Schulprogramm „FIT in Deutsch“ : „Sie sind dankbar, dass sie das haben“
Inden Schulkinder mit Migrationshintergrund haben es zurzeit besonders schwer. Sie sind oft zuhause, wo die Muttersprache gesprochen wird. Darunter leidet ihr Deutsch und sie fallen in der Schule zurück. Beim „FIT in Deutsch“ lernen sie in den Ferien Deutsch.
Es sieht auf den ersten Blick wirklich nicht nach Deutschunterricht aus. Die Schulkinder sitzen in Zweiergruppen auf dem Hof der AnziehBAR in Inden und bemalen Ostereier. Doch die Leiterin des Ferienintensivtrainings „FIT in Deutsch“, Mariam Alemyar, erklärt das Konzept: Nur kurz wird am Tag klassisch Unterricht mit Büchern und Alphabetaufsagen gemacht. Danach wird etwas unternommen: wandern, basteln, Ausflug zum Indemann, spielen. An jedem Tag wird ein anderes Thema behandelt. Heute auf dem Plan: Feiertage. Islamische, jüdische, christliche. Dazu gehört eben auch Ostereierbemalen.
Die Schulsituation ist für Kinder unter Corona schwierig geworden. Besonders leiden Kinder mit Migrationshintergrund darunter, weiß Alemyar: „Die Schüler sind viel zu Hause, und da wird meist nur die Muttersprache gesprochen“, erzählt sie. Das Deutsch der Kinder leide, sie fallen in der Schule zurück. Die Nachhilfelehrerin kennt viele Geschichten von Schülern, die von der Schule für den Onlineunterricht technisch nicht ausgerüstet wurden. Und da die Familie auch keine Geräte hatte, konnten sie nicht teilnehmen. Mehrfach sei sie von Schulen angesprochen worden, was denn mit diesem oder jenem Schüler sei, der hätte sich gar nicht mehr beim Unterricht gemeldet. „Mir ist aufgefallen, dass diese Kinder oft untergehen“, sagt Alemyar.
Das Schulprogramm „FIT in Deutsch“ soll diesen Kindern helfen. In den Ferien bekommen Schüler mit Migrationshintergrund täglich Deutschunterricht. „Wir sind echt froh, dass wir das anbieten dürfen. Das ist für die Kinder wichtig“, sagt Alemyar. Wegen der Coronavirus-Pandemie können nur 15 Kinder an dem Kurs teilnehmen. Die Nachfrage war weit größer. Es kommen vor allem Grundschüler, aber vereinzelt auch ältere Kinder bis in die 8. Klasse. Die Hygienemaßnahmen werden nicht vernachlässigt. Jeden Morgen werden alle Schüler getestet. Maske tragen ist Pflicht, ebenso regelmäßiges Händewaschen und desinfizieren. Alles, was draußen gemacht werden kann, wird an die frische Luft verlagert – so wie das Ostereierbemalen.
Unterschiedliches Sprachniveau
Die neunjährige Ruha freut sich sehr darüber, dass der Kurs stattfinden kann. Ihre Familie kommt aus Syrien. Seit sechs Jahren lebt sie in Deutschland, seit zwei Jahren in Inden. In den letzten Wochen hatte sie Wechsel- und viel Distanzunterricht. „Onlineunterricht ist nicht so gut, weil man da nicht gut nachfragen kann“, erklärt die Grundschülerin, während sie ihr Osterei bemalt. Die Aktivitäten des Kurses machen ihr Spaß.
Und: „Ich lerne hier viel Deutsch“, sagt sie. Allerdings spricht sie schon so gut, dass man sich fragt, was sie denn noch lernen muss – ein Vorteil für andere Kinder. Nicht alle Schüler beim „FIT in Deutsch“-Kurs sprechen so gut Deutsch wie Ruha. Das Sprachniveau der Kinder ist sehr unterschiedlich. Manche beherrschen die Sprache schon sehr gut, andere kaum. So können die Kinder auch voneinander lernen.
Doch die Kinder erlernen in dem Kurs nicht nur die deutsche Sprache. Ihnen soll auch Selbstständigkeit beigebracht werden. Darum gehen die Lehrerinnen mit den Schülern in konkrete Situationen wie zum Einkaufen oder Bus fahren – so sehen die Kinder sowohl die praktische Anwendung der Sprache als auch, wie man solche Situationen meistert. Auch Verantwortung zu übernehmen, ist ein Lernziel. Das scheint zu funktionieren. Zwei Schülerinnen wollten am Tag zuvor nach dem Unterricht spülen und aufräumen, erzählt Alemyar. Viele Kinder erinnern von sich aus ans Desinfizieren, und fragen morgens eigenständig nach dem Corona-Selbststest.
Und nicht zuletzt werden in dem Kurs soziale Kontakte geknüpft. So haben die Kinder nicht das Gefühl, allein zu sein, und können – eine Seltenheit zur Coronazeit – mit anderen Kindern spielen und sich austauschen.
Doch Mariam Alemyar bemerkt, dass Corona viele Kinder– auch unabhängig von der Sprache – verändert hat. „Die sonst so aktiven Schüler sind ruhiger geworden. Manche waren vorher richtig frech und jetzt sind sie in sich gekehrt“, erzählt sie. So seien die Kinder am ersten Tag sehr schüchtern und zurückhaltend gewesen. Am zweiten Tag blühten sie dann aber auf. „Ich glaube, sie sind einfach dankbar, dass sie das hier haben“, meint Alemyar.