1. Lokales
  2. Jülich

Jülich: Verein „Wurzeln“: Die russische Schule gibt Halt

Jülich : Verein „Wurzeln“: Die russische Schule gibt Halt

Wurzeln geben Halt. Wer seine Heimat verlässt, um eine neue zu finden, sollte seine Wurzeln bewahren, damit sie wachsen und sich verzweigen können. So oder ähnlich dachten russisch sprechende Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion. Sie gründeten im Dezember 2010 einen Verein, gaben ihm den Namen „Wurzeln“.

Das Vereinslogo zeigt einen Baum, dessen Stamm mit den Farben der deutschen Flagge gekennzeichnet ist, die Baumkrone symbolisiert die Teilrepubliken der ehemaligen Sowjetunion, die Wurzeln verankern den Baum im Boden. „Wir wollen hier neue Wurzeln wachsen lassen, ohne die alten dabei zu verlieren“, steht rot hervorgehoben in dem Vereinsflyer. Die Integration in die deutsche Gesellschaft ist den Mitgliedern wichtig, aber auch die Wertschätzung und Vermittlung der mitgebrachten Traditionen.

Russische Samstagsschule in Jülich: 34 Schüler werden von fünf Lehrerinnen in Russisch, Literatur, Geschichte, Kunst und Erdkunde unterrichtet.
Russische Samstagsschule in Jülich: 34 Schüler werden von fünf Lehrerinnen in Russisch, Literatur, Geschichte, Kunst und Erdkunde unterrichtet.

In der praktischen Umsetzung organisiert der Vorstand für seine Mitglieder eine Russische Schule in Kooperation mit der Volkshochschule Jülicher Land. Der Unterricht ermöglicht Kindern, die Muttersprache zu erlernen, er findet samstags — aufgeteilt in vier Gruppen — in den Räumen der ehemaligen Realschule statt. Die Schule hat 34 Schüler, sie kommen aus dem gesamten Kreisgebiet, es sind auch Kinder aus Aachen dabei.

 Elena Wyrwich und Iryna Schumacher, Vorsitzende und Vize.
Elena Wyrwich und Iryna Schumacher, Vorsitzende und Vize.

Die Kleinen, im Alter von drei bis vier Jahren, sind freitags dran. Dann ist Russische Märchenstunde. Lehrerin Raissa Kutscher liest vor, lässt die Kinder Bilder erklären, sie erweitern spielerisch ihren Wortschatz. Die Sprachkenntnisse der Schüler sind unterschiedlich. Die Klasseneinteilung erfolgt nach Alter und Level. Die fünf Lehrerinnen arbeiten ehrenamtlich, sind ausgebildete Pädagoginnen. In der ersten Stunde findet der Sprachunterricht statt, in der zweiten geht es um russische Literatur, Kunst, Geschichte, Erdkunde, in der dritten Stunde wird gebastelt.

„Die Kinder, die hier geboren sind, sind mehr Deutsche als Russen“, sagt Vereinsvorsitzende Elena Wyrwich. Auch sie ist keine Russin, sondern — das ist angesichts der politischen Großwetterlage interessant — aus der Ukraine, wie auch ihre Stellvertreterin Iryna Schumacher. Aus Russland stammt Raissa Kutscher, sie gesellt sich gerade dazu.

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beeinträchtige ihre Beziehung nicht. „Das spielt bei uns keine Rolle“, sagt Wyrwich. Man könne verschiedener Meinung sein, ohne sich zu zerstreiten. Und dann erzählt die eine, dass die Schwester mit einem Ukrainer verheiratet sei, und die andere, dass die Freundin seit 20 Jahren in Moskau lebe. „Die Kultur und Geschichte vereint uns“, sind sich alle drei einig. Um zu zeigen, dass sie gut miteinander auskommen, werde auf dem Jülicher Kulturfest im September ein ukrainischer und russischer Stand aufgebaut.

Aber nicht nur Migranten aus Russland und der Ukraine sind in Jülich aktiv. Der Verein setzt sich aus 35 Familien zusammen. Sie sind eingewandert aus Armenien, Usbekistan, Kasachstan, Ukraine, Weissrussland und Russland. Die gemeinsame Sprache und Kultur verbinde. Oft ist der Ehepartner Deutscher.

Im Vereinsleben werde der 8. März groß geschrieben, der Internationale Frauentag, die Frauen, auch die Mädchen, bekommen dann Geschenke. „Und die Männer kochen und backen für uns“, sagt Schumacher. Für die Kinder wird eine Kinderdisco veranstaltet, abends gibt es eine Party für Erwachsene. Auch Sylvester wird gefeiert, Väterchen Frost ist dabei. Einen Sprachkurs für Erwachsene biete der Verein ebenfalls, nicht in russischer, sondern in deutscher Sprache (Leitung Hans Brodek).

Ideen für weitere Vereinsaktivitäten haben die Vorsitzenden reichlich, wie die Einrichtung einer kleinen russischsprachigen Bibliothek oder einer Beratung von russischen Migranten in Behördenfragen. Für die Umsetzung fehle nur noch ein Raum. Kontakt: verein-wurzeln@web.de.