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Kritik an Stadtentwicklung: Grüne fordern Abkehr vom „Alsdorfer Reihenhaus-Reflex“

Kritik an Stadtentwicklung : Grüne fordern Abkehr vom „Alsdorfer Reihenhaus-Reflex“

Geht es nach der Grünen-Fraktion, wird in Alsdorf zu viel Fläche versiegelt, dem Auto zu viel Raum gegeben, werden Investoren zu wenig Vorgaben bei der Entwicklung von Wohngebieten gemacht. Sie stellen Forderungen.

Eine „kurze Bestandsaufnahme verschiedener Bereiche, in denen wir Handlungsbedarf sehen“, sei es, sagt Grünen-Fraktionschef Horst-Dieter Heidenreich und blickt auf das zweiseitige Papier in seinen Händen. Die Grünen haben zum Gespräch geladen. Um über Stadtentwicklung in Alsdorf zu sprechen. Mit vielem von dem, was in den vergangenen Jahren passiert ist und in der nahen Zukunft gemacht werden soll, sind sie nicht zufrieden.

Ein erster Punkt hört sich auf Anhieb vertraut an. Nicht nur weil die Grünen bereits versucht hatten, in der Kommunalpolitik eine Mehrheit dafür zu finden, sondern auch, weil er schon Thema in der Berichterstattung unserer Zeitung war: Ja, es geht wieder um die Verkehrsberuhigung der Bahnhofstraße – und zwar nicht erst in zehn Jahren, wenn das Projekt Zentralparkplatz weiter gediehen sei, sondern gleich.

Kritik üben sie überhaupt daran, dass das Auto im Mittelpunkt der Verkehrsplanung stehe. Stattdessen müssten attraktiver ÖPNV – Taktverbesserungen inklusive regionalen Denkens – sowie sichere Rad- und Fußwege ganz oben auf die städtische Agenda. „Alsdorf ist die einzige Stadt im Umkreis, die eine Hauptverkehrsstraße mitten durch die Innenstadt hat“, sagt Thomas Hermanns, entwicklungspolitischer Sprecher der Fraktion.

Die Grünfläche hinter dem Rathaus würden die Grünen gerne unbebaut lassen: Wenn dort aber Wohnbebauung stattfinden soll, fordern sie, möglichen Investoren Vorgaben zu machen.
Die Grünfläche hinter dem Rathaus würden die Grünen gerne unbebaut lassen: Wenn dort aber Wohnbebauung stattfinden soll, fordern sie, möglichen Investoren Vorgaben zu machen. Foto: MHA/Thomas Vogel

Rundherum gebe es sonst in Innenstadtbereichen Einbahnstraßen, verkehrsberuhigte Straßen oder Fußgängerzonen. In Alsdorf fehle an dieser Stelle die Aufenthaltsqualität, obwohl man es direkt anders machen, den Verkehr über Kurt-Koblitz-Ring und die Adenauer-Allee führen könnte. Busse sollen dort der Grünen-Vision folgend weiter fahren dürfen, ebenso sei denkbar, die Regiotram in Zukunft durch die Bahnhofstraße zu leiten.

Grün statt grau

Und auch das hört sich wie ein Grünen-Mantra an, weil es nach Meinung der Grünen mantraartig wiederholt werden muss – es tue sich ja nichts: weniger Fläche versiegeln, mehr Grünflächen erhalten. Jene hinter dem Rathaus an der Hubertusstraße zum Beispiel. Immer wieder einmal heiße es von diesem Areal, es solle bebaut werden, dabei gebe es keinen beschlossenen Bebauungsplan.

Eine Bebauung an dieser Stelle hält die Grünen-Fraktion aus mehreren Gründen für problematisch, sagt Hermanns. Es gebe dort nur schmale Zuwege. Außerdem gehe damit eine große Fläche verloren, die mitten in der Stadt als grüne Lunge wirke. „Man hätte hier Gelegenheit, etwas Nachhaltiges zu schaffen ohne große Flächenversiegelung.“ Vorgaben schweben den Grünen vor, die möglichen Investoren gemacht werden sollten – Dachbegrünung wäre denkbar, oder eine autofreie Siedlung zum Beispiel. So etwas gebe es in den Nachbarstädten noch nicht, Alsdorf könne hier Vorreiter werden.

