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Die letzten Tage der Stadthalle Jülich

Vom Kolpinghaus zum Kino zur Stadthalle : Die letzten Tage der guten Stube von Jülich

Wenn es dem Rheinländer wehmütig ums Herz wird, rettet er sich in den Karneval. Erst recht, wenn er als Jülicher verdauen muss, dass die Tage „seiner“ Stadthalle gezählt sind. Bis Aschermittwoch wird noch gefeiert, danach droht der Abriss.

„Für eine Vielzahl von uns ist der Abschied von der Stadthalle mit Erinnerungen an viele Jahrzehnte ‚Ulk’ verbunden: Wir haben Tanzfeste, Sitzungen, aber auch diverse kulturelle Veranstaltungen dort erlebt“, sagte dieser Tage etwa Senatspräsident Thomas Gissler-Weber von der KG Ulk Jülich.

Kein Wunder, dass die KG in diesem Jahr das Motto „Ming Stadthall – Rendezvous mit der Abrissbirne“ ausgerufen hat. Ein schönes Beispiel dafür, dass selbst etwas Trauriges noch mit Humor betrachtet werden kann. Noch etwas enger mit dem Gebäude ist die KG Rurblümchen verbunden, deren aktueller Sessionsorden selbstverständlich auch ein Konterfei der Stadthalle ziert.

Da, wo heute die Stadthalle steht, stand früher das Kolpinghaus. Willi Becker war es, der zum Tag der Eröffnung des Kolpinghauses am 19. September 1926 die Rurblümchen gründete (und bis 1976 Präsident der Blümchen blieb). Die entstanden, wie der Jülicher Historiker Guido von Büren aufgeschrieben hat, aus dem Jülicher Gesellenverein, dem mehr als 500 Männer angehörten. Von Büren: „So gab es neben Musik- und Gesangsgruppen auch eine Theaterabteilung unter der Leitung von Willi Becker. In dieser Theaterabteilung kam der Wunsch nach karnevalistischen Tätigkeiten auf.“ Weil das aber unter dem Dach des Gesellenvereins nicht umsetzbar war, gründete Becker eine eigene Karnevalsgesellschaft – die Rurblümchen.

 Das frühere Kolpinghaus von 1926. Im Krieg wurde es kaum beschädigt und konnte nach der NS-Diktatur als Versammlungsstätte genutzt werden.
Das frühere Kolpinghaus von 1926. Im Krieg wurde es kaum beschädigt und konnte nach der NS-Diktatur als Versammlungsstätte genutzt werden. Foto: Bildarchiv Museum Zitadelle

Die Jülicher Stadthalle und ihre Vorläufer aber nur mit dem Karneval in Verbindung zu setzen, würde dem Veranstaltungsort nicht gerecht werden. „Unmittelbar nach dem Krieg fungierte das Kolpinghaus als Versammlungsstätte für Parteiveranstaltungen“, erinnert sich Jülichs Alt-Bürgermeister Dr. Peter Nieveler, der als Jugendlicher selbst an diesen Veranstaltungen teilgenommen hat. Für Nieveler damals ein besonderes Erlebnis, weil es kurz nach Kriegsende für ihn Demokratie erstmals erfahrbar gemacht habe.

In den 1950ern ein Kino

Zum Kolpinghaus gehörte vor allem ein größerer Saal, der in den 1950er Jahren zum Kino umgebaut wurde. Bevor das Capitol-Kino auf der Großen Rurstraße öffnete, gingen die Jülicher ins Gloria an der Düsseldorfer Straße. Anfang der 1970er Jahre erfolgte dann der Umbau zur Stadthalle. Die wurde zur „guten Stube“, in der neben Karnevalssitzungen und Bällen vor allem mit dem Abo-Theater und vielen Ausstellungen ein breites Spektrum an kulturellen Veranstaltungen präsentiert wurde.

An Aschermittwoch...

Und wie geht es jetzt weiter?

Thomas Mühlheims vom Immobilienmanagement der Stadt: „Nach Karneval werden wir die Stadthalle leer räumen. Ein Teil des Mobiliars kann künftig von unseren Löschgruppen genutzt werden. Auch für die Theke und Küche haben wir eine Verwendung gefunden. Andere Einrichtungsgegenstände wie zum Beispiel die alten Lampen von Peill & Putzler aus Düren werden wir größtenteils einlagern. Es gibt da aber auch noch alte Scheinwerfer oder einen Filmprojektor.“ Wer übrigens Interesse an einer dieser Lampen aus der Stadthalle hat, kann sich bei der Stadt an Walter Beginen, 02461/63335, wenden.

 Die Luftaufnahme zeigt einen Blick auf das Gebäude mit dem Gloria-Kino aus den 1950er Jahren.
Die Luftaufnahme zeigt einen Blick auf das Gebäude mit dem Gloria-Kino aus den 1950er Jahren. Foto: Bildarchiv Museum Zitadelle

Zum 1. April soll die Stadthalle dann an den neuen Eigentümer übergeben werden. Raoul Pöhler plant dort ein Seniorenquartier mit Wohnungen und Pflegeplätzen. Pöhler will unmittelbar nach der Übergabe loslegen. Erste Aufgabe: Ein Abrisskonzept erstellen. Dazu müssen Experten für jeden Raum eine Bestandsaufnahme machen. Pöhler: „Wir wissen, dass es eine Schadstoffbelastung gibt, wissen aber nicht, was uns genau erwartet. Das ist fast wie ein Überraschungspaket.“

Um die Abrissgenehmigung zu erhalten, muss die Schadstofffrage und die Entsorgung geklärt sein. Überraschungspaket Nummer 2: mögliche archäologische Funde. Hier hat Pöhler weitestgehend vorgesorgt: „Unser Konzept sieht vor, dass wir nicht tief in den Boden gehen.“ Läuft alles nach Zeitplan, rechnet der Investor Ende des Jahres mit einer Baugenehmigung, dann könnte das Seniorenquartier Ende 2020 oder Anfang 2021 bezugsfertig sein.