Keine Maske mehr im Schulunterricht : Gemischte Gefühle in den Nordkreis-Schulen
Nordkreis Für die einen ist ein Stück Freiheit, bei den anderen überwiegt die Sorge: Am Dienstag fällt die Maskenpflicht im Schulunterricht.
Der kommende Dienstag nach Allerheiligen ist für alle, die in NRW noch die Schulbank drücken müssen, ein wichtiger Stichtag: Dann nämlich muss im Unterricht keine Maske zum Schutz vor Corona mehr getragen werden. Die von der nordrhein-westfälischen Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) verkündete Maßnahme stößt nicht überall auf Gegenliebe.
Während die Ministerin von einem wichtigen Schritt für die Schüler hin zu mehr Normalität spricht und auf die nur sehr vereinzelt auftretenden Fälle von Infektionen an Schulen verweist, sieht der Lehrerverband NRW in dem regierungsamtlich verkündeten Wegfall der Maskenpflicht das „falsche Signal“. Es dürfe in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, die Pandemie sei weniger gefährlich als zuvor oder gar vollständig abgeklungen.
Vor dem Hintergrund jahreszeitlich bedingter steigender Infektionszahlen – auch und gerade bei Kindern und Jugendlichen – macht auch die Landesschülervertretung Front gegen den ministeriellen Erlass. Es mache keinen Sinn, ausgerechnet in einer Gruppe mit hohen Inzidenzen nun die Masken fallen zu lassen, lässt sich Vorstandsmitglied Johanna Börgermann zitieren.
Verschärft sich mit dem Wegfall der Maskenpflicht die Lage an den Schulen? Eine Umfrage an Bildungseinrichtungen im Nordkreis zeigt, wie der Meinungsstand unter Praktikern, also den Lehrern, ist.
„Ich halte diese Aktion für verfrüht“, legt sich Dr. Markus Fronhöfer, Mitglied der Schulleitung in der Alsdorfer Realschule im Kubiz, fest. Auch im Lehrerkollegium sei die Einstellung zum Wegfall der Maskenpflicht eher skeptisch. Zwar dürfe nicht verkannt werden, dass der Verzicht auf das Tragen der Maske namentlich für jüngere Schüler eine große Erleichterung darstelle, andererseits sei da immer noch die Infektionsgefahr. Schließlich gebe es auch an seiner Schule noch vereinzelte Fälle von verordneten Quarantänemaßnahmen.
Fronhöfer zeigt sich überzeugt, dass auch nach dem kommenden Dienstag noch zahlreiche Jugendliche an seiner Schule auf die Maske im Unterricht nicht verzichten würden: „Es ist schließlich nicht verboten, die Maske zu tragen.“ Die Erfahrungen der vergangenen Monate zeigten, dass Schüler und Lehrer immer sehr vorsichtig und verantwortungsbewusst mit der Coronavirus-Situation umgegangen seien.
Zudem sei die Maskenpflicht vonseiten der Regierung ja auch nur für den Unterricht aufgehoben worden, in den Gängen und im Schulgebäude generell gelte sie weiterhin. Die Realschule im Kubiz will jedenfalls die Eltern in einer Mitteilung ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Verzicht auf die Masken freiwillig sei, sie mithin im Unterricht auch weiterhin getragen werden könnten.
Sein Alsdorfer Kollege im Dalton-Gymnasium, Schulleiter Martin Wüller, befallen beim Thema Wegfall der Maskenpflicht „gemischte Gefühle“. Einerseits sei es für die Schüler wichtig, „endlich wieder frei atmen zu können“, andererseits sei die Corona-Gefahr eben noch nicht gebannt. Wüller verweist darauf, dass mit dem Verzicht auf die Maske im Unterricht wohl die „Cluster-Quarantäne-Regelung“ wiederauflebe.
Musste bisher bei geltender Maskenpflicht im Infektionsfall nur der einzelne infizierte Schüler zu Hause bleiben, müsse wohl künftig wieder sein gesamtes Umfeld in Quarantäne. Auch dürfe man sich modernen Schulunterricht nicht nach dem Motto „eine Klasse, ein Klassenraum“ vorstellen: Es fänden Kurse statt, in denen unterschiedliche Schüler zusammensäßen. Das Dalton-Prinzip besage zudem, dass in Selbsttätigkeitskursen Schüler verschiedener Ausbildungsstufen gemeinsam interagierten, dort bedinge der Wegfall der Maskenpflicht auf jeden Fall ein erhöhtes Infektionsrisiko. Hier sollten nach dem Freiwilligkeitsprinzip die Schüler die Masken im Eigeninteresse besser weitertragen.
Michael Schmitt, Schulleiter der Europaschule Herzogenrath, möchte die Entscheidung der Ministerin nicht kommentieren. Sie sei sicherlich auf der Basis von Expertisen medizinischer Fachleute getroffen worden. Es sei seine Aufgabe als Schulleiter, sie nun im Alltag umzusetzen. Seine persönliche Haltung zum Thema sei „ambivalent“. Aus pädagogischer Sicht sei der Verzicht auf die Maske unbedingt vonnöten: „Man kann Unterricht nicht sozial abhalten, wenn einem das Gesicht des Gegenübers fehlt.“ Infektionsschutz hingegen sei auch eine Frage des individuellen Verantwortungsbewusstseins. Dafür will Schmitt in einem Brief an die Eltern sensibilisieren. Das weitere Tragen der Maske sei schließlich nicht verboten. Bei eventuell auftretenden Gefahrenmomenten im Schulalltag müsse man flexibel und angemessen reagieren.
Andrea van Hall, Leiterin der Gemeinschaftsgrundschule An Wilhelmstein in Würselen, sieht durch die neue Regelung ernste Probleme bei der Nachvollziehbarkeit eventueller Infektionsfälle an ihrer Schule. Im vormittäglichen Frontalunterricht im Klassenraum sei der Wegfall der Maske sicherlich zu verschmerzen. „Aber was ist am Nachmittag?“, fragt sie.
Ob beim Mittagessen oder in den Spiel- und Arbeitsgruppen, ihre Schützlinge seien von ständig wechselnden Kontaktpersonen umgeben. „Sie können ein kleines Kind nicht einfach an seinem Platz festbinden“, meint van Hall. Auch wenn sie nicht verhehlen kann und will, dass gerade für junge Schüler und Schülerinnen der Verzicht auf die Maske eine große Entlastung darstellt, sieht die Pädagogin die daraus resultierenden Folgewirkungen und Konsequenzen „eher skeptisch“.
So lässt sich wohl auch ein Brief an die Eltern der Schüler der Grengrachtschule Baesweiler deuten, der auf der Homepage der Gemeinschaftsgrundschule veröffentlicht worden ist. Schulleiter Axel Schiffer schreibt darin zum durch Schulministerin Yvonne Gebauer verfügten Wegfall der Maskenpflicht: „Dies erscheint unter Würdigung aller Umstände – insbesondere der besonderen Gewichtung der entwicklungspsychologischen und pädagogischen Bedeutung eines ,normalisierten’ Schulbetriebs – zum jetzigen Zeitpunkt möglich“. Am Ende des Briefes lässt der Pädagoge dann allerdings leise ironische Kritik am regierungsamtlichen Gebaren erkennen: Er freue sich auch darüber, als Schule nahezu zeitgleich mit den Medien informiert worden zu sein.