Dass es aber so kommt – unwahrscheinlich. Mehrheiten und etwas, das Rainer Janssen den „Alsdorfer Reihenhaus-Reflex“ nennt, stünden dem entgegen. Meint: „Da, wo ein Grundstück frei ist, wird eine Siedlung mit Reihenhäusern draufgebaut.“ So laute in Alsdorf oft die sehr einseitige Antwort auf die Frage, wie ein Grundstück bebaut werden soll, und alles weitere werde einem Investor überlassen. Dieser Modus Operandi mit Blick auf größere Wohn-Neubauprojekte stößt den Grünen deshalb bitter auf. Hier lege man die Hände in den Schoß und warte auf Investoren und deren Vorschläge, anstatt Möglichkeiten zur aktiven und nachhaltigen Stadtentwicklung zu nutzen und möglichen Investoren selbst Auflagen zu machen.

Oft zudem, ohne die Öffentlichkeit zu beteiligen. „Es gibt die kleineren Baugebiete, die meistens nach Paragraph 13a durchgewunken werden, wo tatsächlich keinerlei Bürgerbeteiligung notwendig ist. Die lehnen wir deshalb auch grundsätzlich ab“, sagt Janine Ivancic. Die Grünen fordern, die Stadt möge anders vorplanen, wenn es um neue Wohngebiete geht, Investoren Vorgaben machen, Bürger beteiligen. Was in der politischen Beratung am Ende herauskomme, stehe auf einem anderen Blatt, auch das sei klar.

Ordentlich Betrieb: Eine verkehrsberuhigte Bahnhofstraße in Alsdorf planen nicht nur die Grünen. Sie aber fordern, diesen Plan umgehend umzusetzen, und nicht auf die Entwicklung auf dem Zentralparkplatz zu warten.
Ordentlich Betrieb: Eine verkehrsberuhigte Bahnhofstraße in Alsdorf planen nicht nur die Grünen. Sie aber fordern, diesen Plan umgehend umzusetzen, und nicht auf die Entwicklung auf dem Zentralparkplatz zu warten. Foto: MHA/Thomas Vogel

„In absehbarer Zeit wird ja auch zu erwarten sein, dass das alte Hallenbad abgerissen wird“, spricht Heidenreich einen weiteren Punkt an, den man in der Fraktion kritisch beäugt. Auch in diesem Bereich gebe es Möglichkeiten einer vernünftigen Bebauung unter ökologischen und sozialen Aspekten. Ohne große Flächen zu versiegeln. Schwenk auf das Annagelände, wo das neue Hallenbad entsteht. Heidenreich: „Auch da werden wir sehr genau hinschauen, wie am Ende die Energieversorgung aussieht.“

Janssen ergänzt: „Die Herzogenrather sind da auf dem richtigen Weg: Die versuchen ihr Hallenbad so zu bauen und zu betreiben, dass es in zehn, 20 Jahren noch funktioniert. Wenn man das konventionell macht mit Gas, Kohle oder Erdöl, dann ist die Energiesicherheit ja gar nicht mehr gegeben. Das erleben wir durch den Ukraine-Konflikt doch gerade knallhart.“

„Große Einzelhandelsflächen, die jahrelang leerstehen und wo mangels Nachfrage statt einer geschäftlichen Vermietung hilfsweise eine gemeinorientierte Nutzung stattfinden muss“ zeigten, dass es Schwierigkeiten gebe, Geschäftsräume zu vermieten und ein Überangebot an solchen Flächen bestehe, sagt Heidenreich.

Auf dem Areal des Zentralparkplatzes neue große Einzelhandelsflächen zu schaffen, halten die Grünen deshalb für einen Fehler. „Das würde wieder zu Leerständen führen“, sagt Heidrun Sengstake. „Wir sind schon dafür, den Bereich zu bebauen. Aber maßvoll.“ Wichtig sei, dort Parkplätze für das Publikum zu erhalten, die in eine überplante, verkehrsberuhigte Innenstadt wollen. „Und vielleicht ein Hotel, das einen Bezug zur Stadthalle hat.“

Und der Annapark? Der habe auf den ersten Blick ja ganz nett ausgesehen, im Laufe der Zeit aber seine Schwachstellen offenbart, findet Sengstake. Auf der dünnen Erdschicht über den kontaminierten Zechenhinterlassenschaften entwickelten Bäume einfach keine großen Kronen. Die Birken, die sich auf dem Gelände befinden, „das sind eigentlich keine Bäume, das sind Krüppel“. Das Grünen-Urteil lautet: Der Bewuchs ist nicht zielführend um Aufenthaltsqualität für einen Park zu schaffen. Auch ökologisch sei das sinnfrei. Die Fraktion schlägt vor, einen Teil als Wiesenflächen für Insekten und Vögel anzulegen „und die einzelnen Bäume vielleicht Mikrowäldern weichen“ zu lassen.

Unterstützung für ihre städtebaulichen Pläne und Vorschläge möchten die Grünen – „wenn wir sie schon im Rat nicht kriegen“ – künftig verstärkt direkt in der Bevölkerung, vor allem direkt über das Internet suchen.