Dachdeckermeister Ralf Krings : Der „gute Künstler im Schieferlegen“ ist schon vielen Kirchen aufs Dach gestiegen
Baesweiler Ralf Krings ist Dachdeckermeister aus Baesweiler. Und als solcher kennt er nahezu alle Kirchen der Region von oben. Dem Aachener Dom, dem Kloster Steinfeld, St. Lucia in Stolberg und vielen anderen ist er schon aufs Dach gestiegen.
Das herausragende Weltkulturerbe kennt er aus einer Perspektive in- und auswendig, die nur wenigen Menschen so hautnah vergönnt ist: den Aachener Dom von ganz hoch oben. Denn Ralf Krings ist Dachdeckermeister aus Baesweiler.
Der 56-Jährige führt seinen traditionsreichen Betrieb bereits in der fünften Generation. Grob geschätzt ist Krings bereits weit mehr als hundert Gotteshäusern in der gesamten Region und darüber hinaus aufs Dach gestiegen. Somit natürlich auch dem prägenden Kirchengebäude des Bistums Aachen schlechthin. Ein Arbeitsplatz mit Himmelskontakt und besten Aussichten nur für Schwindelfreie...
Krings hat besonders am Oktogon und Sechzehneck direkt unter der mattgrauen Kuppel, die zusammen die Silhouette des stolzen Bischofssitzes prägen, seine markante Handschrift hinterlassen. Oder vielmehr filigrane „alte Handwerkskunst, die oft nicht im Lehrbuch steht“, wie er sagt. Aber sie bietet für weitere Generationen Sicherheit vor zerstörerischen Witterungseinflüssen. Damit zollt er der Arbeit seiner handwerklichen Vorgänger ausdrücklich „Hochachtung“. An dieser „altdeutschen Deckung“ orientiere er sich. Krings spricht von „nicht alltäglichen Herausforderungen“, die ihn meist am Dom erwarten. Er gilt als künstlerisches und architektonisches Meisterwerk. Schließlich hat die Unesco den Aachener Dom nicht grundlos bereits 1978 als erstes deutsches Denkmal in ihre Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
Doch auch bei weniger spektakulären kirchlichen und weltlichen Bauwerken ist seine Expertise gefragt. So wie kürzlich an der Pfarrkirche St. Bartholomäus in Monschau-Mützenich: Dort kletterte Krings aufs Dach, weil sich bei einem Eifelsturm Teile des Schiefers gelöst hatten. Provisorisch dichtete er diese Stellen ab. Jetzt berät der Kirchenvorstand, wie eine nachhaltige Sanierung gewährleistet werden kann – und entscheidend natürlich, wie die Finanzierung zu stemmen ist.
Bereits seit mehr als 20 Jahren hat Ralf Krings nahezu alle Dacharbeiten am Aachener Dom ausgeführt. Dombaumeister Helmut Maintz, seit 1997 im Amt und schon 35 Jahre lang für die Dombauhütte tätig, erinnert sich noch gut, als das Baesweiler Unternehmen zur Jahrtausendwende den ersten Auftrag unter seiner Regie erledigte. Krings' Startprojekt war der Ersatz für die verwitterte Bleieindeckung am Oktogon. Weitere Dachabschnitte kamen im Laufe der Zeit hinzu. 2018 war die aufwendige neue Bleieindeckung des Sechzehnecks beendet. „Fachlich absolut sehr gute handwerkliche Arbeit“, bewertet Maintz das Wirken von Krings und dessen Mitarbeitern überaus positiv.
Den Status eines inoffiziellen „Dom-Dachdeckers“ hat sich Ralf Krings also redlich erarbeitet – im besten Sinne des Wortes. Da gab es keine „Gefälligkeits-Aufträge“. Vielmehr siegte Krings stets in harten Ausschreibungswettbewerben. „Er hat sich durchgesetzt, weil er das jeweils günstigste Angebot abgegeben hatte“, weiß Diplom-Bauingenieur Helmut Maintz und erinnert daran, dass dieses strenge Verfahren zwingend sei, „da wir öffentliche Mittel verwalten“. Nur in einem einzigen Fall habe sich ein Aachener Mitbewerber durchgesetzt: beim Neueindecken der Taufkapelle.
