1. Lokales
  2. Nordkreis

Aufwendiger ARD-Sechsteiler: „Ein Hauch von Amerika“ von Köpfen aus der Region entworfen

Aufwendiger ARD-Sechsteiler : „Ein Hauch von Amerika“ von Köpfen aus der Region entworfen

Ab Mittwoch läuft die ARD-Serie „Ein Hauch von Amerika“. Sie spielt im Jahr 1951. Die Produzentin stammt aus Aachen, ein Drehbuchautor aus Baesweiler. Warum war die Serie so aufwendig, gerade inhaltlich?

Drei Abende lang wird die Serie „Ein Hauch von Amerika“ das Programm der ARD bestimmen, und wahrscheinlich werden Sie ab der Erstausstrahlung am Mittwochabend, 20.15 Uhr, anders hinschauen, wenn Sie diesen Text gelesen haben. Der Bezug zwischen der fiktiven pfälzischen Kleinstadt Kaltenstein im Jahr 1951 und der hiesigen Region ist enorm.

Für geschulte Augen ist offensichtlich, dass die Stolberger Altstadt Kaltenstein ihr Herz geliehen hat. Dort geben die US-amerikanischen Besatzer dem dörflichen Leben in vielerlei Hinsicht eine neue Richtung vor. Hinter allem stecken unter anderem die gebürtige Aachener Filmproduzentin Dr. Simone Höller, 49, und der aus Baesweiler stammende Drehbuchautor Christoph Mathieu, 40. Sie können erzählen, was die aufwendige, sehr teure und viel gelobte öffentlich-rechtliche Produktion so einzigartig und – ja! – so aktuell macht.

„Die Amis kommen und packen unsere Mädchen“

„Diese Geschichte wurde noch nie erzählt“, betont Simone Höller. Wie? Filme über die Nachkriegsjahre gibt es doch zuhauf? Was Höller unter anderem meint, ist der Fokus auf schwarze US-Soldaten, die zur Zeit der Rassentrennung in ihrer Heimat eine ungekannte Freiheit in Deutschland, aber weiterhin Rassismus in den eigenen Reihen und von Seiten der Deutschen erleben. Diese Freiheit lässt die schwarzen GIs ebenso wie die weißen Soldaten ungeniert mit den „Krautmädchen“ flirten.

Drehbuchautor aus Baesweiler: Christoph Mathieu, der mittlerweile in Köln lebt und arbeitet.
Drehbuchautor aus Baesweiler: Christoph Mathieu, der mittlerweile in Köln lebt und arbeitet. Foto: Thomas Jahn

Die Geschichte des schwarzen US-Soldaten George Washington und der jungen, verlobten Marie Kastner aus einer ärmlichen Bauernfamilie ist sowohl elementarer Erzählstrang als auch Sinnbild für eine Gesellschaftsdebatte: die Ausländer und die deutschen Frauen. Eine Herausforderung für Drehbuchautor Christoph Mathieu.

„Als wir mit den Drehbüchern 2018 anfingen, hallten die Debatten um die Kölner Silvesternacht 2016 immer noch nach“, sagt Mathieu. „Und auf genau dieses Thema sind die Recherchen zu der Serie auch gestoßen: Die Amis kommen und packen unsere Mädchen.“ Nicht nur das. Als die Drehbücher fertig waren, erinnert sich Mathieu, wurde die „Black Lives Matter“-Bewegung groß, die in den USA gegen Rassismus und für die Rechte Schwarzer kämpft. Man kann sich vorstellen, wie intensiv das Team während der Produktion diskutiert haben muss.

Produzentin der ARD-Serie „Ein Hauch von Amerika": Dr. Simone Höller, die in Verlautenheide groß geworden ist und auch Aufsichtsratsmitglied des Aachener Verlags Bergmoser + Höller ist.
Produzentin der ARD-Serie „Ein Hauch von Amerika": Dr. Simone Höller, die in Verlautenheide groß geworden ist und auch Aufsichtsratsmitglied des Aachener Verlags Bergmoser + Höller ist. Foto: FFP New Media

„Wir waren uns der Schwere des Themas immer bewusst. Das ist eben ein heißes Eisen, an dem man sich immer irgendwie die Finger verbrennen kann“, sagt Mathieu – der aber letztlich überzeugt ist, mit einem „wahrhaftigen Bild“ eine „saubere und gewissenhafte“ Basis für die Verfilmung geliefert zu haben. „Und wenn es im Nachhinein Kritik gibt, bin ich für jedes Argument offen“, betont der gebürtige Baesweiler, der mittlerweile in Köln lebt und arbeitet. Mathieu ist einer von drei Drehbuchautoren der Serie (je einer für zwei Folgen) und verantwortlich für die letzten beiden Folgen des Sechsteilers – in denen sich die Ereignisse überschlagen, wie er sagt. Mathieu stieß 2018 auf Empfehlung zum Team und sollte aus den umfassenden Recherchen „etwas Klares extrahieren und dramatisieren“.

