Temperatur runter : Wie die Kommunen im Kreis Heinsberg Energie sparen wollen
Kreis Heinsberg Kühleres Wasser im Schwimmbad, Rathaus freitags schließen, Raumtemperatur runter. Einige Kommunen haben schon sehr konkrete Pläne, um der drohenden Gaskrise zu begegnen.
In der aktuellen Energiekrise, die sich noch zu einem Energienotstand verschärfen könnte, rüsten sich viele Kommunen bereits für düstere Negativszenarien. Besonders ein Gaslieferstopp aus Russland könnte schwerwiegende Folgen für die deutsche Wirtschaft, die privaten Haushalte und die öffentliche Hand haben. Auch die Städte und Gemeinden im Kreis Heinsberg wollen und müssen Energie sparen. Die einen gehen das schon sehr konkret an, die anderen wollen erst einmal die weiteren Entwicklungen abwarten.
Erkelenz
Die Stadt Erkelenz ergreift bereits jetzt sehr konkrete Maßnahmen, um ihren Energieverbrauch zu senken. Die Wassertemperatur im Erka-Bad wird nach Angaben der Stadtverwaltung ab sofort gesenkt. Im Sportbecken soll das Wasser nur noch 26 statt bisher 28 Grad Celsius haben. Im Freizeitbecken wird sie von 31,5 Grad auf 29,5 Grad gesenkt. Und auch im Freibadbereich wird sie um zwei Grad gesenkt – auf 21 statt bisher 23 Grad.
Dass das Thema Energiesparen dort sehr ernst genommen wird, zeigt auch die Tatsache, dass ein Stab für außergewöhnliche Ereignisse – bestehend aus der Verwaltungsspitze und den Leitungen verschiedener Ämter – eingerichtet worden ist. Dieser Stab soll aktuelle Entwicklungen und mögliche Maßnahmen besprechen. „Erste Gespräche haben stattgefunden, die sich unter anderem mit Einsparpotenzialen bei städtischen Gebäuden im Bereich der Energieversorgung auseinandergesetzt haben“, so Jessica Starzetz von der Stadt Erkelenz. Die Stadt könne die Verbräuche differenziert und kurzfristig zentral steuern.
„Die Stadt Erkelenz möchte mit gutem Beispiel vorangehen und schon jetzt Energie einsparen. Ein effektiver Ansatz zur Einsparung von Gas ist die Reduzierung von Wärme“, so Starzetz. Neben der Absenkung der Wassertemperatur im Schwimmbad gibt es weitere Überlegungen. In der Stadtverwaltung möchte man die Raumtemperatur absenken. Auch in den Sport- und Mehrzweckhallen, also dort, wo Menschen sich bewegten und aktiv seien, könne man Gas sparen, indem man weniger heizt.
Die Stadt Erkelenz sei seit Jahren bemüht, Energieverbräuche zu reduzieren. „Konkret ging es bislang um die Senkung der Energiekosten und die Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen. So wurde der Gasverbrauch von circa zwölf Millionen kWh im Jahr 1993 auf inzwischen rund sieben Millionen kWh deutlich reduziert“, so Starzetz. Und bei Neubauten setzt die Stadt auf den Einsatz von erneuerbaren Energien.
Heinsberg
Auch die Stadt Heinsberg verweist beim Thema „Energiesparen“ darauf, dass sie in der Vergangenheit bereits viele Maßnahmen umgesetzt hat, die dazu beitragen, dass Kosten sinken, das Klima geschützt wird und die Abhängig vom russischen Gas sinkt. „Sämtliche Baumaßnahmen der Stadt Heinsberg werden grundsätzlich auf Energiesparpotentiale überprüft und diese auch im Anschluss berücksichtigt“, sagt Helen Götzke von der Stadt Heinsberg. So habe die Stadt bei energetischen Sanierungen und Neubauten auf Photovoltaikanlagen gesetzt, ein anderes Beispiel sei, dass die Kühltechnik eines zentralen Serverraumes durch oberflächennahe Geothermie optimiert werde.
