Jugend im Kreis Heinsberg : Zahl der Bewerber um Ausbildung sinkt
Kreis Heinsberg Immer weniger Jugendliche bewerben sich im Kreis Heinsberg um einen Ausbildungsplatz. Was bedeutet das? Ein Blick auf die Gründe hilft, die Zahlen einzuschätzen.
Die Zahl der Jugendlichen, die sich im Kreis Heinsberg um einen Ausbildungsplatz bewerben, geht seit Jahren zurück. Während sich im Ausbildungsjahr 2018/19 noch 1905 Personen für eine Ausbildung beworben hatten, waren es 2020/21 nur noch 1641.
Die Caritas blickt auf diese Zahlen mit großer Sorge. Sie sieht in der Coronavirus-Pandemie einen Grund für den Rückgang der Bewerbungen. Dadurch seien die Zugangswege zur Berufsberatung beschränkt gewesen. „In einer für sie ohnehin extrem belastenden Situation stehen Schülerinnen und Schüler der Abgangsklassen ohne Ansprechpartner da. Ihnen fehlen Personen, denen sie vertrauen und die ihnen im direkten Kontakt weiterhelfen können. Auch Jobcenter und Arbeitsagenturen waren und sind vielerorts schwer erreichbar“, sagt Stephan Jentgens, Diözesancaritasdirektor im Bistum Aachen. Seine Sorge ist: „Am Ende tauchen dann auch die Jugendlichen ab und melden sich gar nicht erst ausbildungssuchend.“
Doch Corona kann nicht der einzige Grund dafür sein, dass immer weniger Bewerbungen abgeschickt werden. Seit Jahren sinkt diese Zahl, auch schon weit vor der Pandemie. Im Jahr 2015/16 waren es noch 2122 Bewerber, zwei Jahre später 2087 und 2019/20 lag sie bei 1769. Es spielen viele Faktoren mit rein. „Nicht nur die Zahl der Jugendlichen, die sich bei uns melden, ist rückläufig, sondern auch die Anzahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger geht seit 2014 zurück“, erklärt Ulrich Käser, Leiter der Agentur für Arbeit Aachen-Düren.
Es gibt also weniger potenzielle Bewerber, sodass natürlich auch die tatsächliche Zahl sinkt. „Gleichzeitig steigt der Anteil der Jugendlichen mit einem höheren Bildungsabschluss“, führt Käser weiter aus. Immer mehr Jugendliche entschließen sich für ein Studium statt für eine Ausbildung, was ebenfalls auf die Zahlen der Bewerber einwirkt.
Doch laut der Agentur für Arbeit habe auch Corona auf den Ausbildungsmarkt eingewirkt – vor allem im vergangenen Jahr. 127 Jugendliche waren im September 2020 noch unversorgt, also ohne Ausbildungs-, Arbeits- oder Schulplatz. Auch das zweite Pandemiejahr, vor allem im Frühjahr und Frühsommer, sei von Einschränkungen geprägt gewesen.
Die Arbeitsagentur habe aber dazu beigetragen, dass sich der Ausbildungsmarkt stabilisiert habe, sagt Käser. „Im September 2021 suchten noch 72 Jugendliche einen Ausbildungsplatz. Das sind weniger unversorgte Jugendliche als im September 2019 und 2020“, berichtet der Leiter der Agentur für Arbeit Aachen-Düren. Aktuell seien nur noch 39 Jugendliche im Kreis Heinsberg auf Suche nach einer Ausbildung.
So ein positives Fazit wie die Arbeitsagentur zieht die Caritas nicht. „Jeder Mensch, der am Ende eines Ausbildungsjahres als Unversorgter dasteht, ohne schulische oder berufliche Perspektive, ist einer zu viel“, sagt Roman Schlag, Fachreferent für Arbeitsmarktfragen beim Caritasverband für das Bistum Aachen. Diese jungen Menschen dürften nicht als „Generation Corona“ ins Abseits geraten. „Wir müssen den jungen Menschen hinterhergehen, ehe sie verloren gehen: mit aufsuchenden Angeboten, einer Mobilität der Arbeitsagenturen bis in die Sozialräume hinein, mit regelmäßiger Präsenzberatung beispielsweise in offenen Treffs und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe“, fordert er.
Die Freie Wohlfahrtspflege NRW, zu der auch der Caritasverband für das Bistum Aachen gehört, fordert, „dass die verlässliche Begleitung der jungen Leute am Übergang von der Schule in den Beruf durch Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und die Arbeitsagenturen verbindlich wiederaufgenommen wird“. Das sei auch deshalb notwendig, weil Wirtschaft und Arbeitsmarkt händeringend nach Fachkräften suchen.
Gute Angebote habe das Arbeitsamt, sagt Ulrich Käser. „Unsere Berufsberater waren seit Ostern wieder in den Schulen und haben zusätzlich Videoberatungen und Online-Seminare angeboten“, sagt er. Außerdem gebe es weiterhin die regionalen Hotlines und ein ausgebautes Online-Angebote, worüber sich Jugendliche und ihre Eltern rund um die Uhr informieren könnten.