Größter Solarpark in NRW : Anlage in den Nivelsteiner Sandwerken wird noch aufgestockt
Herzogenrath Der Abstand ist knapp, doch mit beiden Bauabschnitten zusammen hält der Solarpark in Herzogenrath den Titel, der größte in NRW zu sein. Jetzt wird er weiter ausgebaut.
Die Installation einer 36,4 Tonnen schweren begehbaren Trafostation, die vor gut einem Jahr mit einem Schwerkran oberhalb von Nivelstein an Ort und Stelle gehievt wurde, diente nicht nur der Optimierung des Ortsnetzes durch den örtlichen Stromversorger Enwor. Die Kapazität der Transformatoren war überdies bereits auf Zukünftiges ausgerichtet: die Erweiterung des Solarparks Herzogenrath, der bislang schon als größter dieser Art in NRW gilt. Mit insgesamt 14,240 Megawatt Leistungspeak, produziert durch 57.000 Photovoltaik-Module, verteilt auf die beiden Tagebaue Nivelstein und Hochfeld. Die Spitzenposition ist denkbar knapp, zum Vergleich: Die größte zusammenhängende Anlage in Weeze produziert 14,074 Megawatt Peak. Der erste Abschnitt in Nivelstein ging mit 42.000 Modulen und rund 10,5 Megawatt Spitzenleistung Ende Juni 2012 ans Netz, das Hochfeld folgte im Dezember 2016 mit 3,8 Megawatt Peak – nach viermonatigem Baustopp aufgrund eines langwierigen Prüfprozederes in Sachen Förderfähigkeit.
Weitere rund sechs Megawatt Solarenergie sind jetzt für die nächste Ausbaustufe konzipiert. Noch in diesem Jahr sollen die Bauarbeiten beginnen, so dass im Frühjahr 2023 mit der zusätzlichen „Sonnenernte“ begonnen werden kann, wie Charles Russel darlegt, Seniorchef der Nivelsteiner Sandwerke und Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Green Solar GmbH. Im Gespräch mit unserer Zeitung erläutert er die nunmehr beantragte Aufstockung, für die er im September/Oktober mit der Baugenehmigung rechnet: Innerhalb des Tagebaus Nivelstein sollen im Bereich „Finkenrath“ in Ergänzung der bisherigen Module weitere 5500 Quadratmeter mit Solarpaneelen bestückt werden, zudem das als „Strand“ gekennzeichnete Areal unterhalb der Anlage sowie 2000 Quadratmeter vor der Sandwäsche, alles in allem rund 11.700 Quadratmeter.
Der Fortschritt macht es möglich, dass auf weniger Fläche mehr Strom produziert werden kann, erklärt Russel: Erbrachten die bisher verbauten Module an sonnenreichen Tagen eine Leistung von 260 Watt, so sind die etwas größeren Paneele der neuen Generation auf 410 Watt Peak ausgelegt. Immerhin 0,1 Megawatt Strom erbringt zusätzlich das Solardach des neben der Sandwäsche des Tagebaus errichteten „Technikums“. Die rund 580 Quadratmeter große Halle mit Büro- und Besprechungstrakt wird von diversen RWTH-Instituten für Forschungszwecke genutzt.
Noch mal sechs bis acht Megawatt Leistung könnten über schwimmende und nach der Sonne ausrichtbare PV-Anlagen erzielt werden, die auf dem durch Sandabbau per Saugbagger noch stetig wachsenden nördlichen Restsee im Tagebau Nivelstein realisiert werden sollen. Versuche dazu laufen, ab Winter 23/24 möchte man die Planungen, so sie sich als wirtschaftlich darstellbar erweisen, in die Tat umsetzen. „Und der Bebauungsplan für weiteren Sandabbau in Nivelstein liegt vor, in Folge dessen dann nochmals PV-Module für sechs bis acht Megawatt zubaubar wären“, sagt Russel.
Ergänzt werden soll die Tagebaufolgenutzung in Form von Erneuerbaren durch eine Bauvoranfrage für drei Windräder. Wohl wissend um die bereits in der Vergangenheit in diesem Punkt aufgekeimte Diskussion angesichts der langgestreckten Topographie Herzogenraths, die einen Windkraftausbau wegen der derzeit geltenden 1000-Meter-Abstandsregel zur nächsten Wohnbebauung weitgehend aushebeln würde.
Eine Maßgabe, die die schwarz-gelbe Landesregierung im NRW-Landtag gerade noch bekräftigt hat – aus Akzeptanzgründen, so die Argumentation. Da mag auch die just erzielte Einigung zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium auf Bundesebene in Sachen naturschutzverträglichem beschleunigten Ausbau der Windenergie kaum für den nötigen Schub sorgen. Nicht nur für Russel unverständlich, der feststellt: „In anderen Bundesländern reichen 750 Meter doch auch aus.“

Bürgerproteste mit Blick auf Windräder waren unmittelbar laut geworden, als die Vision von der CO2-neutralen Stadt publik wurde, die Russel und der damalige Projektleiter Franz-Josef Türck-Hövener auf dem Terrain der Sandwerke entwickelt hatten. Ein umfassendes Konzept für einen Energiemix aus Sonne und Wind, verbunden mit Forschung und Entwicklung in Sachen Speichertechnologien für regenerativ erzeugten Strom. Mit dem Potenzial, in einem Zeitraum von zehn Jahren ganze 21.000 Haushalte unabhängig von fossilen Brennstoffen zu machen. Heute kennzeichnet Türck-Hövener, mittlerweile Technischer Beigeordneter in Herzogenrath, das, was seinerzeit unter dem „Arbeitstitel Energiepark Herzogenrath“ initiiert worden sei, als „Startrampe“ für das Ziel der „umweltneutralen Stadt“, das schon 2030 erreicht werden soll. Mit allen weiteren Möglichkeiten, die es über die Grenzen des Sandwerke-Areals hinaus noch gebe. Die Energieerzeugung durch Wind gehöre – neben weiteren Photovoltaikstandorten und der Dachphotovoltaik – eindeutig dazu, die eben auch noch an anderen Standorten möglich sei (siehe Infobox).
Aussichtsplattform
Unterdessen wartet die neue Aussichtsplattform oberhalb von Nivelstein auf Besucher, errichtet im Zuge des städteregionalen touristischen Begleitkonzepts im „Erlebnisraum Aachener Revier“. Interessierte, Spaziergänger und Wanderer, aber auch Schulklassen, sollen von hier aus die eindrucksvolle PV-Anlage dereinst in Augenschein nehmen können. Was fehlt, ist indes noch die Zuwegung, die von der Bushaltestelle in Wildnis erfolgen und zuständigkeitshalber von der Stadt Herzogenrath angelegt werden soll – und zwar über ein von der Kirche gepachtetes Stück Ackerland. „Wir arbeiten derzeit an der Planung für die Wegeführung“, sagt Türck-Hövener. „Richtung Sommer“ gibt er als groben Zeitrahmen für die Fertigstellung an.