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Aufwendige Restaurierung: Ein 600 Jahre altes Kruzifix kommt zurück

Aufwendige Restaurierung : Ein 600 Jahre altes Kruzifix kommt zurück

Nach der Restaurierung bei Spezialisten in Bonn wird der Holzkorpus am Freitag wieder an seinen Platz in der Kirche in Glimbach gehängt. Bei der Feierstunde gibt es außerdem einen Vortrag der Restauratorin.

Etwa lebensgroß ist der Christus am Kreuz der Kirche St. Agatha im Linnicher Ortsteil Glimbach und mehr als 600 Jahre alt. Damit noch weitere Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinzukommen können, war die Holzfigur nun bei Spezialisten in Bonn.

Restauratorin Katharina Liebetrau und ihre Kolleginnen Dorte Dreyer und Inka Reuther haben 266 Stunden in die Konservierung und Restaurierung investiert. „Das klingt viel – ist es aber nicht“, erklärt sie, schließlich könne die Restaurierung eines Altars auch einmal mehrere Personen sieben bis acht Jahre beschäftigen. Wie an dem Kruzifix gearbeitet wurde, erklärt Liebetrau am Freitag in einem kurzen Vortrag während der Feierstunde zur Rückkehr des Kruzifixes nach St. Agatha (15 Uhr). Sie gibt aber schon vorab einen kleinen Einblick in ihre Arbeit.

Wichtig ist Katharina Liebetrau zu betonen, dass sie das Kruzifix nicht etwa aufhübscht oder „in neuem Glanz erstrahlen“ lässt. Ihre Hauptaufgabe sei das Erhalten, das Konservieren. Dazu zählt zum Beispiel, dass Farbe nicht abfällt und durch früheren Wurmbefall angegriffene Holzsubstanz gefestigt wird. Gelockerte Farbe wieder anzukleben, ist aber in diesem Fall eine Kunst für sich.

 Das „ins Gesicht eingeprägte Leiden“ findet Restauratorin Katharina Liebetrau besonders beeindruckend.
Das „ins Gesicht eingeprägte Leiden“ findet Restauratorin Katharina Liebetrau besonders beeindruckend. Foto: Jens Hofmann

Schließlich gibt es auf dem Holz eine Vorleimung, dann mehrere Schichten Grundierung, mehrere Schichten Farbe und darauf stellenweise aufgeformte Blutmale als Applikationen. Jede einzelne dieser vielen Schichten kann sich lösen. „Das festzulegen und zu sichern ist die wichtigste Arbeit, damit nichts von der historischen Substanz verloren geht“, erklärt die Expertin. Die Bemalung, so viel steht fest, ist die zweite. Sie soll noch gotisch und damit sehr wertvoll sein, erklärt die Konservatorin.

Von wem das Kruzifix ist oder wann genau es entstand, lässt sich nicht mehr sagen. Geschätzt wird es aber auf das 14. Jahrhundert. Viele Anhaltspunkte gibt es nicht, weil bestimmte Stilmerkmale von Christusfiguren, zum Beispiel wie man ein Lendentuch darstellt, über längere Zeit ähnlich geblieben sind. Die Kopf- und Körperhaltung, die Gestaltung des Gesichts, das Lendentuch, die Anzahl der Kreuznägel und die Blutmale können aber Aufschluss geben.

Der restaurierte Korpus - hier im Atelier in Bonn - wird wieder an das Kreuz in St. Agatha in Glimbach gehängt.
Der restaurierte Korpus - hier im Atelier in Bonn - wird wieder an das Kreuz in St. Agatha in Glimbach gehängt. Foto: Jens Hofmann

Ein spannendes Detail ist auch, dass am Kopf ein paar Haarlocken fehlen. Katharina Liebetrau erklärt, dass das ein Zeichen dafür sein könnte, dass dem Korpus in der Spätgotik eine Echthaarperücke aufgesetzt wurde, so wie es damals manchmal üblich war. „Das sah sehr realistisch aus“, kommentiert sie und erklärt, wie jetzt mit der etwas reduzierten Haarpracht umgegangen wird: „Heutzutage wird nichts mehr spekulativ ergänzt.“ Im 19. und 20. Jahrhundert sei das aber noch üblich gewesen – deshalb hat der Christus aus St. Agatha Ergänzungen an Händen und Füßen. Die sehen noch so perfekt aus, dass ein fehlendes Fingerglied störend aufgefallen ist. In Absprache mit der Kirchengemeinde und der Denkmalpflege wurde deshalb beschlossen, dieses Stück zu ergänzen.

Nach der Konservierung waren die Hände und Füße, eine große Retusche an Brust und Schulter sowie eine Harz-/Lackschicht von der vorherigen Restaurierung Anfang der 1960er Jahre die größten „Baustellen“ für das Atelier in Bonn. Dass ausgerechnet die Bereiche des Korpus am meisten Aufmerksamkeit brauchen, die am jüngsten sind, erscheint für Laien paradox, für Katharina Liebetrau aber logisch: „Das Original ist schon jahrhundertelang gealtert, die neueren öl- oder harzhaltigen Materialien altern erst jetzt – und in den ersten Jahrzehnten am meisten. Die waren stark vergilbt.“ Deshalb werde mittlerweile bei der Retusche mit öl- und harzfreien Materialien gearbeitet, beispielsweise auf Basis von besonders alterungsstabilen Kunstharzen oder Gummi Arabicum.

Weil der Korpus in der Vergangenheit von Holzwürmern befallen war, die sich zu Käfern entwickelten und Ausfluglöcher verursachten, gab es zahlreiche kleine, schwarze Löcher zu kitten. Das habe optische, aber auch präventive Gründe, erklärt Liebetrau, um das Risiko eines erneuten Befalls zu minimieren.

In ihren Augen handelt es sich bei dem Kruzifix um eine kunsthistorisch spannende Holzskulptur, die besonders aufgrund ihrer expressiven Darstellung des Leidens Christi auffällt: „Die hochgeschobene Haut an Händen und Füßen und das ins Gesicht eingeprägte Leiden“, nennt Liebetrau beispielhaft und empfiehlt Betrachtern dafür einen genauen Blick auf die Nasenwurzel – zum Beispiel bei der Feierstunde am Freitag, wenn das Kruzifix von professionellen Kunstpackern wieder an seinen angestammten Platz gehängt wird.

Möglich gemacht hat die 25.000 Euro teure Restaurierung eine zweckgebundene Spende an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz.