1. Lokales
  2. Jülich

Weniger Gläubige, weniger Priester: Neue Ideen für alte Gotteshäuser gesucht

Weniger Gläubige, weniger Priester : Neue Ideen für alte Gotteshäuser gesucht

Wie viele Kirchengebäude wird man im Jülicher Land für wie viele Gläubige künftig benötigen? Können Kirchen auch anders genutzt werden? Fragen, mit denen sich nicht nur Pfarrer Josef Wolff auseinandersetzen muss.

Die Aussichten sind eher ernüchternd: Das Durchschnittsalter der Priester im Bistum Aachen liegt derzeit bei Mitte 70. Zwei Drittel dieser Priester werden in den nächsten zwei Jahren in den Ruhestand gehen. Anhand der Bewerberzahlen auf eine Pfarrerstelle im Bistum und laut Prognosen der externen Berater kann die Gemeinde Heilig Geist Jülich in der Dekade 2020-2030 mit einem Pfarrer für 16 Gemeinden rechnen. „Wenn überhaupt, zudem sieht es in anderen Berufsgruppen und mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern nicht anders aus“, kommentiert Propst Josef Wolff.

Hinzu kommt: Seit kurzem ist die Mehrheit der Jülicher Bürger nicht mehr katholisch. Waren  im Jahre 2013 noch 65 Prozent der Jülicher als Mitglieder der katholischen Kirche registriert, sind es 2019 bei einer kontinuierlich fallenden Tendenz weniger als 50 Prozent gewesen. „Der heutige Stand beim Personal und die Zahl der Kirchgänger sind schlecht und die potenzielle Entwicklung als Rückläufig anzusehen“, fasst der stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstands Thomas Surma zusammen.

Das Rad herumdrehen

Der Kirchenvorstand ist ein gewähltes Gremium, das unter anderem in der Verantwortung steht, die Gelder und die Vermögenswerte der Kirchgemeinde vor Ort zu betreuen. „Es ist unser Job auf die Entwicklung zu reagieren“, erklärt Surma, „die Arbeitsgruppe Heilig Geist 2030 (AG HGJ) sollte auf die personellen und finanziellen Nöte Antworten liefern, vor allem aber nach Möglichkeiten suchen, das Rad herumzudrehen“.

Das Rad umzudrehen oder – nomen est omen – den Teufelskreis zu durchbrechen, kann mit einem Priester für 16 Gemeinden mit 16 Kirchengebäuden bei einer schwindenden Zahl der Gläubigen zu einer „David gegen Goliath“-Aufgabe werden. Seien doch die finanziellen Zuwendungen des Bistums Aachen für den Erhalt der kirchlichen Gebäude an die Gläubigerzahlen gebunden. „Unsere Idee ist es, die Bereiche zu zentralisieren“, erläutert Josefine Meurer als Mitglied des GdG-Rates. Demnach könnte es neben der bereits vorhandenen Jugendkirche die Themenzentren „Familie“ und „Trauer/Begräbniskirche“ geben.

Die Propsteikirche wird in den Vorschlägen als „Zentralort“ angesehen. Unter anderem solle dort ein regelmäßiger Gottesdienst gewährleistet werden, wogegen es in den Dörfern zunehmend nicht mehr zu gewährleisten sein wird. „Im schlimmsten Fall werden es neben dieser Zentralkirche nur noch zwei andere als Jugend- und Familienkirche sowie Trauerkirche bleiben“, sagt Meurer, „es wäre das Minimum“. Man könne es heute noch nicht festlegen, ob zwei, drei oder vielleicht sogar fünf Kirchengebäude als Kirchen erhalten bleiben.

„Es tut weh, wenn wir die Kirchen schließen und entwidmen müssen“, erläutert Surma, „und es klingt drastisch, aber wenn drei Menschen einem Pfarrer zuhören, sind die Heizungskosten für uns schlicht zu hoch. Es wird Menschen geben, die sich, wenn es soweit kommt und die Kirche in ihrem Dorf geschlossen wird, sehr darüber aufregen werden. Doch würden diese Menschen am Sonntag in die Kirche gehen, würde es jetzt anders aussehen“. Nicht als traurig, sondern als von einer Last  befreiend, betrachtet Pfarrer Wolff die unausweichliche Entwicklung. „Es ist an der Zeit, dass wir endlich aufhören, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Das ist nicht die Aufgabe der Kirche und der Priester, sich mit der Verwaltung von Gebäuden zu beschäftigen.“

Als Eigentümer und juristische Person sei man verantwortlich für das Personal und auch für die Gebäude, dennoch sei die Kirche immer noch zu sehr bürgerlich geprägt. „Wir denken immer noch in der Kategorie Besitzstandwahrung: Was ist, soll so bleiben. Damit sind wir Gefangene unserer selbst. Mit dem Erfolg, dass wir für manche Menschen als Kirche noch uninteressanter werden.“ Die Perspektive sei die Verkleinerung und in den verbleibenden Kirchen eine für die Menschen annehmbare Attraktivitätssteigerung. Die ehemaligen Kirchen sollten mit potenziellen Kooperationspartnern „in etwas Vernünftiges“ für die ganze Gemeinde nützlich umgewandelt werden.

Dass Pläne für eine Umnutzung etwa der Kirche von St. Rochus im Wahlkampf ein Thema wurden, sei als parteipolitischer Zug womöglich nicht sehr glücklich, dennoch für das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit von Nutzen. „Dadurch wurden unsere Nöte womöglich erst wahrgenommen“, erklärt der Pfarrer. „Ich bin mit dem aktuellen Geschehen nicht zufrieden. Ich würde es aber begrüßen, wenn wir uns von den Gemäuern lossagen würden. In den ersten Jahrhunderten sind die Christen aus den Gebäuden rausgegangen und haben unter freiem Himmel gebetet. Es kann nicht sein, dass die Beschäftigung mit Gebäuden mich als Priester davon abhält, den Gottesdienst zu feiern.“