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Gottesdienst von Charles Cervigne: Keine Verbitterung, großer Rückhalt

Gottesdienst von Charles Cervigne : Keine Verbitterung, großer Rückhalt

Seit 31 Jahren engagiert sich der Evangelische Pfarrer Charles Cervigne in der Aldenhovener KIrchengemeinde. Nach einer Zwangspause von knapp 16 Monaten konnte er jetzt wieder seinen ersten Gottesdienst halten.

Noch bevor am Sonntag die Räumlichkeiten der Evangelischen Kirche in Aldenhoven bis an die Grenze der Corona-Sicherheitsbestimmungen mit Gläubigen gefüllt waren, konnte man auf der Internetseite der Gemeinde lesen: „Charlie ist wieder im Amt!“ Dementsprechend gut besucht war der erste Gottesdienst nach der Beurlaubung von Pfarrer Charles Cervigne.

Er selbst durfte sich öffentlich zu den Vorwürfen gegen ihn nicht äußern, als Privatperson hatte er diese jedoch mit den Menschen in der Gemeinde kommuniziert. „Ich komme aus der Geschichte nicht verbittert heraus. Ich wusste schon vorher, wie die Welt funktioniert. Die Menschen hier vor Ort haben mir stets signalisiert, dass sie nicht an die Anschuldigungen glauben, das hat mich hochgehalten.“

Seit 31 Jahren in der Gemeinde

Und die Gottesdienstbesucher kamen zahlreich. Senioren,  Familien, sehr viele Kinder, die den Raum erforschten, Jugendliche, die diese daran zu hindern versuchten und ein Pfarrer, der den Jugendlichen sagte: „Lasst sie laufen, es ist doch für sie so interessant hier, ihr seid  genauso gewesen“. Cervigne hat viele dieser Jugendlichen getauft. Er kennt die Gemeindemitglieder seit 31 Jahren, nur in den vergangenen 15 Monaten durfte er nicht im Gottesdienst zu ihnen sprechen.

Im Juli 2019 ist dem evangelischen Geistlichen mit einer Beurlaubung von der Evangelischen Kirche im Rheinland der pfarramtliche Dienst untersagt worden. Ein Grund dafür waren die gegen den Pfarrer erhobenen und öffentlich nicht genannten Vorwürfe. Jetzt ist die Beurlaubung beendet.

„Wenn man nach gut 16 Monaten wieder einen eigenen Gottesdienst mit der Gemeinde feiern darf,  gibt es natürlich gewisse Erwartungen“, wandte sich Cervigne zunächst an seine Gemeindemitglieder. „Als ich den heutigen Predigttext gelesen habe, der nicht von mir sondern von der Kirche in der Predigtordnung vorgegeben wird, da dachte ich, es gibt keine Zufälle.“

Was der Pfarrer in der Predigt zitierte, stammte aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser und besagte unter anderem: „Legt von euch ab den alten Menschen, der sich mit seinen trügerischen Begierden zu Grunde richtet, erneuert euch… Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit… lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund…“.

Cervigne sprach im Gottesdienst vom Leben des Apostels, das voller Demütigungen und Erniedrigungen war, die jedoch in dem Brief nicht erwähnt werden. „Paulus wusste, dass, wer sich im eigenen Elend suhlt, der droht, darin zu versinken und andere in diesen Sumpf der Betrübnis mit hineinzuziehen.“

Cervigne sprach von Geduld („Als wir das Unheil über uns haben kommen sehen, habe ich den meisten von euch gesagt, wir müssen Geduld haben. Dass wir aber so viel Geduld haben müssen, das habe ich selbst damals nicht gedacht“) und davon, dass man nicht erzürnt sein solle – „wie will eine Gemeinde weiterleben, wenn die Abrechnung mit den Verleumdern oder der Hass in den Herzen hervorsteht? Heute wollen wir den Schmerz und den Unsinn abschütteln und uns an der Zukunft der Gemeinde erfreuen“.

Zufluchtsort für Menschen

„Ich habe Menschen gesehen, die sagten, diese Gemeinde darf nicht untergehen, solche, die sich gegen Lügen und Verleumdung stellten, die die Tür hier offen gehalten haben, so dass diese Gemeinde weiterhin ein Zufluchtsort für viele Menschen geblieben ist. Ich verneige mich vor euch“, bedankte sich der Pfarrer bei seiner Gemeinde für die Unterstützung, die er in den vergangenen Monaten erhalten hat.

Der Pfarrer selbst richtete seine Worte auch an die Menschen, die er anders erlebt habe. „Den Menschen, die hier bei uns in der Gemeinde keine Heimat mehr haben können und wollen, wünsche ich, dass sie diese in anderen Gemeinden, zu denen sie jetzt gehen, finden werden.“

(mavo)