Was die Ideen zur weiteren Einsparung angeht, so bleibt man in Heinsberger Rathaus jedoch weitaus unkonkreter als in Erkelenz. Im Hallenbad der Stadt Heinsberg seien wegen der Energiekrise bereits „energiesparende Maßnahmen umgesetzt“ worden. „Weitere Potenziale zur Verbrauchsreduzierung werden derzeit intensiv von der Stadt Heinsberg geprüft“, so Götzke.
Hückelhoven
In Hückelhoven sieht sich Bürgermeister Bernd Jansen (CDU) „in der glücklichen Lage“ deutlich weniger vom Gas abhängig zu sein als manche andere Kommune. „Grund ist die Tatsache, dass über 40 Prozent der privaten Haushalte und rund 80 Prozent der städtischen Gebäude an das Fernwärmenetz angeschlossen und somit komplett von Gas unabhängig sind“, so Jansen. Er sagt, dass Gespräche mit dem Versorger wep ergeben hätten, dass der Fernwärmeausbau in den angeschlossenen Ortschaften Doveren und Hilfarth forciert werden soll, um dann weiter nach Baal und mittelfristig auch nach Brachelen zu gehen.
Eine Schließung des Freizeitbads sei laut Jansen nicht vorgesehen, da es ebenfalls mit Fernwärme betrieben werde und völlig vom Gas unabhängig sei. „Außerdem werden wir unser Freibad Kapbusch eventuell ein bisschen länger als üblich offenhalten, wenn das Wetter mitspielt“, sagt Jansen.
Trotzdem suche man auch in Hückelhoven nach weiteren Einsparpotenzialen. „Es gibt zum Beispiel die Überlegung, das Rathaus im Winter nicht mehr fünf, sondern nur noch vier Tage offen zu halten. Der Freitag würde geschlossen bleiben, die Arbeitsstunden auf Montag bis Donnerstag übertragen“, sagt Jansen. Dann könnten Strom und Heizung bereits am Donnerstagabend runtergefahren werden. „Auch würde Energie bei der Hin- und Rückfahrt der Mitarbeiter für einen Tag eingespart werden“, sagt Jansen, der von einer Reduzierung von rund 20 Prozent spricht.
Geilenkirchen
Die Stadt Geilenkirchen hat eine Arbeitsgruppe zum Thema Energieversorgung eingerichtet. „Erste verlässliche und umfassende Ergebnisse erwarte ich erst nach einem in der nächsten Woche anstehenden gemeinsamen Termin“, sagt Bürgermeisterin Daniela Ritzerfeld (parteilos). Es zeichne sich aber bereits ab, dass im Hallenband große Einsparpotenziale vorhanden sind. „Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, die wir auch schon zeitnah umsetzen werden“, sagt Ritzerfeld. Sie sieht die möglichen Sparmaßnahmen auch als langfristig sinnvoll an, um Geld einzusparen. „Energiesparen bedeutet ja nicht nur Gas einsparen, sondern auch Haushaltsmittel“, sagt sie.
Aktuell diskutiert man im Geilenkirchener Rathaus auch über Notfallszenarien. Dabei geht es um die Frage, was konkret bei einem Versorgungsausfall in städtischen Gebäuden zu tun ist. Neben dem Rathaus müssten dabei auch Kitas, Schulen und Flüchtlingsunterkünfte betrachtet werden, sagt Ritzerfeld.
Wassenberg
Was die Gebäude mit dem größten Energieverbrauch angeht, sieht sich die Stadt Wassenberg unabhängig vom Gashahn. „Die beiden größten Energieverbraucher der Stadt, das Parkbad und der Baubetriebshof mit dem integrierten Übergangsheim, werden durch eine eigene Biogas- bzw. Hackschnitzelanlage betrieben und beheizt“, sagt Pressesprecher Martin Beckers. Deshalb sei eine Schließung des Schwimmbads oder eine Absenkung der Wassertemperatur nicht erforderlich.
