umgesetzt worden ...
Fadavian: Der Vorplatz der Kirche St. Marien sieht jetzt hervorragend aus, die Bemalung unter der Brücke ist ein großer Gewinn. Viele Fassaden wurden verschönert, der Haltestellenbereich am Kaufland hat einen großen Schritt nach vorn gemacht. Burgsommer und Burgweihnacht hatten jede Menge Besucher. Das Hotel zur Brücke ist wieder in Betrieb, die Residenz an der Wurm entsteht, und für das Bockreiterzentrum gibt es konkrete Pläne. Im vergangenen Sommer haben wir ein fulminantes, neues Festival nach Herzogenrath geholt, das gut angenommen wurde. Nunmehr haben wir mit dem Nell-Breuning-Haus aus Projektmitteln der Deutschen Fernsehlotterie ein Quartiersprojekt „Mitten in Herzogenrath“ auf den Weg gebracht. Es gibt noch viel zu tun, aber unser Herzogenrath lebt und entwickelt sich.
Dennoch ist es Fakt, dass junge Leute sich mit Blick auf die Herzogenrather Innenstadt genau wie in der Überschrift zitiert geäußert haben. Und – teils drastisch beschrieben – noch weitere Kritikpunkte angebracht haben, etwa was fehlende öffentliche Toiletten angeht. Auch von älteren Mitbürgern gibt es weiterhin sorgenvolle Blicke auf die Zukunft der City. Was sagen Sie denn dazu?
Fadavian: Dass ich diese Äußerungen respektvoll und demütig aufnehme und sie als Anlass sehe zu prüfen, wo noch nachgelegt werden muss. Wichtig ist mir aber unser Selbstbild. Eine Stadt ist immer nur so gut, wie sie sich selbst sieht und darstellt. Wir müssen deshalb ins Gelingen verliebt sein und dürfen nicht diejenigen strafen, die Courage zeigen und den Karren ziehen wollen.
Woran krankt es denn in den Innenstädten?
Fadavian: Zentren und Innenstädte sind, wie unsere Gesellschaft insgesamt, in großen Transformationsprozessen. Selbstgewählte Phänomene wie Amazon, ein geändertes Mobilitätsverhalten aber auch der demographische Wandel tragen ihren Teil bei. Das heißt aber nicht, dass deshalb alles schlechter werden muss. Alle Gäste und Neubürger, die ich hier empfange, finden es schön bei uns und sind fasziniert von der Burg, der Grenznähe und der Geschichte der Stadt. Wir müssen gemeinsam die Segel richtig setzen, uns gegenseitig darin bestärken und Zuversicht ausstrahlen. Mein Herzogenrath ist zupackend, wertschätzend und schaut mutig nach vorn. Nur so überzeugen wir auch andere von unserer Stadt.
Das ist ein klarer Appell zum Mitmachen. Was erwarten Sie von dem nun aufgelegten Quartiersprojekt #Mitten in Herzogenrath?
Fadavian: Das Projekt wird Aufschluss geben über das, was die Menschen empfinden und sich wünschen, wenn sie an Herzogenrath-Mitte denken. Allein die gerade geführte Debatte über die Innenstadt bringt ja schon Erkenntnisgewinne. Auf der Internetseite www.mitten-in-herzogenrath.de gibt es bis zum 31. Mai eine Umfrage, auf deren Ergebnisse wir sehr gespannt sind. Denn bei aller Wichtigkeit des Städtebaus geht es doch gerade um die Menschen und die Beziehungen, die sie prägen und mit ihrem Viertel verbinden. Ein Schwerpunkt ist dabei gerade auch das Zusammenleben der Generationen. Wo gibt es unterschiedliche Bedürfnisse und wie kann man diese zusammenbringen? Letztlich bringt das Projekt auch gut zum Ausdruck, was wir im vergangenen Jahr durch das 50-Jahr-Jubiläum platziert haben: Dass wir von Kohlscheid bis Merkstein zusammengehören und es genau deshalb umso wichtiger ist, die gewachsenen Quartiere unserer Stadt in ihrer Individualität zu betrachten und zu fördern. Ich freue mich darüber sehr und bin allen Akteuren, gerade auch dem Nell-Breuning-Haus, für die gute Zusammenarbeit sehr dankbar.
Wir werden natürlich auch das gerne begleiten, vielen Dank für das Gespräch!
Mehr dazu, wie Bürgerinnen und Bürger sich beteiligen können:
www.mitten-in-herzogenrath.de