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Runter vom Gas?: Wie die Tempo-30-Initiative im Kreis Heinsberg ankommt

Runter vom Gas? : Wie die Tempo-30-Initiative im Kreis Heinsberg ankommt

Immer mehr Kommunen schließen sich der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ an. Im Kreis Heinsberg gibt es Befürworter, Beobachter und Kritiker.

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Mehr als 400 Städte, Gemeinden und Landkreise haben sich mittlerweile der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ angeschlossen. Unter den Befürwortern findet sich bereits seit Anfang 2022 auch eine Kommune aus dem Kreis Heinsberg: die Gemeinde Wassenberg. Gemeinsam tritt die Initiative für flexiblere Höchstgeschwindigkeiten ein.

Was will die Initiative?

Gestartet im Juli 2021 mit sieben Städten sind nun bereits 417 Kommunen Teil des deutschlandweiten Bündnisses. Die Initiative fordert den Bund auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts anordnen können, wo sie es für notwendig halten. Derzeit legt der §45 der Straßenverkehrsordnung – ein Bundesgesetz – fest, dass Tempo 30 nur bei konkreten Gefährdungen beziehungsweise vor sozialen Einrichtungen wie beispielsweise Kitas und Schulen angeordnet werden kann.

Tempo 30 habe zahlreiche positive Effekte, heißt es im Positionspapier. So würden die Straßen dadurch wesentlich sicherer und leiser und die Luft durch den besseren Verkehrsfluss sauberer: „Mit der angestrebten Mobilitäts- und Verkehrswende soll die Lebensqualität in Städten durch eine Verringerung der Lärmbelastung erhöht werden.“

Wassenberg

Die Stadt Wassenberg hat sich der Initiative bereits nach Beschluss des Rates im Februar 2022 angeschlossen. „Aus hiesiger Sicht ist es uns ein Anliegen, den Kommunen mehr Handlungsspielraum bei der Verkehrsplanung und straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen einzuräumen und so die Entscheidungskompetenzen vor Ort zu erhöhen“, erklärt Martin Beckers, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters. Ein Ziel sei es, eine sinnvolle Vereinheitlichung von Geschwindigkeitsbegrenzungen zu erreichen. Bisher sei dies aufgrund der aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen nicht ohne weiteres möglich.

Konkrete Überlegungen für ein Tempo-30-Gebot gebe es dabei für die innerstädtischen Bereiche Graf-Gerhard-Straße, Kirchstraße und Erkelenzer Straße. „Hierdurch könnte ein gleichmäßigerer Verkehrsfluss erreicht werden“, ist Beckers überzeugt. Derzeit seien dort noch verschiedene Wechsel der Höchstgeschwindigkeiten notwendig. „Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 muss dabei jedoch nicht zwingend generell für alle innerörtlichen Bereiche erfolgen, sondern sollte von den konkreten Gegebenheiten vor Ort abhängig gemacht werden“, betont Beckers. „Ein höherer Handlungsspielraum, der durch die Initiative gefordert wird, wäre insofern hilfreich.“

Hückelhoven

„Grundsätzlich steht die Stadt Hückelhoven der Initiative positiv gegenüber“, erklärt Holger Loogen, Leiter des Hauptamtes in Hückelhoven, auf Nachfrage. „Zurzeit befinden sich einige Städte in der Erprobung. Diese gilt es abzuwarten, um auch Entscheidungshilfen zu bekommen, auf welchen Straßen es sinnvoll sein wird, die Einschränkung mit Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts anzuordnen.“ Schließlich könnten nicht alle innerstädtischen Straßen verkehrsberuhigt werden, wenn man den Verkehrsfluss mit im Auge behalte. „Eine angemessene Geschwindigkeitsbeschränkung macht aber nur Sinn, wenn diese durch stationäre Geschwindigkeitsmessung kontrolliert wird“, so Loogen weiter. „Auch zu diesem Thema sind Änderungen in der Diskussion, was zukünftige kommunale Möglichkeiten betrifft.“

Erkelenz

In Erkelenz haben die Grünen in der vergangenen Woche den Beitritt zur Initiative beantragt. „Lebendige, attraktive Städte brauchen lebenswerte öffentliche Räume“, betont die grüne Ratsfrau Petra Kanters in einer Pressemitteilung. „Gerade die Straßen und Plätze mit ihren vielfältigen Funktionen sind das Gesicht und Rückgrat einer Stadt.“ Fraktionsübergreifend habe der Erkelenzer Rat bereits eine Verkehrs- und Mobilitätswende im Rahmen des Planungsprozesses Erkelenz 2030 befürwortet. Nun müssten durch die Unterstützung der Initiative auch die Voraussetzungen geschaffen werden, um die Pläne vor Ort unbürokratisch umzusetzen, finden die Grünen. „Ein wesentliches Instrument zum Erreichen unserer gemeinsamen Ziele ist ein stadt- und umweltverträgliches Geschwindigkeitsniveau“, ergänzt Dirk Rheydt von den Grünen und schließt dabei auch die Hauptverkehrsstraßen ein.

