Streit in der Partei : Der schwierige Neustart der Wassenberger SPD
Wassenberg Hermann Thissen tritt als Wassenberger Vorsitzender der SPD zurück und kritisiert das Verhalten der neuen Fraktionsspitze, die Thissen wiederum angreift. Unserer Redaktion liegen Inhalte von internen E-Mails und Whatsapp-Nachrichten vor.
„Nach und nach, ordentlich und mit positiver Tendenz“, so wollte Hermann Thissen, Vorsitzender des Wassenberger SPD-Ortsvereins, sich aus seinen politischen Ämtern zurückziehen, wie er sagt. Doch noch vor der nächsten Wahl des Ortsvereinsvorstands am 6. November hat er jetzt seinen Vorsitz niedergelegt. Zunächst hatte er lediglich angekündigt, sein Mandat als Stadtverordneter im neuen Rat der Stadt Wassenberg nicht mehr anzutreten und weiterhin Ortsvereinsvorsitzender zu bleiben. Jetzt hat der ehemalige Bürgermeisterkandidat sich jedoch endgültig aus allen Ämtern zurückgezogen und bleibt nur noch „einfaches Parteimitglied“, erklärt er.
Vor seinem aktuellen Rücktritt habe er jedoch mit seinem Stellvertreter Hans-Joachim Gossing gesprochen, der nun den Ortsverein weiterführe bis zur nächsten Wahl. „Ich wollte kein Vakuum hinterlassen“, betont Thissen.
Gründe für seinen Rücktritt von nunmehr allen Ämtern hat er gleich mehrere. Zum einen fühlt er sich von der Mehrheit der neuen Fraktion schlicht nicht mehr informiert. So habe er sich für den Mittwoch nach der Stichwahl schon mit dem neuen Stadtverordneten Lars Röder für den Abbau der Plakatständer verabredet, als er von dem gleichzeitigen Termin für die erste Fraktionssitzung erfahren habe, zu der er dann als Ortsvereinsvorsitzender habe einladen sollen. Die Mehrheit der übrigen vier Fraktionsmitglieder habe sich für diesen Termin entschieden, habe man ihm erklärt, aber weder er noch Lars Röder noch der längerfristig abwesende Norbert Amend seien von den übrigen vier Fraktionskollegen zu dem Termin überhaupt befragt worden. „Aber wenn ich ein Team bilden will, muss ich doch auch die Minderheit ins Boot holen“, empört sich Thissen.
Er habe dann zu der ersten Fraktionssitzung eingeladen mit zwei Tagesordnungspunkten, der Begrüßung und der Wahl des oder der Fraktionsvorsitzenden. Zur Vorsitzenden sei Raja Schiffmann gewählt worden, und sie habe dann gleich einen Stellvertreter wählen lassen, obwohl dies gar nicht auf der Tagesordnung gestanden habe, moniert Thissen. „Dazu gab es gar keine Not“, sagt er. Diese Wahl hätte man auch später durchführen können, wenn auch Norbert Amend zurück gewesen wäre. „Ich bin die Fraktionschefin“, habe jedoch Raja Schiffmann gesagt und die Wahl von Jonas Rudolf zu ihrem Stellvertreter durchführen lassen.
Aber auch der neue Umgangston in der Fraktion gefällt Thissen nicht. „Der Ton wird schärfer“, sagt er. Für ihn gipfelte die Entwicklung in einer Mail, die er von Rudolf erhielt. „Leg dich auf den letzten Metern nicht mit mir an!“, heißt es darin, und weiter: „Du hast mich belogen und betrogen und der Partei mehr als geschadet. Wenn du mich herausforderst, wirst du verlieren! Lass mich in Ruhe und ich lasse dich in Ruhe!“ Dass ein 21 Jahre alter Fraktionsvize sich erlaube, so mit ihm umzugehen, das kann er gar nicht begreifen.
Weiterhin hat er ein Gesprächsprotokoll verfasst nach einem Anruf der Fraktionsvorsitzenden. „Die Anruferin forderte mich auf, Lars Röder dazu zu bewegen, nach seinem Parteiaustritt auch sein Mandat als Stadtverordneter niederzulegen.“ Bekanntlich war Röder nach der Wahl aus der SPD ausgetreten, will sein Mandat aber behalten. „Wir werden Dir keine Ruhe lassen. Du wirst keine Ruhe haben, wenn Lars sein Mandat behält“, habe Schiffmann gesagt. Gegen derartige Umgangsformen vorzugehen, erfordere viele Ressourcen, die Thissen nicht mehr aufbringen möchte. „Parteiarbeit sollte von anderen Schwerpunkten geprägt sein“, sagt er.
Nicht anders fühlt sich Lars Röder von der Fraktion behandelt. „Das ist alles völlig unkollegial“, moniert er und zeigt eine Whatsapp-Nachricht, die er von Schiffmann erhalten habe und die ihn zur Aufgabe des Mandats bewegen sollte. Darin steht wörtlich: „Damit tust du nichts Gutes und deiner Familie. Du machst dich damit unbeliebt. Außerdem ist das auch deine Arbeitsstelle ich würde damit nicht spaßen. Ich muss dir ja nichts über Darius erzählen.“ Dass da jetzt seine Familie und seine Arbeitsstelle im Parkbad hineingezogen werden, macht Röder regelrecht wütend. „Dieser Stil ist unterirdisch!“, schimpft er. „Wenn Schiffmann und Rudolf ihr Mandat niederlegen, dann tue ich das auch“, sagt Röder und betont, dass für die SPD im Wassenberger Stadtrat nur so ein echter Neuanfang möglich werde.
„Ich möchte nichts dazu sagen“, erklärt Schiffmann auf Nachfrage und ergänzt dann doch, dass Thissen schon im Wahlkampf mit Halbwahrheiten unterwegs gewesen sei. So habe er in einem Flyer erklärt, dass die übrigen Fraktionen gegen seine Anträge gestimmt hätten. „Aber seine eigenen Leute waren doch dagegen“, echauffierte sich Schiffmann. „Ich verstehe nicht, dass er jetzt nicht alles ruhen lässt!“, betont sie.
Der Vorwurf der Lüge beziehe sich darauf, dass Thissen behauptet habe, das Plakat mit der nackten Frau sei eine Idee der Jusos gewesen, was nicht stimme, erklärt Rudolf. Als Drohung sieht er seine E-Mail an Thissen auch nicht. „Ich war einfach genervt“, sagt er. Sicherlich sei es nicht schön, dass die Ära Thissen so zu Ende gehe, aber er sieht darin auch etwas Positives: „Wir können neu anfangen, neue Wege gehen. Wir sind neue Leute mit neuen Zielen, einer neuen Umgangsart“, betont er. Und „definitiv“ werde man auch einen neuen Umgang mit dem politischen Gegner pflegen. Nachdem Rudolf erfahren hatte, dass Thissen besagte E-Mail unserer Zeitung übergeben hatte, wurde er postwendend vom nächsten „Round Table“ der Jusos wieder ausgeladen.