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Forschungszentrum Jülich: Gegen den Klimawandel und für besseres Pflanzenwachstum

Forschungszentrum Jülich : Gegen den Klimawandel und für besseres Pflanzenwachstum

Der Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und den erhöhten Nitratgehalt im Grundwasser erschließt sich möglicherweise nicht auf den ersten Blick. Jülicher Forscher sagen aber ganz klar, das alles mit allem zusammenhängt. Sie arbeiten an Lösungen, die den Treibhauseffekt verringern, den Temperaturanstieg vermindern, den Nitratgehalt im Grundwasser reduzieren und das Pflanzenwachstum ankurbeln sollen.

Um zu verstehen, warum Gülle eine Ursache für die erhöhte, ungesunde Nitratbelastung des Grundwassers sein kann, obwohl sie in der Regel gar kein Nitrat enthält, muss man mehrere Meter Erdreich wissenschaftlich durchdringen. Man muss verstehen, wie im Boden lebende Mikroorganismen ticken und eine Antwort auf die Frage haben, was das alles mit dem Klimawandel zu tun hat. „Das ist alles ziemlich kompliziert, weil alles mit allem zusammenhängt. Auch damit, dass es in den vergangenen zwei Jahren und auch in diesem Frühjahr viel zu trocken ist“, sagt Nicolas Brüggemann, Professor am Institut für Bio- und Geowissenschaften im Forschungszentrum Jülich (FZJ).

Die Wechselwirkungen zwischen Prozessen in der Atmosphäre und im Erdreich sind sein Schwerpunkt. Da passiere ungemein viel, sagen Brüggemann und Dr. Rüdiger Reichel, die beide daran arbeiten, Lösungsansätze für wenigstens drei große, globale Probleme zu finden: „Wir arbeiten an Lösungen gegen den Klimawandel, gegen die Nitratbelastung des Grundwassers und für besseres Wachstum auf den Feldern“, sagt Reichel.

Ein nicht beherrschbarer Faktor macht alles noch komplizierter: Es fällt zu wenig Regen. Vor allem im Frühsommer sind die Trockenperioden mittlerweile zu lang. „Der Winter war zwar feucht. Aber um das Reservoir im Boden halbwegs aufzufüllen, müsste es jetzt über eine lange Zeit sehr viel regnen“, schildert Brüggemann. Die Lössböden in der Jülicher und Zülpicher Börde gehören zu besten landwirtschaftlichen Böden in Europa. Sie können viel vertragen, 300 bis 400 Liter Wasser pro Kubikmeter.

Die Lössbodenschicht liegt unter einem 30 bis 40 Zentimeter tiefen Oberboden und ist in der Regel mehrere Meter stark. Derzeit sei genügend Wasser im Boden, um den Lössboden bis in etwa einen Meter oder zwei Tiefe zu stättigen. Er könnte also noch mehrere Hundert Liter Wasser vertragen. Zum Vergleich: Die FZJ-Wetterstation verzeichnete für das gesamt Jahr 2019 700 Millimeter.

Ein Lysimeter, so wie Wissenschaftler ihn in den Boden einbringen, um Bodeneingenschaften und Pflanzenwachstum zu beobachten.
Ein Lysimeter, so wie Wissenschaftler ihn in den Boden einbringen, um Bodeneingenschaften und Pflanzenwachstum zu beobachten. Foto: Guido Jansen

In Gegenden, in denen der Boden sandiger ist und weniger Wasser speichert als in der Jülicher/Zülpicher Börde, ist das Nitrat-Problem um so größer. Verursacher sind im Boden lebende Mikroorganismen. Die wandeln Ammonium, das mit Düngung oder dem Zusetzen von Pflanzenmaterial als Nährstoff in den Boden gelangt, in Nitrat um. „Wenn die Pflanzen im Frühjahr und Sommer gut wachsen können, weil sie genügend Wasser haben, dann nehmen sie die Nährstoffe auf“, erklärt Reichel. Ist das Wachstum schwächer, weil weniger Wasser da ist, dann bleibt das Ammoniak im Boden für Mikroorganismen übrig, die es in Nitrat umwandeln. Das wird dann im Herbst und Winter von den Niederschlägen aus den Böden ausgespült und gelangt ins Grundwasser.

