1. Lokales
  2. Nordkreis
  3. Alsdorf

Erster afghanischer Imbiss: Omed Hamdard war Nato-Ortskraft – und jetzt kocht er

Erster afghanischer Imbiss : Omed Hamdard war Nato-Ortskraft – und jetzt kocht er

Als Teenager hat Omed Hamdard für Nato-Soldaten übersetzt. Jetzt führt der 25-Jährige den einzigen afghanischen Imbiss in der Region. Derzeit verschenkt er noch Essen.

Erst einmal soll der Journalist Stift und Block weglegen, die Fragen kann er später stellen – zunächst wird gegessen. Viel afghanischer Reis mit Karotten und Rosinen, Hähnchen, Lamm, dazu frisches Naan-Brot. Kein Besteck. Schneidersitz. Omed Hamdard hat an diesem Abend afghanische Freunde zu Besuch, aber auch andere Gäste können seine Gerichte in dem einzigen Speiseraum traditionell genießen. „Tischdecke heißt bei uns Bodendecke“, sagt er grinsend.

Omed Hamdard hat an der Alsdorfer Luisenstraße 55 im Oktober „AFG – Afghan Food in Germany“ eröffnet, sprich: Dort, wo zuletzt monatelang der Citygrill leer gestanden hat, gibt es nun afghanische Speisen. Hamdards Imbiss ist der einzige dieser Art in der Region. Die Geschichte des 25-Jährigen ist so speziell wie das Essen, denn er ist kein gelernter Koch.

Hamdard lebt seit neun Jahren in Deutschland, von Köln ist er vor nicht allzu langer Zeit nach Alsdorf gezogen. In seiner Heimat habe er davor als Teenager als sogenannte Ortskraft für die Nato gearbeitet, erzählt Hamdard. Italiener, Franzosen, Portugiesen, Amerikaner – für sie habe er übersetzt.

In Deutschland ging er ganz andere Wege: 2014 gründete er einen Onlineshop und verkaufte vier Jahre lang Haushaltswaren und Deko, bevor die folgenden zwei Jahre ein Sicherheitsdienst sein Arbeitgeber war. „Der Job war gut, ich habe gut verdient und war in ganz Deutschland unterwegs“, erzählt Hamdard. Während der Dienstreisen kam ihm dann eine Idee. „In München, Hamburg und anderen Städten habe ich viele Restaurants gesehen – aber niemand hatte originales afghanisches Essen.“ Jetzt bietet er es selbst an.

Das Kochen, sagt Hamdard, bringt er sich seit Jahren selbst bei. „Wenn ich stundenlang in der Küche stehen kann, bin ich glücklich“, betont der 25-Jährige. Das „stundenlang“ ist wörtlich zu nehmen, denn manche Gerichte bräuchten zwei bis drei Stunden Vorbereitung. „Wenn etwas schnell zubereitet wird, dann schmeckt es meistens nicht. Ich nehme mir gerne Zeit.“

Traditioneller Speiseraum: Omed Hamdard (2.v.r.) führt Gäste seines Restaurants in einen Teil der afghanischen Kultur ein. Das Bild ist entstanden, als er gerade Besuch von Freunden aus Köln hatte.
Traditioneller Speiseraum: Omed Hamdard (2.v.r.) führt Gäste seines Restaurants in einen Teil der afghanischen Kultur ein. Das Bild ist entstanden, als er gerade Besuch von Freunden aus Köln hatte. Foto: MHA/Carsten Rose

Wenig Laufkundschaft, nette Kommentare

Mehr als 100 Speisen stehen auf der Karte, vor allem Pizza, Baguettes, Salate – aber nur 15 traditionell afghanische. Warum? „Wenn ich nur afghanische Gerichte anbieten würde, dann hätte ich keine Einnahmen“, sagt Hamdard. Geld verdiene er erst einmal mit Pizzen, aber jeder Bestellung fügt er ein afghanisches Gericht umsonst bei. „Die Leuten müssen sich erst einmal an die Küche gewöhnen“, betont der 25-Jährige. „Wenn es dann so weit ist, will ich Pizzen und alles andere von der Karte streichen und viel mehr afghanische Gerichte anbieten.“

Viel Laufkundschaft (Online-Bestellungen über Lieferdienste würden aber immer mehr, der eigene Shop ist kommende Woche aufrufbar) hat Hamdard nämlich nicht, primär aus zwei Gründen: Sein Imbiss liegt an der viel befahrenen Luisenstraße, nicht in der Fußgängerzone.

Und von außen sieht „AFG“ unspektakulär aus – es habe das Geld für größere blickfangende Änderungen außen gefehlt. In den ersten Online-Bewertungen ist schon zu lesen, was den Imbiss abgesehen von den hier nicht allzu bekannten Gerichten ausmacht: Der traditionelle Speiseraum hat es Neukunden schon angetan. Und Hamdards Warmherzigkeit.

Ohne Familie in Deutschland

Auf der Karte steht mit Palak zum Beispiel ein traditionelles Spinatgericht, unter anderem mit Ingwer, Koriander, und lokalen Gewürzen. Hamdard sagt dazu: „Eigentlich ist Palak ein scharfes Gericht, aber da die Deutschen nicht so scharf essen, koche ich es milder.“ Daneben ist Kabli Palu ein berühmtes Lammfleisch-Gericht aus der Hauptstadt Kabul (Kabli steht dafür); das Lamm wird ohne Öl zubereitet.

In einer anderen Küche habe Hamdard nur ein paar Monate gearbeitet, in einem Kölner Hotel nahe dem Hauptbahnhof. 80 Prozent seiner Kochkünste habe ihm seine Frau beigebracht, erzählt er, sie sei Köchin. Dabei sieht er sie kaum: Seine Familie inklusive Sohn, der beim Tag seiner Abreise vor neun Jahren einen Tag alt gewesen war, ist noch immer in Afghanistan.

Sein Sohn, erzählt Hamdard, sei bis heute noch nie in der Schule gewesen – aus Angst vor den Taliban, da er als Teenager eben mit der Polizei und Soldaten zusammengearbeitet hatte. Deswegen reist er auch immer nach Pakistan, um seine Frau für zwei oder drei Wochen zu sehen. Vielleicht kann er sie in ein paar Monaten nach Alsdorf holen. „Wenn sie kommt, dann machen wir ein 5-Sterne-Restaurant auf“, sagt er – und lächelt noch mehr, als er es ohnehin schon tut, wenn er erzählt.