Überhaupt setze man in Wassenberg darauf, den Energieverbrauch durch energetische Baumaßnahmen zu reduzieren, was in den vergangenen Jahren auch schon gelungen sei. Und durch den anstehenden Einbau von PV-Anlagen mit Energiespeicher werde beispielsweise das Gebäude des Baubetriebshofs energetisch autark. Luft-Wärmepumpen, Erdwärme und PV-Anlagen habe die Stadt Wassenberg bei vielen Neubauten eingeplant, so dass keine Abhängigkeit von Gaslieferungen bestehe.
Aktuell verbleiben in der Stadt Wassenberg insofern lediglich das Schulzentrum und drei Grundschulen, die mit Gas beheizt werden. Eine weitere Grundschule verfügt noch für Teilbereiche über eine Ölheizung. Da in den Schulen, ebenso wie im Rathaus, Blockheizwerke installiert sind, die Strom und Wärme erzeugen, sei die Ermittlung des Einsparpotentials im Falle der Senkung der Raumtemperatur erst auf der Grundlage konkreter Daten möglich. Konkret geplant sei eine Absenkung der Raumtemperatur dort aktuell nicht, so Beckers.
Übach-Palenberg
Die Stadt Übach-Palenberg hat nach eigenen Angaben als Kommune im Stärkungspakt bereits „Zeichen für das Energiesparen gesetzt und Energie gespart“. In den Rathausfluren sei die Raumtemperatur gesenkt worden, so Stephanie Dohmen von der Stadt Übach-Palenberg.
Dennoch hängt die Stadt mit ihren Gebäuden am Gashahn. Schulen, das Mehrgenerationenhaus und das Hallen- und Freibad und andere Gebäude müssten etwa mit Strom, Gas und Heizöl versorgt werden. „Die Abhängigkeit vom Gas ist sehr hoch“, sagt Dohmen. Angesichts der drastisch steigenden Kosten denke man auch in Übach-Palenberg über weitere Einsparmöglichkeiten nach. Die müssten aber auch in den politischen Gremien erörtert werden. „Sicher ist, dass der Anteil der Energiekosten am Gesamthaushalt steigt“, sagt Dohmen.
Waldfeucht
Energie einzusparen sei für eine kleine, steuerschwache Kommune wie Waldfeucht längst „gelebte Praxis“, sagt Bürgermeister Heinz-Josef Schrammen (CDU). Trotzdem denke man intensiv über weitere Einsparmöglichkeiten nach. „Hier gibt es keine Tabus. Die Raumtemperatur in den öffentlichen Gebäuden ein bis zwei Grad abzusenken, ist weniger schmerzlich als vor einem Totalausfall zu stehen“, sagt er. Eine Überprüfung der Anlagen und Reglereinstellungen finde bereits statt, damit seien entsprechende Temperaturanpassungen in die Wege geleitet. Die Gemeindeverwaltung, die Kita, einige öffentliche Begegnungsstätten sowie die Einrichtungen zur Unterbringung von Geflüchteten werden in Waldfeucht mit Gas beheizt. „Insofern ist eine Abhängigkeit vom Gasbezug gegeben“, so Schrammen.
Das Hallenbad in Haaren hängt hingegen nicht stark vom Gas ab. Die Wärmeversorgung des Schul- und Sportzentrums einschließlich des Hallenbads erfolge zu 90 Prozent über eine Pelletheizung. Und auch Photovoltaikanlagen spielen für die Gemeinde eine wichtige Rolle. Die Installation solcher Anlagen sei seit Jahren „beschlossene Sache“. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des neuen Mensagebäudes im Schulzentrum Haaren wurde in diesem Frühjahr in Betrieb genommen. Und in der vergangenen Woche wurde noch ein Auftrag zur Errichtung einer PV-Anlage auf dem Dach des gemeindlichen Bauhofs vergeben.
Gangelt
Bürgermeister Guido Willems (CDU) sagt, dass der Gemeinde Gangelt nun zugutekomme, dass sie ihre Abhängigkeit von fossilen Energieträgern bereits minimiert habe. „Das Freibad wird wie im letzten Jahr nicht mehr mit Gas, sondern nur noch mit Solarthermie erwärmt. Alle Grundschulen mit Lehrschwimmbecken und angegliederten Turnhallen werden über Biogasanlagen erwärmt, so dass an diesen Standorten eine durchgängige Wärmeversorgung gerade für die jüngsten Mitbürgerinnen und Mitbürger flächendeckend gesichert ist“, sagt Willems.