Davon unabhängig schätzt Maintz, Absolvent der Aachener Fachhochschule, die Arbeit von Dachdeckermeister Krings sehr. „Er findet immer eine Lösung, auch schon mal außerhalb der Fachregeln“, lobt der Dombaumeister die fruchtbare Zusammenarbeit. Und: „Er hat einen sehr hohen Qualitätsanspruch.“ So verarbeite er zum Beispiel bei „Kehlungen“ – dem bogenförmigen Anschluss von Gauben an die Dachhaut – eher die doppelte Anzahl von Schiefersteinen als meist üblich, damit das Regenwasser besser abläuft. Dabei geht es um „Verschneidungsflächen von zwei Dächern“.
Krings setze bei der Bleieindeckung auf Nachhaltigkeit und somit Langlebigkeit. Dies werde durch den Einsatz von „Kirchenblei“ gewährleistet. Das bei historischen, denkmalgeschützten Bauwerken oft verwendete Material sei auf der Unterseite verzinnt und deswegen widerstandsfähiger gegen schädliche Umwelteinflüsse, stellt der Dombaumeister heraus.
Nächstes Großprojekt am Dom sei die für 2023 geplante Sanierung der Verschieferung auf dem Kreuzgang, informiert Helmut Maintz. Da winkt dem Baesweiler vielleicht wieder ein lukrativer Auftrag. Bislang, listet der 62-jährige Dombaumeister auf, habe Ralf Krings im Laufe von zwei Jahrzehnten für rund 1,2 Millionen Euro Arbeiten am Dachstuhl des Oktogons, dem karolingischen Mauerwerk, der Nikolauskapelle, dem Sechzehneck und am Westturm erledigt.
Das Erfolgsrezept seiner Arbeit
„Ein Handwerker muss so gut sein, dass das Material entscheidet, wann Ersatz notwendig ist.“ So formuliert Ralf Krings im Gespräch mit unserer Zeitung das Erfolgsrezept seiner Arbeit, die eine möglichst lange Haltbarkeit der Dacheindeckung gewährleistet. Dieses „Geheimnis“ praktiziert er seit fast vier Jahren auch an der berühmten Basilika des Klosters Steinfeld in der Eifel. Hier „wandert“ das Gerüst im Laufe der Zeit praktisch rund um das gesamte kirchliche Gebäudeensemble. Im ersten Quartal 2022 sollen die Teildächer der Basilika fertig sein. Bis dahin dürften rund 122.500 einzelne Schiefersteine verarbeitet worden sein, bei einer Dachfläche von insgesamt etwa 2450 Quadratmetern. Bis zu 90 Jahre soll die neue Eindeckung dem Verwitterungsprozess standhalten.
Bereits seit 2002 kümmert sich der Architekt Thomas Staerk aus Roetgen-Rott um die Sanierung der Basilika. Auch der Diplom-Ingenieur lobt Ralf Krings für präzise, sorgfältige Arbeit. In Stolberg hat er gleichfalls in Zusammenarbeit mit Staerk die Dacheindeckung an der Vogelsangkirche erledigt. „Viele Jahrzehnte davor hat mein Vater mit seinen Mitarbeitern den Turmhelm der Stolberger Kirche St. Lucia eingedeckt. Davor wurde unmittelbar nach dem Krieg die Eindeckung der Kirche St. Maria Himmelfahrt zum Teil auf Munitionskistenbrettern von unserem Familienunternehmen erneuert.“ Und gleich gegenüber dem Dom hat Krings auch das Dach des Aachener Rathauses komplett erneuert, zudem die benachbarte Kirche St. Foillan.
Auch in der Heimat wird auf das Können der Krings-Dynastie Wert gelegt. So hat Ralf Krings' Großvater 1929 die markanten Zwiebeltürme der Baesweiler Pfarrkirche St. Petrus eingedeckt. 2002/03 sorgte der Enkel für die Erneuerung. Auch an der evangelischen Kirche der Stadt hat der 56-Jährige schon gearbeitet. Das Unternehmen kann auch bei seinen Mitarbeitern auf Tradition, auf langjährige bewährte Kräfte setzen. So ist etwa Paul Lipowski bereits seit 45 Jahren dabei. Viel Erfahrung bei Denkmälern bringen auch Ergin Birinci, Ahmet Bütüner, Hüseyin Tuc und Ayhan Topaloglu mit.
