Nordkreis : Ein Musterbeispiel für Integration
Nordkreis „Ich konnte nur die Buchstaben und ein oder zwei Wörter Deutsch, als wir ankamen”, erinnert sich Diana Deis. Sie gehört zu 61 Schülern mit Migrationsgeschichte aus NRW, die ein „Start”-Schülerstipendium erhalten. „Start” will höhere Bildungsabschlüsse durch Zuwandererkinder fördern und so zum Aufbau einer jungen Zuwandererelite in Deutschland beitragen.
Vor viereinhalb Jahren kam Diana mit Eltern, Tante und Cousinen nach Deutschland, nach einer mehr als zweitägigen Reise mit dem Bus. Das Gebiet um Rostow im Süden Russlands ist die Heimat der heute 18-Jährigen. Ihr Urgroßvater hatte bis zu seinem 15. Lebensjahr in Deutschland gelebt. Auch er ist seit einigen Jahren wieder in Aachen, Diana und ihre Familie wohnen in Herzogenrath.
„Hier ist es ein wenig ruhiger als in der Großstadt, es gibt noch Natur.” Die Landschaft im Süden Russlands aber vermisst Diana. Trotzdem hat sie, mittlerweile deutsche Staatsbürgerin, ihre alte Heimat nicht mehr besucht. „Ich möchte auch nicht wieder hin”, sagt sie ohne Wehmut. „Ich bin sehr glücklich, so wie es jetzt ist.” In Russland lebte die dreiköpfige Familie von gerade einmal 200 Euro im Monat. „Ich hatte ein paar Schuhe und eine Hose, als wir nach hier kamen.”
Schnell hat die begeisterte Tänzerin die deutsche Sprache gelernt. „Die ist viel einfacher als Russisch.” Ihr Akzent ist aber unverkennbar und manchmal fallen ihr die passenden Wörter zuerst in der Muttersprache ein. In welcher Sprache sie denn schimpft, Deutsch oder Russisch? „Ich schimpfe gar nicht”, lacht sie.
Seit zwei Jahren besucht Diana das Städtische Gymnasium in Würselen. „Ich habe sehr viele deutsche Freunde, die Klasse hat mich wirklich sehr nett aufgenommen.” Dabei war es gar nicht so einfach, von der Hauptschule aufs Gymnasium zu wechseln. „Ich weiß nicht, woran es gelegen hat, aber einige Schulen wollten mich nicht. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass mich Schulleiter Günther Sonnen in Würselen aufgenommen hat.” Er war es auch, der Diana ermutigte, sich für das „Start”-Stipendium der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung zu bewerben.
Vor Ort leitet die Bürgerstiftung „Lebensraum Aachen” das Projekt. „Das entscheidende Kriterium für die Auswahl der Jugendlichen war, dass es sich um eine junge Persönlichkeit handelt, die weiß, was sie will und wie ihre Zukunft aussehen soll”, betont Projektleiter Dr. Karl-Heinz Kurze. Halbjährlich überprüft die Stiftung, ob die Stipendiaten das Geld tatsächlich für Weiterbildung einsetzen.
100 Euro Bildungsgeld im Monat, ein Laptop sowie kostenlose Beratungsangebote und Bildungsseminare umfasst das Stipendium. „Das ist toll, mit dem Geld kann ich mir endlich mehr Bücher etwa über die Geschichte der Philosophie kaufen oder einen neuen Schreibtischstuhl, denn der alte quietscht”, sagt Diana.
Nach dem Abitur will sie Grundschullehrerin werden: „Ich arbeite gerne mit Kindern. Ich gebe meiner kleinen Cousine Nachhilfe, anderen Kindern Tanzstunden.” Zudem übt sie fleißig die deutsche Sprache, denn ohne ist Integration nicht möglich. „Außerdem denke ich, dass Wissen und Bildung das Wichtigste überhaupt sind. Ohne kommt man im Leben nicht weiter.”