Die Gemeinde strebt auch keine konzeptionelle Planung für Lieferengpässe an, weil im Wesentlichen nur zwei Gebäudekomplexe betroffen wären. „Die Gesamtschule wurde bereits energetisch saniert und benötigt sehr wenig Primärenergie, dort werden wir gemeinsam mit der Schulleitung bei einem Lieferstopp oder Engpass weitere Maßnahmen ganz konkret im Dialog abstimmen müssen“, sagt Willems. Das Rathaus werde bereits auf geringem Niveau beheizt, „das wurde bereits aus Kostengründen im letzten Jahr so gehandhabt“, sagt er.
Wegberg
Die Stadt Wegberg will der Energiekrise mit einem „Bündel an Maßnahmen“ begegnen, wie Bürgermeister Michael Stock (SPD) sagt. Eine davon ist, dass es während der Ferien keinen Warmbadetag gebe. Der habe sich zwar betriebswirtschaftlich gelohnt – „dies ist meines Erachtens jedoch aktuell nicht der entscheidende Punkt“, sagt Stock. Denn es gehe aktuell nicht nur darum, die Kosten zu reduzieren, „sondern darum, konkret Gas einzusparen, damit es für wichtige Zwecke überhaupt zur Verfügung steht“. Außerdem hat die Stadt Wegberg die Wassertemperatur von 29 auf 28 Grad und die Raumtemperatur um ein halbes Grad gesenkt.
Die Stadtverwaltung will die Sommermonate nutzen, um eine „Wärmeplanung“ vorzubereiten. Im September sollen die Ergebnisse der Politik vorgestellt werden. Einsparpotenziale sieht Stock auf der kommunalen Ebene durchaus. „Ein Grad Reduzierung der Temperatur bedeutet umgerechnet rund fünf Prozent weniger Energieverbrauch“, sagt er. Das kann also zu einem relevanten Faktor werden, gerade weil die städtischen Gebäude in Wegberg zum Großteil mit Gas beheizt werden. Alternative Heizungstechniken seien in der Vergangenheit immer wieder diskutiert, dann aber doch aus Kostengründen verworfen worden. Nun gebe es jedoch eine politische Entscheidung für eine Heizung aus einem System aus Gas und Wärmepumpe in der Grundschule Merbeck.
Selfkant
In der Gemeinde Selfkant gibt es noch keine konkreten Planungen, einer drohenden Gaskrise mit drastischen Einsparmaßnahmen zu begegnen. „Wir werden zu geeigneter Zeit geeignet reagieren“, sagt Bürgermeister Norbert Reyans (CDU). Die Abhängigkeit vom Gas ist in der Kommune spürbar. So werde etwa die Gesamtschule mit Gas geheizt. Neben der energetischen Überarbeitung des Gebäudes setzt Reyans darauf, dass noch in diesem Jahr eine PV-Anlage auf das Dach der Schule kommt. Die Gemeinde stecke gerade mitten in der Frage, wie sie ihre Gebäude energetisch ausrichten soll.
Kreis Heinsberg
Auch die Kreisverwaltung sieht beim Thema Energiesparen noch Handlungsmöglichkeiten, „die zu nennenswerten Energieeinsparungen führen können“, wie Pressesprecher Michael Heckers sagt. Diese Möglichkeiten würden zurzeit geprüft. Darüber entscheiden solle aber nicht die Verwaltung, sondern die Politik, sagt er.
Die Abhängigkeit vom Gas bestehe in allen großen kreiseigenen Liegenschaften: Berufskollegs, Kreisgymnasium, Rurtalschule und Kreisleitstelle werden ausschließlich mit Gas beheizt. Die Kreisverwaltung wird nur im Falle einer notwendigen Spitzenlastabfangung durch Gaskessel unterstützt. „Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass etwa sechs Prozent Heizenergie je Grad abgesenkter Temperatur eingespart werden können“, sagt Heckers.