Kampf gegen unerwünschte Pflanzen : Rinder, die Eindringlinge fressen
Jülich Die Natur rund um den Barmener See hat sich verändert. Auch, weil sich Pflanzen ausbreiten, die überhaupt nicht in die Region gehören. Rinder sollen helfen, sie zurückzudrängen.
Der Kampf gegen die Eindringlinge im Barmener Driesch läuft schon seit vielen Jahren. „Das ist wie der Kampf gegen Windmühlen“, sagt Moritz Weyland, der für das Jülicher Revier zuständige Förster. Die Eindringlinge heißen Riesen-Bärenklau, indisches Springkraut und japanischer Knöterich. Diese Pflanzen gehören nicht nach hier und bringen die Natur aus dem Gleichgewicht. In einem neuen Feldversuch sollen Rinder die ungebetenen Pflanzen wegfressen.
„Einen Versuch ist das wert“, sagt Weyland über das Projekt, das Menschen aus Barmen und Umgebung betreiben, die sich in einer Projektgruppe unter dem Namen Landt zusammengetan haben. Landt steht für Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus auf dem Barmener Driesch. Es wird unter anderem als Leader-Projekt mit europäischen Mitteln gefördert, um den ländlichen Raum zu entwickeln.
Die Menschen, denen der Barmener Driesch am Herzen liegt, haben schon viel versucht, um die sogenannten Neophyten — was nichts anderes als neue Pflanzen bedeutet — zurückzudrängen. Per Hand haben sie versucht, den Eindringlingen den Garaus zu machen, mit Gift, mit Strom oder mit Heißschaum. „Solche Methoden kommen für viele Flächen aber nicht infrage“, sagt Weyland. Der Barmener Driesch ist entweder ein FFH-Gebiet (Flora Fauna-Habitat) und unterliegt damit strengen Schutzauflagen, oder er ist ein Naturschutzgebiet — strenger geht es nicht. Arbeiten mit Pflanzengift oder das Befahren mit schwerem Gerät wären nötig, sind aber verboten.
Da kommt das sogenannte Rote Höhenvieh ins Spiel. Eine siebenköpfige Herde der vom Aussterben bedrohten Rasse weidet seit Anfang April auf einer Fläche im Driesch nahe der sogenannten Tetzer Brücke. Die Mitstreiter der Landt-Gruppe haben die Herde in den vergangenen drei Jahren auf Ausgleichsflächen außerhalb des Drieschs aufgebaut. Jetzt grasen sie seit einigen Wochen dort, wo Knöterich und Springkraut schon kräftig sprießen.
„Sie gehen an die Pflanzen ran“, sagt Thomas Muckenheim, als er mit mehreren Landt-Mitstreitern neben der Tetzer Brücke steht und den Tieren beim Äsen und Wiederkäuen zusieht. Darauf haben sie gehofft, die Eigenschaften der Rasse hätten die Vermutung nahegelegt. „Sie sind nicht so schwer, haben einen gesunden Huf und sind anspruchslos bei der Futterwahl“, sagt Franz-Peter Claßen. Die ersten zwei Eigenschaften sind wichtig, weil der Driesch als einziges Gebiet im Jülicher Land, in der die Rur sich noch in ihrem ursprünglichen Bett durch die Landschaft schlängelt, tiefe und feuchte Böden hat.
Die sechs Hektar, auf der die Tiere jetzt stehen, darf die Landt-Gruppe mit einer Ausnahmegenehmigung beweiden. Denn obwohl die Fläche mehr nach Weide als nach Wald aussieht, ist sie als Waldgebiet eingestuft. Kyrill, der Pfingststurm 2015, hatte den Baumbestand weitgehend zerstört. „Aber in einem Pilotprojekt kann man solche Dinge mal ausprobieren“, sagt Muckenheim. Die Landt-Gruppe hat ein Fernziel. Wie realistisch das ist, sei dahingestellt. Ähnlich zu Flächen in Schottland, Irland oder an der niederländischen Küste könnte auch der Barmener Driesch viel weiträumiger eingezäunt werden. An den Zugängen stehen Gatter, die der Mensch öffnen und schließen kann, für die Rinder ist hier aber Endstation.
„Der Driesch ist früher genau so genutzt worden“, berichten Muckenheim, Claßen und Alexandra Gräfin Hoensbroech. Also einerseits als Weidefläche, andererseits als Fläche für Holzwirtschaft. „Wir haben eine Umfrage in der Bevölkerung gemacht. Sie wünscht sich eine Nutzung des Drieschs wie früher“, erklären die Landt-Mitstreiter. „Mit den ersten sieben Tieren auf den ersten sechs Hektar wollen wir zeigen, dass es sich lohnt, das Projekt auszuweiten“, sagt Muckenheim.
Moritz Weyland steht dem Fernziel der Gruppe – den weitflächigen Weideflächen — skeptisch gegenüber. Es sei sinnvoll, zu testen, ob die Tiere punktuell die Neophyten zurückdrängen. Aber grundsätzlich sei es das Ziel, die Flächen in eine Auwald-Landschaft zu entwickeln. Mit Viehherden, die in den Niederlanden beispielsweise dafür sorgten, dass keine Waldflächen entstehen, sei das schwer möglich. „Für unsere Region sind Auwälder wertvoller, vor allem wegen der höheren Artenvielfalt im Vergleich zu einem Driesch“, sagt der Revierförster.
Weylands gewichtigstes Argument ist ein anderes: Wer die Neophyten im Driesch bekämpft, der packe sie nicht bei der Wurzel. Die liege, im übertragenen Sinn, Rur-aufwärts, nämlich in der Rureifel, die ebenso befallen sei von Neophyten. „Dann kommt das nächste Mal, dass die Rur viel Wasser führt und viele Samen mitnimmt. Und dann sind die Neophyten bei uns wieder da. Es bedarf einer viel größeren Kraftanstrengung. Wir hier allein können nur begrenzt etwas ausrichten.“
Trotzdem stellt Weyland klar, dass der Bedarf besteht, auch vor Ort gegen die Eindringlinge vorzugehen. Zuletzt waren Stimmen zu hören, die sagten, dass der Riesen-Bärenklau rund um den Barmener See zurückgedrängt worden sei. Dem widerspricht der Förster. „Kommen Sie mal im August nach hier. Dann sehen Sie ganze Heerscharen von drei Meter hohem Bärenklau.“
Das Problem mit den Eindringlingen: Sie verdrängen die heimischen Pflanzen. Der Riesen-Bärenklau schafft es innerhalb von einer Wachstumsperiode auf über drei Meter, er hat große Blätter und wächst in Heerscharen. Alle anderen Pflanzen, beispielsweise kleine Bäume, sind langsamer und verkümmern dann im Schatten. Die Hoffnung der Landt-Gruppe ist, dass das Rote Höhenvieh den jungen Riesen-Bärenklau frisst, bevor er giftig und ungenießbar wird.