Zu Geldstrafe verurteilt : Jülich wehrt sich gegen einen Erpressungsversuch
Jülich Ein Mann aus Jülich wollte seine Rundfunkgebühren nicht bezahlen. Deswegen hat er ein Schreiben aufgesetzt, indem er dem Vollziehungsbeamten der Stadt mit einer Forderung von einer halben Million Euro und der Stadt mit fünf Millionen Euro droht, falls diese ihn weiterhin kontaktieren.
Das sind Methoden, die aus der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene bekannt sind. Die Stadt hat sich dagegen gewehrt, das Amtsgericht hat ihr recht gegeben und den Mann zu einer Geldstrafe verurteilt wegen versuchter Erpressung. Dass die Sache sich so entwickeln würde, damit hatte Stefan R., (Name geändert) zu Beginn nicht gerechnet. „Das erste Telefonat mit dem Mann war eigentlich ganz in Ordnung“, sagt R., Vollziehungsbeamter im Dienst der Stadt Jülich. Der Mann, der sich im späteren Erpresserschreiben als „Max, Mann der Familie Mustermann“ bezeichnete, meldete sich bei R., nachdem er eine Pfändungsankündigung der Stadt erhalten hatte. Städte und Gemeinden in NRW sind sogenannte Vollstreckungsbehörden für den WDR. Das bedeutet, sie treiben ausbleibende Rundfunkgebühren ein. „Ich dachte, dass er es verstanden hat“, sagt R.. Zwei Wochen später landete besagtes Schreiben auf R.s Tisch. Darin forderte Max Mustermann von ihm eine notariell beglaubigte Kopie der Gründungsurkunde des Staates, für den R. arbeite, zudem eine Legitimation der Funktion als Vollziehungsbeamter. Und das innerhalb von 72 Stunden. Sollte das nicht geschehen, würde Mustermann einen Eintrag ins amerikanische Schuldnerverzeichnis erwirken und auf dem Weg 500.000 Euro von R. fordern und zehn Mal so viel von der Stadt Jülich.
Im Mai war das. Die Stadt hat daraufhin Anzeige bei der Polizei erstattet wegen versuchter Erpressung. „Der Bürger erwartet von einer Verwaltung zu Recht einen respektvollen Umgang“, sagt Jülichs Bürgermeister Axel Fuchs. „Dann darf die Verwaltung das umgekehrt aber genauso erwarten.“ Weil Staatsdiener und Amtsträger offenbar häufiger beleidigt oder bedroht werden als früher, gibt es im Kreis Düren seit dem vergangenen Jahr eine Kooperationsvereinbarung unter dem Schlagwort „Respekt”. Alle Städte und Gemeinden, die Polizei und Landrat Wolfgang Spelthahn haben sie unterzeichnet.
„Unsere Politessen kommen schon gar nicht mehr zu mir, wenn sie als ‚blöde Kuh’ oder ‚dumme Sau’ beschimpft werden“, sagt Fuchs. „Wenn ich von so was erfahre, dann werde ich sofort tätig.“ Rückhalt für Staatsdiener und Amtsträger, das ist der Sinn hinter ‚Respekt’. „Die Schwelle zur Anzeige soll sinken“, erklärt die Kreispolizeibehörde auf Nachfrage. Derartige Fälle werden bei der Polizei seitdem in einer „zentralisierten Sachbearbeitung“ behandelt, wie die Polizei mitteilt. Es gibt also einen Ansprechpartner, der dafür sorgt, dass solche Vorfälle nicht frühzeitig wegen Geringfügigkeit fallengelassen werden.
Adresse auf Briefumschlag
Im Jülicher Mustermann-Fall haben die Ermittler offenbar alles andere als eine Geringfügigkeit erkannt. Mustermann ausfindig zu machen, war kein Problem. Der Brief war per Einschreiben an R.s Büro geschickt worden, auf dem Briefumschlag stand eine Adresse, die – so die Ermittlungen – die wahre Identität von Mustermann ans Tageslicht brachte. „Ein Erpresserschreiben mit richtigem Absender – von so was hört man selten“, sagt R. Ob der vermeintliche Mustermann der Reichsbürger- oder Selbstverwalterszene angehört, die allesamt die Bundesrepublik ablehnen, weiß der Jülicher Vollziehungsbeamte nicht. Dass der Verfasser Textvorlagen genutzt hat, die aus dieser Szene stammen, sei aber offensichtlich.
„Das ist dann ein anderer Fall und hat nichts mehr mit einem Jungen-Streich zu tun“, sagt der Vollziehungsbeamte. Auch nicht mit den Kunden, denen R. üblicherweise in seinem Arbeitsalltag begegnet. Bewusst spricht er von Kunden. „Für mich ist wichtig, dass ein Gespräch auf Augenhöhe entsteht“, sagt er. Auch wenn das bedeutet, dass er dem Kunden die Möglichkeit gibt, sich lautstark abzureagieren. Über Lügen sieht er auch hinweg. „Ich weiß ja dann, dass die Kunden nicht mit mir persönlich ein Problem haben, sondern sich über die Sache ärgern.“ In rund 90 Prozent gelinge es, eine für alle Seiten verträgliche Lösung zu finden. „Wir sind ja verpflichtet, immer das möglichst mildeste Mittel anzuwenden“, erklärt R. Direkt mit der Tür ins Haus fallen und das Geld verlangen sei nicht das Mittel der Wahl.
„Vergessen ist menschlich“, sagt R. Viele Menschen vergessen, Knöllchen, Bußgelder, Beiträge oder Steuern zu zahlen. Vielen sei das dann peinlich, wenn die Ankündigung der Zwangsvollstreckung ins Haus flattert oder der Vollziehungsbeamte vor der Tür steht. „Am besten ist, wenn die Kunden dann beim Vollziehungsbeamten anrufen. Sprechenden Menschen kann geholfen werden“, sagt R.
Wenn es gar nicht geht, dann gibt es auch eine Lösung. Der Mustermann-Fall hat das gezeigt. „Ich bin dankbar für dieses Urteil. Es zeigt, dass die „Respekt”-Vereinbarung ernstgenommen wird“, sagt Axel Fuchs. Zu 40 Tagessätzen von jeweils 30 Euro hat das Amtsgericht Max Mustermann verurteilt.