Brief an Bürgermeister Fuchs : Kinder wünschen sich eine Mountainbikestrecke in Jülich
Jülich Laute „Achtung!“-Rufe schallen durch das kleine Wäldchen an der Zitadelle, Marco tritt in die Pedale und fährt mit entschlossenem Blick auf den kleinen Erdhügel zu. Sekunden später hebt er ab und landet kurz darauf wieder sicher auf dem Boden.
Sein Freund Milan tut es ihm gleich. Er konzentriert sich auf die Strecke, ehe er ebenfalls zwischen den Bäumen hindurch fliegt. Die beiden zehnjährigen Jungs sind leidenschaftliche Mountainbikefahrer und wünschen sich dafür einen Pumptrack in Jülich. Deshalb haben sie die Initiative ergriffen und eine Nachricht an Bürgermeister Axel Fuchs geschrieben.
In dem handgeschriebenen Brief heißt es: „Wir wollen diesen Platz, weil wir Kinder und Jugendlichen sonst nirgendwo wirklich fahren können. Wir haben zwar Strecken im Wallgraben und fahren am Schlossplatz, doch das ist keine gute Lösung.“ Milan und Marco erklären auch, wieso die vorhandenen Plätze nicht ausreichen. „Die Strecken werden irgendwann langweilig“, sagt Marco und Milan fügt hinzu: „Hier kennt man schon alles, da möchte man irgendwann etwas Neues haben.“ Doch das ist nicht das einzige Problem, aber dazu später mehr.
Die Idee zu einem Pumptrack kam Milan bei einem Ausflug mit seiner Familie, die insgesamt sehr fahrradbegeistert ist. „Wir fahren jedes Jahr zu einem Festival in Belgien, da gibt es auch einen Pumptrack und den fand ich ziemlich cool“, erzählt der Zehnjährige, während er in voller Biker-Ausrüstung neben der Strecke steht und die anderen Jungs beobachtet.
Eine große Gruppe sind sie, die radfahrenden Kinder und Jugendlichen in Jülich. Selbst an diesem Tag, an dem das Wetter durchwachsen ist und sogar ein paar Regentropfen fallen, sausen knapp 20 Jungs auf ihren Bikes über die selbst angelegten Hügel. „Vor einem Jahr war das hier alles unebene, unordentliche, zugewachsene Fläche“, erzählt der 14-jährige Moritz. Dann hat sich die Gruppe an die Arbeit gemacht und zum Beispiel umgestürzte Bäume zu Rampen umfunktioniert. Das war alles nur mit Teamarbeit möglich. „Wir sehen uns hier in der Bike-Gruppe schon eher als Familie, wir verbringen jede freie Minute gemeinsam“, sagt Moritz.
Doch nicht jeder scheint den Jungs diese Leidenschaft zu gönnen. Immer wieder werden Lehmhügel, die als Rampen und Sprünge dienen, zerstört. „Das größte Problem ist, dass alles, was wir hier naturfreundlich bauen, angefeindet wird“, klagt der 14-Jährige. Aus diesem Grund hoffen Milan und Marco, dass ihr Brief Gehör findet. „Ein Pumptrack würde offiziell von der Stadt gebaut werden. Wenn er aus Asphalt wäre, könnte niemand mehr etwas kaputt machen“, erklärt Milan.
Um ihr Anliegen zu unterstützen, hat die Gruppe bei Freunden, in Schulen und auf der Straße Unterschriften gesammelt. Über 500 sind so bereits zusammengekommen. Diese Liste haben sie gemeinsam mit ihrem Brief im März bei der Stadt eingereicht. Dazu hat Marina Petzi, Mutter von Milan, ein Anschreiben formuliert, das alle wichtigen Informationen zum Vorhaben Pumptrack enthält. Unter anderem hat sie Vorschläge für Standorte recherchiert: „Am ehesten würde es Richtung Sportstätten oder Brückenkopf-Park gehen, da die Jungs dort auch etwas lauter sein könnten“, sagt Petzi.
Sie wünscht sich Verständnis für das Anliegen der Kinder, draußen aktiv zu sein. Oft würden Menschen sich beschweren, dass die Kinder heutzutage nur noch drinnen sitzen, aber es gebe gar nicht mehr genügend Möglichkeiten, draußen etwas zu unternehmen. „Es ist unglaublich, was die für Kilometer mit dem Fahrrad machen, aber an den meisten Stellen ist es wegen des Verkehrs auch nicht ungefährlich“, berichtet sie.
Im Pumptrack sieht Petzi auch die Möglichkeit, verschiedene Gruppen einzubeziehen. Selbst Kleinkinder könnten dort mit ihrem Laufrad fahren, für Fahranfänger schule es zum Beispiel die Koordination. „Pumptracks bewegen und beleben die Stadt“, findet Petzi, „sie bringen Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen.“ In ihren Augen würde die Stadt damit eine neue sportliche Begegnungsstätte ermöglichen.
Ob diese tatsächlich gebaut wird, entscheidet die Politik. Im Hauptausschuss am vergangenen Montag wurde das Anliegen vorgestellt, auch Petzi hat an der Sitzung teilgenommen. „Die Reaktionen waren absolut positiv, ich habe kein Nein gehört“, berichtet sie. Zum Schluss habe der Bürgermeister appelliert, sich doch dann auch bald ein Mountainbike zu kaufen.
Das war sicherlich nicht ganz ernst gemeint, Interessierte könnten aber selbstverständlich jederzeit bei der Gruppe vorbeischauen. Von Seiten der Stadt aus wird das Anliegen in jedem Fall weiter bearbeitet. Fuchs sagt dazu: „Es ist sehr gut angenommen worden und wird definitiv mit ins Integrierte Handlungskonzept aufgenommen.“ Außerdem werde die Stadt nach dem einstimmigen Beschluss nun geeignete Flächen suchen, um das Vorhaben umzusetzen. „Wir sind da festen Willens“, sagt Fuchs optimistisch.
Marina Petzi hat derweil in den beiden Fahrradgeschäften in Jülich (K&K Zweirad und Toms Bike Center) noch weitere Unterschriftenlisten ausgelegt, die Unterstützer unterzeichnen können. Und wer weiß, vielleicht können Marco, Milan und ihre Freunde demnächst ihre eigenen kleinen Wettbewerbe auf einem Pumptrack austragen.