Jülicher Geschichtsverein : Die Stadtentwicklung zwischen den Kriegen
Jülich Der Jülicher Geschichtsverein plant ein ehrgeiziges Projekt: 54 Partner aus acht Städten in sechs Ländern betrachten gemeinsam die Stadtentwicklung zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg.
„Wenn die Pandemie es zulässt, werden wir gut unterwegs sein.“ Guido von Büren, Vorsitzender des Jülicher Geschichtsvereins (JGV), gab sich zuversichtlich beim gemeinsamen traditionellen Pressegespräch „zwischen den Jahren“ mit dem kooperierenden Opladener Geschichtsverein im „Zentrum für Stadtgeschichte“. Dass sich die Vereine auch während der Pandemie „ein Stück weit über den Durst gerettet haben“ zeigen ihre ehrgeizigen Projekte. Das eindrucksvollste unter ihnen ist ein zweisprachiges „EU-Städte angelegtes Projekt“ und heißt „StadtRäume – UrbanSpaces“. 54 Partnern aus acht Städten in sechs Ländern befassen sich im Projektzeitraum bis 2023 mit dem Thema Stadtentwicklung in der Zwischenkriegszeit, auf lokaler und regionaler Ebene im europäischen Vergleich.
Stadtentwicklung ist hier vor allem gesellschaftlich zu verstehen, wie der per Zoom zugeschaltete Professor Wolfgang Hasberg als Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission in Opladen herausstellte: „Mit der Modernisierung verändert sich die Mentalität der Menschen.“ Auch die „Zwischenkriegszeit“ sei immer in Anführungszeichen zu sehen, die Periodisierung der Geschichtskultur sei in England und Frankreich eine andere als in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen. Das bereits genehmigte Fördervolumen beträgt mindestens 750.000 Euro.
Der wiederum anspruchsvollste Baustein im vielschichtigen Projekt mit Ausstellungen, Publikationen, Vorträgen, Lesungen und Exkursionen ist ein multilingualer und variabler Filmbaukasten mit didaktischem Handbuch für die historisch-politische Bildung. Thema: „Eine europäische Kulturgeschichte zwischen 1918 und 1939“. Bislang gestalteten sich die Arbeitstreffen als „dichte Folge virtueller Konferenzen“, wie der Opladener Geschichtsvereinsvorsitzende (OGV) Michael Gutbier es ausdrückte. Zusätzlich gab es je einen Workshop in Leverkusen und Jülich mit Vertretern aus allen acht Städten.
Erwähnenswert ist die besondere offizielle Würdigung der Kooperation der Geschichtsvereine, die in einer öffentlichen Festveranstaltung im Rahmen des Workshops im September in Leverkusen in eine interkommunale Zusammenarbeit der Bürgermeister Axel Fuchs (Jülich) und Bernhard Marewski (Leverkusen) mündete. Im Gespräch präsentierten die Geschichtsvereine ferner die Publikation ihres 270-seitigen und reich illustrierten Buches „Kriegserinnerungen in europäischen Heimaten“, das gleichzeitig als Band 13 der „Jülicher Forschungen“ und Band 19 im Montanus-Verlag erschienen ist.
Zusammengefasst handelt das Buch von der Erinnerung aus unterschiedlichen nationalen Perspektiven. „Wir werden nie die einheitliche Geschichte des Ersten Weltkriegs erzählen“, betonte Hasberg. Ganz nebenbei musste, „um dem Ganzen Sinn zu geben, auch der Totenkult nochmal neu bedacht werden“. Für 2022 geplant sind des Weiteren fünf Publikationen, darunter „die jülichsche Ritterschaft im 15. Jahrhundert“ von Gregor Hecker-Twrsnick oder „Döppesbäckere. Die Töpfereien von Glimbach, Gevenich und Körrenzig und ihr Anteil an der Töpfertradition des 17. bis 20. Jahrhunderts zwischen Rhein und Maas“ von Simon Matzerath.
Zum 100-jährigen Jubiläum des JGVs und gleichzeitig zum 10-jährigen Bestehen der „Pfarrei Heilig Geist“ ist für 2023 der Bildband „Gläserne Schätze im Jülich-Dürener Raum“ geplant. Für 2022 stehen drei Mehrtagesfahrten im Plan, zwei von ihnen sind aus 2020 verschoben. Die erste Fahrt steht thematisch mit dem „StadtRäume“-Projekt im Zusammenhang und führt vom 24. bis 28. März zu den Originalschauplätzen von „Babylon/Berlin“ und nach Potsdam. Ziel der ersten von vier Tagesfahrten ist am 29. Januar die Bundesstadt Bonn unter der Überschrift „Roms fließende Grenzen“.
„Zu Gast“ werden die Vereine jeweils im Mai in der Titzer Düppelmühle und der Burscheider Lambertsmühle sein. Beim ersten Vortragstermin im Mittwochsclub behandelt Dr. Horst Wallraff „die kommunale Neugliederung im Rurkreis Düren-Jülich 1964-1972“ mit interessantem aktuellem Bezug. Fünf Studientage, darunter einer in Villeneuve (Frankreich) und einer in Racibórz (Polen) und die 35. Jülicher Bücherbörse am 6. März zählen zum weiteren Programm unter dem gemeinsamen Motto „Wir leben Geschichte“. Dass die Vereinskooperative „Trendsetter und Vorreiter“ ist, wie Gutbier es ausdrückte, beweist die Tatsache, dass sich der „Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine“ die Ehre gibt, vom 22. bis 24. September 2023 in Jülich und Leverkusen zu tagen.