1. Lokales
  2. Heinsberg

Wassenberg: Angst vor nächstem Starkregen und Hochwasser

Hochwasser : Die Angst vor dem nächsten starken Regen

Die Anwohner an der Jülicher Straße in Wassenberg fühlen sich im Stich gelassen. Sie sagen: Die B221n hat ihnen das Problem mit dem Hochwasser eingebrockt.

Wenn es stark regnet, dann überkommt Tatjana Windt die Angst. Sie fürchtet sich davor, dass alles schon wieder von vorne losgeht. Sie wohnt in einem Haus an der Jülicher Straße in Wassenberg, wo es in den vergangenen Jahrzehnten nie Probleme mit Hochwasser gegeben hatte. Aber in diesem Jahr sind die Windts und ihre Nachbarn schon zweimal „abgesoffen“. Vieles deutet darauf hin, dass das mit der neuen B221, der Ortsumgehung Wassenberg, zu tun hat.

Die Geschichte mit dem Hochwasser an der Jülicher Straße begann schon vor dem Jahrhunderthochwasser im Juli. Den 3. Juni verbrachte Tatjana Windt auf der Couch, sie hatte an diesem Tag ihre Corona-Schutzimpfung bekommen und fühlte sich „ein bisschen malad“. Von der Couch aus sah sie beim Blick nach draußen nur Regen, Regen und noch mal Regen. Irgendwann waren die Gärten überschwemmt. „Ich habe das Wasser dann von hinten kommen sehen“, sagt sie.

„Von hinten“ heißt in dem Fall aus der Richtung, wo der kleine Myhler Bach durch einige Teiche läuft. Der Bach wurde aber zum reißenden Strom. Dr. Gerd Demny vom Wasserverband Eifel-Rur erklärte das zuletzt damit, dass sich das Einzugsgebiet des Bachs durch den Bau der B221n vergrößert habe. Das heißt, es fließt mehr Niederschlagswasser von den Flächen zwischen Straße und Bach in den Bach hinein. Hinzu kommt das Problem, dass das Wasser in den Versickerungsbecken an der neuen Straße nicht versickert. Und damit steigt das Hochwasserrisiko an der Jülicher Straße dramatisch an.

Tatjana Windt hat Angst vor dem nächsten Hochwasser. Von den Behörden fühlt sie sich alleingelassen.
Tatjana Windt hat Angst vor dem nächsten Hochwasser. Von den Behörden fühlt sie sich alleingelassen. Foto: MHA/Daniel Gerhards

Am Ende des 3. Juni stand das Wasser 70 Zentimeter hoch im Keller der Windts, und der Boden des Swimmingpools war vom Grundwasser hochgedrückt worden. Aber der wirklich dramatische Tag sollte noch kommen.

Eineinhalb Monate später waren die Windts gerade mit ihren Renovierungsarbeiten fertig. Und dann kam das Juli-Hochwasser. Tatjana Windt war allein zu Hause, ihr Mann Nobby war auf Montage. „Ich konnte zugucken, wie das Wasser steigt“, sagt Tatjana Windt. Die Feuerwehr rückte mit Pumpen an. Eine davon lief eine halbe Stunde in ihrem Garten. „Dann haben die die Schläuche wieder rausgezogen und uns gesagt: Wir können nichts mehr machen, der große Schwall kommt jetzt“, sagt Tatjana Windt. Nobby Windt kam so schnell wie möglich zurück nach Hause, und zwar über die A61, kurz bevor sie wegen der Unwetterfolgen wegbrach.

Das Wasser war an diesem Tag nicht aufzuhalten. Innerhalb von zehn Minuten lief der Keller bis unter die Decke voll. Eine Kellerwand brach ein, der Pool, die Gartenhütte, der Vorgarten, die Einfahrt – überall Schäden. Das Wasser des Myhler Baches habe sich vor einem Durchlass unter einem Fußgängerüberweg am Ende der Jülicher Straße gestaut, sagt Nobby Windt. Die Einsatzkräfte hätten sogar überlegt, die Brücke wegzureißen, damit das Wasser besser ablaufen kann. Dort wird der Bach durch ein Rohr unter den Weg geführt. Und dieses Rohr war für die enormen Wassermengen viel zu klein.

In einer Sitzung des Stadtrates stellte die Stadt Wassenberg dar, dass solche Überschwemmungen an der Jülicher Straße und dem Blomedahler Weg in den zurückliegenden Jahrzehnten tatsächlich nie vorgekommen seien. Beim Hochwasser am 14. Juli habe nur der Einsatz von zwei großen THW-Pumpen verhindert, dass auch die Erdgeschosse der betroffenen Häuser überflutet wurden. Der Landesbetrieb Straßenbau NRW habe in Gesprächen mit Vertretern der Stadt eingeräumt, dass das Wasser in den Becken nicht oder nicht gut genug versickert. Der Landesbetrieb habe nun auch zugesagt, das Wasser aus den Becken regelmäßig abzupumpen, sagt Martin Beckers, Pressesprecher der Stadt Wassenberg. Zudem liefen Untersuchungen bei Straßen.NRW, ob die Versickerungsfähigkeit durch Bohrungen verbessert werden kann.

 Der Myhler Bach ist an normalen Tagen nicht viel mehr als ein Rinnsal. Seit die B221n fertig ist, war der Bach aber schon zwei Mal mit den Wassermassen überfordert.
Der Myhler Bach ist an normalen Tagen nicht viel mehr als ein Rinnsal. Seit die B221n fertig ist, war der Bach aber schon zwei Mal mit den Wassermassen überfordert. Foto: MHA/Daniel Gerhards

Nachdem das Wasser nun zwei Mal in ihrem Keller stand, reichen den Windts solche Aussagen nicht. Sie sind sauer und fühlen sich im Stich gelassen. „Das dritte Mal wird kommen, weil sich keiner dafür interessiert“, sagt Nobby Windt. Wie hoch der Schaden genau ist, kann Tatjana Windt nur überschlagen. 11.000 Euro für die neue Heizung, 4000 Euro für den Swimmingpool, 1000 Euro für die Gartenhütte, 1400 für den Vorgarten, und, und, und. „Wichtig sind uns aber auch die Sachen, die man nicht wiederherstellen kann. Das sind Erinnerungsstücke“, sagt Nobby Windt. Hinzu kommen die „seelischen Schäden“, die Angst vor dem nächsten Regen und die ganze Arbeit. „Seit dem 3. Juni findet hier kein Familienleben mehr statt“, sagt er. „Wir sind nur noch am Plockern.“

Und während die Windts all das erzählen, sind die Becken an der B221n schon wieder bis zum Rand gefüllt. „Schlechtes Wetter kommt bestimmt, bis dahin muss etwas passieren“, sagt Tatjana Windt. Eine dritte Überschwemmung werde sie nervlich nicht durchstehen.