Brüggemann und Reichel arbeiten an anderen Ideen, um den Böden im Trockenstress zu helfen. Das klappt in der Region besonders gut mit jungem Boden als Versuchsobjekt. Damit sind Flächen gemeint, die nach dem Tagebau rekultiviert worden sind. Das für das Pflanzenwachstum förderliche Schichtsystem fehlt, das aus einem sehr nährstoffreichen Oberboden und den Lössböden darunter besteht, die zwar viel Wasser aufnehmen, aber vergleichsweise wenig Nährstoffe speichern. Laut Brüggemann dauere es bis zu 100 Jahre, bis der Oberboden den alten Nährstoffgehalt aufweist. „So ein junger Boden ist ein Risikopatient“, sagt Reichel.

RWE rekultiviert die Böden, indem die Flächen zunächst verstärkt mit mineralischem Dünger versorgt werden, der Phosphor, Stickstoff und Kalium enthält als Starthilfe für die erste Pflanzenart, die angebaut wird, die Luzerne. Die wächst drei Jahre lang, bindet Stickstoff aus der Luft als Nährstoff im Boden und lockert ihn mit ihren starken Wurzeln den Boden auf. Anschließend wird ein solcher Boden landwirtschaftlich genutzt, obwohl er noch immer ein Risikopatient ist.

Pflanzenwachstum vergleichen

Mit Hilfe von RWE haben die Jülicher Forscher sogenannte Lysimeter aus diesen Böden gestochen, große, zylindrige Gefäße, in denen die Böden im Inneren von dem umgebenden Erdreich unabhängig sind. Der Sinn dahinter: Die FZJ-Experten können das Pflanzenwachstum und den Nitrataustrag in einem Lysimeter, den sie mit der doppelten Menge Kompostdünger versorgt haben, vergleichen mit einem rekultivierten Boden in einem Lysimeter, der gar keinen Kompost erhält, oder die übliche Menge von 40 Tonnen pro Hektar. Das Resultat: Das Wachstum im Lysimeter mit mehr Kompost ist deutlich kräftiger. Weil sie viele Lysimeter zur Verfügung haben, vergleichen Brüggemann und Reichel unterschiedliche Arten, den Boden mit Nährstoff anzureichern.

Das Institut für Bio- und Geowissenschaften hat nicht nur junge Böden im Blick. Es gibt, um mit Reichel zu sprechen, auch andere Risikopatienten. Böden nämlich, denen aufgrund von Missmanagement über lange Zeit zu viel Humus und zu viele Nährstoffe entzogen worden sind und die damit an Fruchtbarkeit verloren haben. Da arbeiten die Jülicher Forscher quasi an einer Gesundung des Patienten.

Dem fehlt es oft an Humus, einer Substanz aus Pflanzenmaterial, das letztlich aus CO2 gebildet wird. Also genau dem Gas, das klimawirksam ist und dessen erhöhter Ausstoß als Hauptursache für die globale Erwärmung gilt. Das Ziel in Deutschland ist, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren im Vergleich zu 1990. Dazu muss sowohl die Menge an freigesetztem CO2 verringert werden, als auch CO2 im Boden gebunden werden, beispielsweise, indem Pflanzenreste als Dünger in das Erdreich eingearbeitet werden oder Pflanzen angebaut werden, die viel CO2 im Boden speichern.

Ackersenf beispielsweise macht das. „Wir haben viele Böden, die chronisch mit Humus unterversorgt sind. Da gibt es Bedarf“, sagt Reichel. So können Landwirte dafür sorgen, dass sie mit der Vermehrung des Humus mehr CO2 der Atmosphäre entziehen. So können sie einen Beitrag im Kampf gegen die Klimaerwärmung leisten. Und weil alles mit allem zusammenhängt, bedeuten das Erhöhen des Humusgehaltes eine Verringerung des Treibhauseffektes, daraus folgen ein geringerer Temperaturanstieg mit weniger Trockenperioden, mehr Wachstum und weniger Nitrat im Grundwasser.