Es ist eine verschworene Truppe oft muslimischer Kollegen, die natürlich kein Problem damit haben, katholischen Kirchen aufs Dach zu steigen. Die Kollegen, darunter Italiener, Türkischstämmige und Spanier, hat Krings in der Regel selber ausgebildet. Beim Ortstermin in Steinfeld hoch oben auf dem Gerüst ist Marcel Lostak aus Merkstein mit anderen bei der Arbeit. Der 30-Jährige ist auch Mitarbeiter von Krings. Der Steinfelder Pfarrer Pater Wieslaw Kaczor lobt die Dachdecker: „Sie sind so gute Künstler im Schieferlegen. Das ist der Wahnsinn!“
Wichtig bei den Schiefersteinen ist die „Gebindesteigung“. Je flacher die Dachneigung, umso steiler wird das Material angenagelt. Damit soll der Nässe von oben wirksamer getrotzt werden, der Regen abfließen können. Etwa fünf bis sechs Millimeter stark ist der Schiefer. Bei der Verwitterung wölbt es sich auf, das Material wird weich und damit druckempfindlich. In diesem Zustand wird meist eine Neueindeckung fällig, nicht zuletzt abhängig davon, wie stark der Schiefer dem Wind ausgesetzt ist. In Steinfeld, bei einer Höhenlage von rund 500 Metern, sei dieser Faktor mitentscheidend für die Haltbarkeit des Schiefers.
Wichtig sei auch die „Wartung“, beschädigte Teile möglichst rasch zu ersetzen, damit sich Feuchtigkeit nicht tiefer in die Unterkonstruktion des Dachstuhls frisst. In Steinfeld wurden Teile der Kehlung in Blei erstellt, um die Schneelasten des Winters auszuhalten. Extra montierte Doppelrohre an der Traufe, der unteren Dachkante, sorgen dafür, dass der Schnee nicht abrutscht. Und neu installierte Regenrinnen sorgen speziell an den beiden Türmen dafür, dass das Wasser nicht mehr die Wände entlang nach unten fließt.
Der bei Denkmalen verarbeitete Schiefer stammt meist aus deutschen Bergwerken und wird unter Tage gefördert. Zum Beispiel „Moselschiefer“ im Raum Mayen: Ralf Krings weiß, dass sein Großvater, der wie sein Vater den Dachdeckerbetrieb geführt hatte, mit Pferdefuhrwerken – vor dem Zweiten Weltkrieg mit zwei eigenen Tieren – den Schiefer in der rheinland-pfälzischen Eifel abgeholt habe.
„Handschrift“ des Unternehmens
In der Tat gebe es eine „Handschrift“ seines Unternehmens, die Fachleute an der Art ablesen könnten, wie der Schieferstein verlegt werde. Das sei schon bei seinem Großvater Josef Krings (1890-1960) so gewesen, wie auch bei seinem Vater Willi Krings (1931-2020). 1965 geboren, ist Ralf Krings schon früh in den Familienbetrieb hineingewachsen. Die Dachdeckerausbildung absolvierte er ab 1982 beim Vater, die Meisterprüfung 1989 mit 24 Jahren. 1992 fügte er den Titel eines Klempnermeisters noch hinzu, um bei Metallarbeiten versierter zu sein. Genauso hält es sein Sohn Aaron (18) seit August 2020, die inzwischen sechste Generation im ehrwürdigen Handwerk.
Das Unternehmen wurde von Johann Martin Krings (geboren 1827) im Jahre 1856 gegründet. Dessen Sohn Wilhelm (1852-1924) führte es fort. Ralf Krings: „In unserem Arbeitsbereich der Denkmalpflege darf ich auf die Leistungen meiner Vorgänger innerhalb der Familie bauen. Sie haben mit deutlich einfacheren Mitteln schon erstaunliche Leistungen erbracht“, ist er stolz auf das Können seiner Vorfahren. Und er will mit seinem Sohn Aaron als potenziellem Nachfolger noch lange davon profitieren.
Zum Beispiel am kleinen Turm von St. Michael in Aachen-Burtscheid: Dieser neue „Patient“ wartet in Krings' Werkstatt auf eine Frischzellenkur. Die Holzkonstruktion wurde per Kran vom Dach geholt. Sie ist ganz schön mitgenommen, ziemlich „angefressen“ vom Zahn der Zeit...