Wegberg

Wegberg findet sich bisher nicht in der Liste der Befürworter und hat aktuell auch nicht die Absicht, dies zu ändern. „Zum Pro als auch zum Contra einer flächendeckenden Tempo-30-Beschränkung im innerörtlichen Bereich gibt es mittlerweile unzählige Gutachten und Stellungnahmen und damit sehr unterschiedliche Standpunkte“, erklärt Ulrich Lambertz, Pressesprecher der Mühlenstadt. Soweit es um die Möglichkeit der Anordnung konkreter Einzelmaßnahmen geht, halte Wegberg die derzeit vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten für ausreichend. Zudem seien im Stadtgebiet bereits zahlreiche Tempo-30-Zonen und -Abschnitte vorhanden.

„Die Anordnung eines Stadttempo 30 nutzt wenig bis nichts, wenn die Akzeptanz weder in der Bevölkerung noch bei den Verkehrsteilnehmenden vorhanden ist“, so Lambertz weiter. Sollte der Gesetzgeber eines Tages dennoch ein flächendeckendes Tempo 30 innerorts ermöglichen, müsse damit zwingend einhergehen, dass allen Städten die Berechtigung zur Überwachung der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten eingeräumt wird, führt der Sprecher aus. Sonst würde die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Praxis nicht beachtet.

Geilenkirchen

Die Stadt Geilenkirchen ist der Initiative bislang nicht beigetreten. „Und sieht hierfür auch aktuell keinen Bedarf“, so der Erste Beigeordnete Herbert Brunen. Bereits heute gebe es klare rechtliche Regelungen. Die Stadt Geilenkirchen sei als mittlere kreisangehörige Stadt selbst zuständige Behörde für die Anordnung verkehrsregelnder und verkehrslenkender Maßnahmen. „Wir sind bemüht, die Einrichtung von Tempo-30-Zonen StVO-konform positiv umzusetzen, so dass hier bereits für Wohngebiete überwiegend Tempo-30-Zonen eingerichtet sind“, führt Brunen aus. Die Erfahrungen mit derartigen Zonen zeigen aber auf, dass pauschale Umsetzungen derartiger Maßnahmen ohne Berücksichtigung der geltenden Vorschriften nicht unbedingt zielführend seien und vor allem auch infrastrukturell begleitet werden müssten.

Übach-Palenberg

Übach-Palenberg lässt derzeit einen Masterplan Mobilität erstellen. Dieser soll ein ganzheitliches Konzept zur Optimierung der Verkehrssituation unter Berücksichtigung aller Verkehrsteilnehmergruppen werden. „Übach-Palenberg steht folglich noch an einem ganz anderen Punkt als die Stadt Wassenberg, deren Entscheidung ein integriertes Verkehrskonzept zugrunde lag“, erklärt Pressereferentin Jutta Gündling auf Anfrage. „Die Ziele der Initiative, die Lebensqualität in den Städten durch weniger Lärm, weniger Abgase und mehr Verkehrssicherheit zu erhöhen, sind sehr begrüßenswert.“ Auch sei es sinnvoll, dass die örtlichen Behörden in ihrer eigenen Zuständigkeit selbständiger entscheiden können sollen, an welchen Stellen eine weitere Ausweisung von Tempo 30 sinnvoll sei und wo nicht. „Bislang ist die Stadt Übach-Palenberg der Initiative nicht beigetreten, beobachtet die Entwicklung aber mit Interesse“, fasst Gündling zusammen.

Gangelt

Bisher hat sich Gangelt der Initiative nicht angeschlossen. „Es ist aber durchaus denkbar, dass sich auch die Gemeinde Gangelt dieser Initiative anschließt, wenn der politische Wille das vorsieht“, sagt Bürgermeister Guido Willems. Aufgrund der Größe und der Zuständigkeit der Gemeinde entscheide bisher die Straßenverkehrsbehörde des Kreises über die Geschwindigkeitsbegrenzung im Gemeindegebiet. Dort, wo der Gesetzgeber Spielräume eröffne, sei die Geschwindigkeit bereits heute auf Tempo 30 reduziert. „Nach meiner Einschätzung gibt es vor Ort überwiegend Gründe, weitere Geschwindigkeitsbegrenzungen an Gefahrstellen innerorts einzuführen“, so der Rathauschef weiter. „Einfacher wäre eine generelle Regelung auf Tempo 30 innerorts. Das würde den Wohnwert auf dem Land nachhaltig stärken und Gefährdungen vermeiden.“

Waldfeucht

„Die Gemeinde Waldfeucht wird sich der Initiative nicht anschließen“, sagt Bernd Görtz vom Fachbereich Ordnung und Soziales. Für den Beitritt werde keine Notwendigkeit gesehen, da in der Gemeinde bereits auf den Hauptverkehrsstraßen die Tempo-50-Regelung gelte und die Nebenstraßen in der Regel mit Zone 30 geschwindigkeitsreduziert seien. „Gegen eine generelle Tempo-30-Regelung innerorts spricht aus hiesiger Sicht die fehlende Akzeptanz einer derartigen Geschwindigkeitsreduzierung unter den Verkehrsteilnehmern in Bereichen, wo keine konkrete Gefährdungen vorliegen“, argumentiert Görtz.