Podiumsdiskussion : „Frauen machen anders Politik“
Jülich Eine Podiumsdiskussion war die letzte von zahlreichen Veranstaltungen, die in Jülich, Linnich und Titz im Rahmen des Aktionsprogramms „Frauen in die Politik“ stattfanden. Was das Ende des Programms markiert, ist für manche Teilnehmerinnen aber erst ein Anfang.
Eine Bühne voll mit gestandenen Politikerinnen und erfahrenen Expertinnen, die rhetorisch fit und unterhaltsam von ihren persönlichen Erfahrungen erzählen – das beeindruckt. Die Person aber, die sich bei der Podiumsdiskussion „Frauen in die Politik“ mit ihrem Charme und ihrer Begeisterung direkt in die Herzen des rund 70-köpfigen Publikums im Jülicher Kulturbahnhof geredet hat, war eine, die nicht politisch aktiv ist. Noch nicht.
Linda Madio Ngankeng aus Jülich ist 35 Jahre alt, Mutter von drei Kindern, stammt aus Kamerun und lebt seit 2012 in Deutschland. Hauptberuflich ist sie Certification Analyst, ehrenamtlich engagiert sie sich beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und hilft dort unter anderem Menschen mit Migrationshintergrund. Sie studierte selbst Politikwissenschaft und freute sich über das Angebot, dankt des Aktionsprogramms „Frauen in die Politik“ in politische Prozesse in Deutschland – vor allem aber konkret hier vor Ort – hineinschnuppern zu können.
Linda Madio Ngankeng sprudelte förmlich, als sie von den verschiedenen Veranstaltungen erzählte, von den anderen Frauen, dem Netzwerk, das sich gebildet hat und dem Mentorenprogramm, das Erfahrene aus der Politik mit interessierten Frauen zusammengebracht hat. Sie selbst war als Gast ein paar Mal im Integrationsrat dabei und hat nun so Feuer gefangen, dass sie selbst mitmachen und gestalten möchte. „Beim nächsten Mal stelle ich mich für den Integrationsrat zur Wahl“, kündigte sie an.
Auf der Bühne nahm sie an einer Gesprächsrunde teil, mit der CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Patricia Peill, Linnichs Bürgermeisterin Marion Schunck-Zenker (SPD) und der Beigeordneten der Landgemeinde Titz, Annika Schmitz. Von Moderator Patrick Nowicki (Medienhaus Aachen) nach Verbesserungsvorschlägen gefragt, regte Madio Ngankeng direkt an, es nicht bei diesem einen Aktionsprogramm zu belassen, sondern weitere zu initiieren und die dann noch niederschwelliger zu gestalten. Warum nicht gleich in den Schulen und Vereinen ansetzen? Und beim nächsten Mal, wenn es wieder eine Podiumsdiskussion gebe, würde sie dann als Bürgermeisterin wiederkommen, sagte sie, lachte und steckte damit den applaudierenden Saal an.
Dass sich Linda Madio Ngankeng zur heimlichen Hauptperson des Abends herauskristallisierte, war deshalb so eine schöne Fügung, weil sie stellvertretend für die Frauen auf der Bühne stand, um die sich das Aktionsprogramm drehte: jene, die Interesse, Neugierde, vielleicht sogar Ideen mitbringen, um etwas zu gestalten oder zu verändern. Ihnen sollte ein Weg hin zu politischem Engagement aufgezeigt werden – mit dem erklärten Ziel, dass in politischen Gremien zukünftig Frauen genau so viel zu sagen haben wie Männer.
Die Realität sieht aber noch anders aus: Im Kreis Düren sind nur 110 Sitze in den Stadt- und Gemeinderäten von Frauen besetzt. 492 gibt es. Der Frauenanteil: 22,36 Prozent. Sechs Frauen, die hauptberuflich an Tischen Platz nehmen, an denen sie in der Minderheit sind, waren am Mittwochabend im Kuba auf dem Podium zu Gast und erzählten anschaulich, welche Herausforderungen das in ihren Laufbahnen mit sich gebracht hat.

So gab die FDP-Abgeordnete im Landtag Yvonne Gebauer einen Einblick in ihren damaligen Alltag als NRW-Schulministerin: Aus Zeitgründen seien jeweils Termine für eine Stunde vergeben worden. Wenn Männer zu ihr ins Büro kamen, sei der Ablauf nicht selten so gewesen, dass sie zunächst ihre Visitenkarte rüberreichten „und 20 Minuten erklärten, wie toll sie sind“, erzählte Gebauer. Frauen hingegen hätten sich kurz vorgestellt und seien dann angesichts der knappen Zeit zum Thema gekommen, sodass ausreichend Gelegenheit blieb, sich über die Sache auszutauschen.
Da konnte die NRW-Kommunalministerin und Landesvorsitzende der Frauen-Union Ina Scharrenbach (CDU) nur wissend nicken. Männer mit ihrem „mein Haus, mein Auto, mein Pferd“ seien ihr auch oft genug untergekommen. „Frauen machen anders Politik“, ist sie überzeugt. Scharrenbach nahm aber auch noch eine andere Berufsgruppe in die Pflicht: „Journalisten sprechen ganz häufig Männer an“, stellt sie fest und hofft auf Veränderung, damit Frauen in der Politik sichtbarer werden.
Auch innerhalb der politischen Reihen nicht nur gesehen, sondern ernst genommen und respektiert zu werden, ist in den Augen von Verena Schäffer von den Grünen ein hartes Stück Arbeit. Sie habe in den Gremien gefühlt doppelt so viel arbeiten müssen wie männliche Kollegen. Das habe ihr dann aber in die Karten gespielt, weil sie häufig perfekt vorbereitet gewesen sei und sich so Expertise erarbeitet habe, von der sie nun profitiert. Schäffer bildet mit ihrer Kollegin Wibke Brems die einzige weibliche Fraktionsdoppelspitze im NRW-Landtag und warb in Jülich dafür, Verantwortung zu splitten und Führungspositionen zu teilen.
Gisela Walsken (SPD), Regierungspräsidentin a.D. des Regierungsbezirks Köln, sprach aus Erfahrung, als sie sagte: „Männer fragen sich nicht, ob sie etwas können.“ Frauen hingegen würden sich sehr oft hinterfragen. „Deshalb ist meine Botschaft an junge Frauen und junge Politikerinnen: Wir schaffen das. Wir können das genauso gut!“
Die Politikerinnen waren sich einig, dass Frauen häufig die Macht von Netzwerken unterschätzen und gut daran täten, selbst welche zu gründen oder sich in bestehenden zu beteiligen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Scharrenbach brachte es mit einem Appell auf den Punkt: „Geht in die Parteien, nutzt eure Möglichkeiten, damit eure Stadt, euer Landkreis noch besser wird.“
Diese Botschaft ist bei vielen Teilnehmerinnen des Aktionsprogramms angekommen und trägt wie bei Linda Madio Ngankeng bereits Früchte. Sie bekam nach dem Podiumsgespräch von Freundinnen, aber auch von Fremden anerkennendes Lob und Schulterklopfen für ihre Wortbeiträge. Und eine Dame sagte noch im Vorbeigehen grinsend: „Also meine Stimme haben Sie.“