Das Konzept stand zu dem Zeitpunkt schon lange – denn Simone Höller hatte schon vor knapp elf Jahren begonnen, ihre Ideen zu entwerfen und die Recherchen in Auftrag zu geben. Dann galt es, eine Geschichte zu erzählen, die nur so von Gegensätzen und polarisierenden Themen getrieben wird. Hier die US-amerikanischen Besatzer, da die gebeutelten Deutschen, teilweise mit Nazi-Vergangenheit, dazu der Antisemitismus; Aufbruch und Freiheit gegen Tradition; Emanzipation und Bürgerrechte; die Angst, die Heimat zu verlieren und damit auch die Identität.

„All das trifft den Zuschauer mit geballter Wucht“, sagt Simone Höller, die in Verlautenheide groß geworden ist und in Geschichte promoviert hat. „Wer die Serie sieht, wird merken, dass wahnsinnig viele Themen beleuchtet werden, die erschreckend aktuelle Bezüge haben.“ Die Umstände seien andere, die Konflikte nicht – auch 70 Jahre später nicht.

 Szene aus der ARD-Serie „Ein Hauch von Amerika“: Gedreht wurde in der Stolberger Altstadt.
Szene aus der ARD-Serie „Ein Hauch von Amerika“: Gedreht wurde in der Stolberger Altstadt. Foto: FFP New Media/ben knabe

Im Anschluss an die letzte Folge der Serie strahlt die ARD am Mittwoch, 8. Dezember, 21.45 Uhr, eine dazugehörige Dokumentation aus. „Die Doku ist spannend, weil viele einfach nicht glauben, dass das, was die Serie zeigt, wirklich so passiert ist“, sagt Höller über die Geschichten hinter der Geschichte. Sie selbst kann auch noch allerhand erzählen, denn – man ahnt es – die Dreharbeiten wurden im vergangenen Jahr von der Corona-Pandemie überschattet.

Abgeschottet in Schleiden gedreht

Die Dreharbeiten begannen am 25. Februar 2020, dem Dienstag nach Karneval. Das Virus war zu jener Zeit vielerorts noch eher Angst als Realität. „Wir haben die Innenaufnahmen in Schleiden abgedreht in ganz kleinen Räumen“, erinnert sich Höller an die ersten vier Drehwochen. Zu sehen sind meist eine Handvoll Schauspieler, aber viele Set-Mitarbeiter standen hinter der Kamera. Während der verschiedenen Lockdown-Phasen haben viele Produktionsfirmen Angestellte entlassen, auf eigenes Risiko habe die Firma Höllers jedoch alle an Bord gehalten.

Im Juli gingen die Drehs weiter, und die Mannschaft habe in einem Hotel in Schleiden „wie unter einer Käseglocke“ gelebt, niemand sei nach Hause gefahren, bis alles im Kasten war. „Wir sind im Nachhinein dafür gelobt worden, dass man nicht erkennt, dass es eine Corona-Produktion ist“, betont Höller.

Die Drehbücher seien nochmals angepackt, jede Szene mit Körperkontakt überprüft worden, ob sie notwendig sei. In Folge zwei gibt es eine längere Szene mit rund 100 teils grölenden Komparsen in einer Kneipe. Ohne ständige Coronavirus-Tests zu der Zeit undenkbar und ein enormer Aufwand, auch finanziell, erzählt Höller. Die Anzahl positiver Tests während der Dreharbeiten: null.

Historisches wird selten in Deutschland gedreht

Wer sich fragt, auf welchem Stolberger Hof die Serienfamilie Kastner wohl lebt, dem sei die Antwort verraten: nicht in Stolberg. Für diese Szenen wie auch für die mit dem Weiher (Folge zwei) und die Anfangsszenen der ersten Folge auf dem Acker ist die Produzentin in Herzogenrath fündig geworden. In Kornelimünster wurden der Friedhof und die Außenansicht der Erziehungsanstalt gefilmt, in die die lebenslustige Tochter des Kaltensteiner Bürgermeisters (gespielt von Dietmar Bär) gebracht wird. Szenen in der „Base“ der US-Soldaten wurden dagegen in Idar-Oberstein gedreht.

„Es ist selten, dass so viele historische Szenen in Deutschland gedreht werden. Denn oft ist es Prag. Stolberg eignet sich hervorragend, ist einfach ikonografisch“, betont Simone Höller, die bereits darüber nachdenkt, wie eine zweite Staffel aussehen könnte. Denn es gibt noch viel zu erzählen über die Nachkriegszeit in den 1950er Jahren.