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Gutachten muss Schuldfrage einer 58-jährigen Jülicherin klären

Vorwurf Volksverhetzung : Mit wirren Aussagen vor Gericht gelandet

Hat eine 58-Jährige aus Jülich in einer islamfeindlichen Facebook-Gruppe den Massenmord an den Juden bestritten und Volksverhetzung begangen? Diese Frage muss seit Mittwoch das Landgericht Aachen klären. Den Straftatbestand sieht die Kammer zwar als bewiesen an, gleichwohl wurde der Prozess vertagt, weil die Frau möglicherweise nicht schuldfähig ist.

Am 6. November 2017 soll die Frührentnerin in der Facebook-Gruppe in einer Debatte darüber, ob es den Holocaust gegeben habe, mit kommentiert haben. Was in den Geschichtsbüchern stehe, könne nicht stimmen. Sie wies auf ein Video hin, in dem sogar „ein Jude“ Adolf Hitler verteidige. Hinzu kam ihre Ergänzung, „die Amis“ seien es gewesen.

Nach einer Strafanzeige in Berlin ermittelten die Beamten die Frau, Polizisten aus der Region beschlagnahmten Computer und Smartphone. Gegen den Strafbefehl wegen Volksverhetzung legte die heute 58-Jährige Widerspruch ein. Das Amtsgericht sprach sie im Juni 2019 überraschend frei. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein.

Die Jülicherin war ohne Anwalt zum Prozess gekommen. Den Kommentar gab sie zu, jedoch habe ihre Familie polnische Wurzeln und ihre Vorfahren hätten selbst unter den Nazis gelitten. Sie habe ausdrücken wollen, in den Schulbüchern werde der Holocaust zu milde dargestellt, er sei „schrecklicher“ und „brutaler“ gewesen. Ihren Kommentar habe man „falsch ausgelegt“. Das Video habe aber sie „falsch interpretiert“.

Vorschlag des Richters ignoriert

Kammer und Staatsanwalt bezweifelten die Schilderungen. Wenn in den Schulbüchern der Holocaust zu wenig drastisch dargestellt werde, seien die Hinweise auf einen jüdischen Entlastungszeugen für Hitler und der Zusatz, „die Amis waren es selbst“ nicht schlüssig. Der Staatsanwalt plädierte daher auf eine Verurteilung wegen Volksverhetzung. Unter Einbeziehung eines Urteils wegen Sachbeschädigung solle die Kammer eine Gesamtgeldstrafe von 1500 Euro verhängen. Jedoch kamen der Kammer bei der Beratung über das Urteil Zweifel daran, ob die Frau schuldfähig sei. Sie selbst hatte im Prozessverlauf kurz erwähnt, dass sie Psychopharmaka einnehme.

Die Kammer öffnete erneut die Beweisaufnahme. Entweder lasse sie sich psychologisch begutachten, oder – baute der Richter eine Brücke – sie stimme der Auflage zu, gemeinnützige Arbeit zu verrichten und man stelle das Verfahren ein. Attestiere der Fachmediziner ihr Schuldfähigkeit, drohe ihr jedoch eine Verurteilung, so der Richter. Eine Einstellung lehnte die 58-Jährige ab und forderte weiter einen Freispruch. Nun muss das psychologische Gutachten abgewartet werden.