Wegen Schadstoffbelastung : Grüne wollen autofreie Bahnhofstraße in Alsdorf
Alsdorf Nach Schadstoffmessung hält die Grünen-Fraktion in Alsdorf ein zumindest temporäres Durchfahrtverbot in der Bahnhofstraße für sinnvoll, um die Qualität der Luft und damit des Aufenthalts in der Innenstadt zu verbessern.
Am Beginn steht eine unhandliche Zeichenfolge, die sich leider nicht eleganter kombinieren lässt: 35,2 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Das klingt erstens nicht lecker und wird zweitens bei vielen Lesern unmittelbar zu Augenrollen führen. Ja, es geht schon wieder um Luftbelastung und – genau – in diesem Fall wird noch nicht einmal der EU-weit gültige Grenzwert von 40 Mikrogramm erreicht, geschweige denn überschritten.
Gemessen haben ihn die Grünen in der Bahnhofstraße, Alsdorfer Innenstadt, über einen Zeitraum von einer Woche. „Das haben wir als bedenklich eingestuft“, sagt Horst-Dieter Heidenreich, Vorsitzender der Grünen-Fraktion. Bedenklich genug, um von der Stadt einen Maßnahmenkatalog zu fordern mit dem Ziel, die Schadstoffbelastung in der Innenstadt zu senken.
Politisch bereits Haken dran?
Ein besonderer Wunsch in Richtung Stadtverwaltung: Der Politik in diesem Zusammenhang Vorschläge vorzulegen, um den motorisierten Individualverkehr auf der Bahnhofstraße zwischen Bahnübergang und Denkmalplatz zu reduzieren. Sprich: Nur noch Busse, Taxen, Fahrräder und Lieferverkehr sollen die Straße nutzen dürfen, für alle anderen soll sie gesperrt werden. Das könne eventuell auch zeitlich beschränkt werden, meint Heidenreich, auf Stoßzeiten – im Berufsverkehr etwa. „Diese Diskussion wird in Alsdorf eigentlich nur von uns geführt“, bemerkt er und man könnte auf die Idee kommen, dass er gar nicht mal so falsch liegt.
Wenn man sich zum Beispiel das Ergebnis der politischen Auseinandersetzung im Rat mit dem Thema anschaut. Da kam das Messergebnis aufs Tableau, und von der Mehrheit wurde beschlossen, die Sache nicht weiter zu verfolgen – und dabei handelt es sich nicht um die Interpretation eines verklausulierten Ratsbeschlusses, in dem versucht wurde, den Haken hinter der Causa „Maßnahmen für saubere Luft“ zu verstecken. Wortwörtlich heißt es da: „Der Rat der Stadt beschließt, diese Angelegenheit nicht weiter zu verfolgen.“ Schön wäre gewesen, überlegt Heidenreich, wenn die Verwaltung von sich aus gesagt hätte: Wir messen selbst noch einmal nach. Oder die Kollegen im Rat das Thema wenigstens an den Stadtentwicklungsausschuss weitergeleitet hätten. So ist die Forderung der Grünen einfach verpufft. Könnte man meinen.
In Wahrheit wird es innerhalb der Verwaltung verfolgt, wenn auch nicht unter der Überschrift „Feinstaub“, sondern unter dem Gesichtspunkt „Aufenthaltsqualität in der Innenstadt“. Denn der gemessene Stickstoffdioxidwert liegt erstens unterhalb dem in der Europäischen Union zulässigen Grenzwert, und er wurde außerdem nicht nach EU-Vorgaben ermittelt. Dafür wären Messungen über ein ganzes Jahr nötig, die, so heißt es aus dem Amt für Planung und Umwelt, weitaus komplexer seien als die diskutierten. „Inhaltlich liegen die Verwaltung und die Grünen aber im Grunde nicht weit auseinander“, sagt Susanne Lo Cicero-Marenberg, Alsdorfs Technische Beigeordnete.
Ob eine Sperrung der Bahnhofstraße für große Teile des Verkehrs aber das richtige Mittel ist, um die Aufenthaltsqualität zu steigern, steht auf einem anderen Blatt. Etwa 15 bis 20 Jahre sei es her, sagt Lo Cicero-Marenberg, dass jene Idee schon einmal in Alsdorf besprochen worden ist. Damals war nach gutachterlicher Ermittlung jedoch festgestellt worden, dass es nicht möglich ist, die Bahnhofstraße komplett abzubinden. Es wären Verkehrsbewegungen, Verlagerungen zustande gekommen, „über die man nicht hätte Herr werden können“. Andere Straßen wären kollabiert. Das bedeute jedoch nicht, dass man nicht noch einmal untersuchen lassen könnte, was aktuell bei einer Sperrung der Bahnhofstraße geschehen würde. Die Grundlage dafür, wie für andere potenzielle Veränderungen und Anpassungen in der Verkehrsführung in der Stadt, müsse allerdings ein aktuelles Verkehrsmodell mit gesicherten Daten sein.
Verkehrsmodell entsteht
Ein solches Verkehrsmodell ist derzeit in der Entstehung. Im vergangenen Jahr waren Verkehrszählungen an entscheidenden Knotenpunkten in der Stadt vorgenommen worden. Aus den Zahlen und darauf fußenden Berechnungen werde ein Verkehrsmodell des Status quo erstellt, auf dessen Grundlage wiederum Auswirkungen möglicher künftiger Veränderungen in der Verkehrsführung in Alsdorf simuliert werden können. Die hochkomplexe Erstellung solcher Modelle könne von Städten aber nicht in Eigenregie durchgeführt werden, dafür habe auch Alsdorf Spezialisten beauftragt.
„Wir halten dagegen“
Die beiden Dinge, um die es den Grünen geht – die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern und die Belastungen für die Anwohner zu minimieren – könnte dann vielleicht mit anderen Maßnahmen erreicht werden. Vielleicht über den Zentralparkplatz? Oder geänderte Einbahnstraßenregelungen? Egal was überlegt werde, „es handelt sich um sehr komplexe Dinge“, erklärt Lo Cicero-Marenberg. Wenn man an einer Stelle in der Stadt etwas verändere, habe das Auswirkungen auf andere Stellen. Und die müsse man kennen, müsse man simulieren, bevor man sie umsetze.
Einfach aufgeben will Heidenreich derweil nicht, weil er es für nötig hält, auf das Ergebnis der Messung zu reagieren. „Wir werden weiter versuchen, auf verkehrspolitische Entscheidungen Einfluss zu nehmen.“ Wenn der Bürgermeister sage, das alles sei doch nur Panikmache, „dann halten wir dagegen“. Die Situation sei eine andere, wenn die Messung vielleicht nur 10 µg/m³ ergeben hätte. Aber ein Wochenmittelwert von 35,2 und das bei durchgehend gutem Wetter, das gehe eher in Richtung Grenzwert. Dieser Wert bilde nicht das Ende der Fahnenstange und könnte zum Beispiel bei Inversionswetterlagen leicht noch einmal ein gutes Stück darüber liegen, glaubt Heidenreich.
Weitere Messungen
Dem widerspricht die Verwaltung. Ein Jahresmittelwert werde wahrscheinlich niedriger liegen als der von den Grünen für eine Woche ermittelte Wert, Inversionswetterlagen würden ihn vermutlich nur wenig beeinflussen. Negativ wirke sich derzeit auch die Sperrung der L223 aus, beschere der Stadt zusätzlichen Verkehr aus Umleitungen. Heidenreich hält weitere Messungen auf Initiative der Grünen trotzdem für denkbar und sinnvoll, um das Problem weiter im Auge und im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten.