Erkelenz-Immerath : Wer will schon einen Engel im Schlafzimmer?
Erkelenz-Immerath St. Lambertus ist ins bundesweite mediale Interesse gerückt: Zeitschriften und Fernsehsender geben sich die Klinke in die Hand, um über den sterbenden Dom in Immerath zu berichten. Von Kirchengemeinden aus ganz Deutschland und Europa kommen Anfragen für die Innenausstattung der zum Tode verurteilten Kirche, die in absehbarer Zeit dem Tagebau weichen muss und mitsamt dem Ort Immerath von der Landkarte getilgt wird.
Dazu gesellt haben sich in letzter Zeit auch die Sammler und Schnäppchenjäger, die sich gerne einmal durch das Mobiliar der Kirche wühlen würden, um ein gutes Geschäft zu machen. „Aber vor dem 13. Oktober gibt es gar nichts“, erklärt Antonia Küppers. Gemeinsam mit ihrem Mann Theo hat sie jahrelang in St. Lambertus nach dem Rechten geschaut. Ende Oktober endet ihre Anstellung als Küsterin in St. Lambertus.
Dann endet auch die Pendelei zwischen Immerath (neu), wo sie seit vier Jahren wohnt, und ihrem alten Heimatort. 16.000 Kilometer haben sie und ihr Mann zwischen der alten und neuen Heimat pendelnd zurückgelegt. „Ich bin froh, wenn endlich Schluss ist“, betont sie.
Allzu viel können die Immerather von ihrer Pfarrkirche nicht mitnehmen an den neuen Standort, denn das Gemeindezentrum, das neben dem Kaisersaal gebaut wird, hat keinen Platz für die Kircheneinrichtung. Ein altes Kreuz, das Taufbecken und die Madonna — viel mehr wird es nicht sein, was später an die alte Kirche erinnern wird. „Die meisten Anfragen nach Einrichtung und Mobiliar kommen von Gemeinden aus der Umgebung“, betont sie.
So hatte zum Beispiel Arsbeck Interesse am Hochaltar angemeldet und muss nun mit einer Gemeinde aus Litauen darum buhlen. Die Orgel ist schon verkauft und wird am 4. November abgebaut, um in ihre neue Heimat transportiert zu werden.
Manchmal kann sich Antonia Küppers nur wundern. Was die Leute alles so brauchen können. Engel zum Beispiel. Nicht esoterisch angehaucht, ganz gegenständlich christlich: „Die Engel mit den Leidenswerkzeugen“. Lebensgröße. Sie persönlich käme ja nicht auf die Idee, sich so einen Engel ins Schlafzimmer zu stellen. „Da würd‘ ich mich ja jedes Mal erschrecken“, sagt die Küsterin.
Auch der Berliner Erzbischof Rainer Maria Wölki würde am liebsten alles nehmen, was sich in St. Lambertus befinde, wenn man Antonia Küppers glauben möchte. „Mir ist es langsam egal“, erklärt die resolute 73-jährige. „Wir setzen uns schon seit vielen Jahren mit dem Thema auseinander. Da will man irgendwann endlich seine Ruhe haben.“
Dementsprechend ist sie froh, wenn nach dem 13. Oktober und der letzten Messe in St. Lambertus endlich der ganze Spuk vorüber ist. Um den Verkauf der Sachen möchte sie sich nicht kümmern, das sei zu schmerzhaft.
Ab und zu muss sie aber auch lachen, zum Beispiel, wenn eine bundesweite Zeitung schreibt, der Dom und seine beiden Türme würden gesprengt. „Was am Ende mit dem Dom passiert, entscheidet RWE Power. Denn die haben ihn gekauft“, weiß die Küsterin. „Für die hat er einen ähnlichen Verkehrswert wie eine Lagerhalle.“
Um die Glocke abmontiert zu bekommen, muss jedoch zumindest ein Loch in die Türme geschlagen werden. Denn beim Bau war man nicht davon ausgegangen, dass die Glocken jemals wieder herausgeholt werden müssten. Die Glocken werden am neuen Gemeindezentrum in einen Glockenturm eingebaut. Auch die Engel - „die wir schon 30 Mal hätten verkaufen können“ - werden mit umziehen nach Immerath (neu).
Anrufe häufen sich
Derzeit häufen sich die Anrufe von Gruppen und Vereinen, die noch einmal einen Blick in die Kirche werfen wollen. Katastrophentourismus eben. Auch einige Immerather haben sich schon gemeldet, weil sie eine Erinnerung an ihre Kirche mitnehmen wollen. Doch auch durchaus „seltsame“ Anfragen werden an sie herangetragen.
So zum Beispiel von einem Fotografen, der darauf bestand, den Schlüssel zur Kirche zu bekommen, um dort nachts allein und ungestört „arbeiten“ zu können. „Aber das kann der sich abschminken“, lautet ihre Meinung. „Wir lassen doch niemanden unbeaufsichtigt in unserer Kirche herumfuhrwerken“.
Ob sie Trauer oder Wut empfindet, weiß sie nicht. „Ich habe ganz abgeschaltet und bin froh, wenn alles vorüber ist“, sagt sie. Denn ändern kann sie sowieso nichts mehr.