Nach dem Großbrand : Tradition wird in der Hückelhovener Innenstadt fortgeführt
Hückelhoven Nach dem verheerenden Großbrand ihres Geschäfts kündigt Christina Schibbe einen Umzug in ein neues Ladenlokal an.
Die Brandruine auf der Parkhofstraße erinnert sie jeden Tag an das Feuer, das das Traditionsgeschäft Schibbe verschlungen hat. Christina Schibbe, Geschäftsführerin des Unternehmens, das seit 55 Jahren in Hückelhoven angesiedelt ist und von ihrem Vater Wilhelm gegründet wurde, riecht regelrecht den 3. März, wenn sie das Fenster öffnet. „Es ist schwer abzuschließen, wenn man das verbrannte Gebäude jeden Tag vor Augen hat“, sagt die 33-Jährige, die in unmittelbarer Nähe des Gebäudes an der Schnorrenbergstraße wohnt.
Unterkriegen lässt sich Christina Schibbe aber nicht. Vielmehr präsentiert sie sich seit dem Großbrand vor rund anderthalb Wochen als Geschäftsfrau durch und durch. Noch während die Feuerwehr am Tag des Großbrandes mit den Löscharbeiten beschäftigt ist, gelingt es der Geschäftsführerin, ein neues Ladenlokal in der Innenstadt für ihr Unternehmen dingfest zu machen. „Ich wusste direkt, dass das jetzt das Ende an diesem Standort ist. Als ich die Flammen sah, musste ich die Situation akzeptieren und dabei auch für meine Mitarbeiter in die Zukunft blicken, damit es irgendwie weitergeht“, sagt Schibbe.
Dass es so schnell weitergeht, machte nicht nur ihr Arbeitseinsatz und Enthusiasmus möglich, sondern auch der Umstand, dass sich in der Innenstadt ein großes, freistehendes Ladenlokal befindet, das sich in Besitz der Stadt befindet und Bürgermeister Bernd Jansen, der es ihr am Tag des Brandes gleich anbot.
Demnächst präsentiert sich das Unternehmen an der Parkhofstraße 84, direkt gegenüber dem Rathaus, in einem Gebäude, in dem sich bis vor Kurzem ein Testcenter des DRK befunden hat. „Parkhofstraße 84 hat eine Top-Lage und bietet uns mit fast 500 Quadratmetern eine ähnlich große Fläche, wie wir sie am alten Standort hatten“, sagt Schibbe.
Dass der neue Standort nur eine Lösung auf Zeit ist, weil das Gebäude in zwei Jahren für das neue Rathausquartier weichen wird, stört Schibbe nicht. „Es verschafft uns Zeit und Luft, um uns in Ruhe nach neuen Möglichkeiten umzusehen“, sagt Schibbe. Die Schlüssel zu dem Ladenlokal hat sie bereits erhalten. Nach und nach würden die Geschäftsräume nun fertig gemacht, Böden verlegt und Trockenbauarbeiten durchgeführt, damit sie in den nächsten Wochen bezogen werden können.
Wann genau Eröffnung sein wird, kann Schibbe noch nicht sagen. Immerhin sind die Auftragsbücher der Firma Schibbe voll, und wollen trotz des Brandes abgearbeitet werden. „Das Tagesgeschäft eben“, sagt Schibbe. „Wir haben noch am Tag des Brandes weitergemacht, eine Rufumleitung eingerichtet, um erreichbar zu sein. Viele Arbeiten werden vor Ort beim Kunden erledigt, zum Beispiel das Verlegen neuer Böden, das geht auch aus dem Provisorium“, sagt Schibbe.
Das heißt für das siebenköpfige Team, das seine „Zentrale“ derzeit im Kellergeschoss von Schibbes elterlichen Bungalows eingerichtet hat, vollen Einsatz: „Materialien, Teppiche, Tapeten, Böden und Farben mussten neu bestellt werden müssen, Maße für Arbeiten, die bereits genommen wurden und die im Feuer verbrannt sind, müssen nun neu beschafft werden“, sagt Schibbe. Extraarbeit, die noch obenauf kommt. Nebenher katalogisiert die 33-Jähre für die Versicherung alles, was im Feuer verbrannt ist. „Ich habe mir zwar einen Profi an die Seite geholt, der mir in Versicherungsangelegenheiten zur Seite steht. Diese Fleißarbeit ist aber etwas, das mir niemand abnehmen kann“, sagt Schibbe.
Zeit, um wirklich sacken zu lassen, was in der Nacht zum Freitag, 3. März, geschehen ist, hatte die junge Mutter noch nicht. Sie befindet sich in einer Art andauerndem Krisenmodus, seitdem die syrische Familie, die bis zum Großbrand über den Geschäftsräumen des Mietshauses wohnte, sie gegen zwei Uhr in der Nacht aus dem Schlaf klingelte. Noch bevor die Mieter, die sich eiligst aus dem Haus gerettet haben, nachdem sie einen Notruf abgesetzt hatten, ihr mitteilen konnten, was in den Geschäftsräumen vor sich geht, erkannte Schibbe es selbst.
Denn ein Blick aus dem Fenster ihrer Wohnung in der Schnorrenbergstraße offenbarte durch den dicken, wabernden, dunklen Rauch, der sich aus den Öffnungen des Gebäudes presste, schon, dass es brennt. „Das war der Moment, als ich in den Krisenmodus umschaltete“, erinnert sich Schibbe. Sie zog sich Schuhe und Hose an, schnappte sich die Ladenschlüssel und schloss die Eingangstür für die Feuerwehrleute bereits ankommenden Feuerwehrleute auf. Sie erklärte den Einsatzkräften Wege, machte Angaben zum Lagerbestand und wo sich Stoffe befinden, die womöglich explodieren können.
Den ganzen Tag stand Schibbe vor dem Geschäft und sah den Einsatzkräften zu, beantwortete Fragen, versuchte so gut es ging, den rund 130 Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr, die damit beschäftigt waren, den Großbrand unter Kontrolle zu bringen, zu helfen. Nur kurz in der Nacht ist sie mit Ehemann, Tochter und Hund zu ihren Eltern gefahren. Auch die sechsköpfige syrische Familie nahm sie vorerst mit zu ihren Eltern. „Das war genau der Zeitpunkt, an dem die Durchzündung stattfand, die Schaufenster barsten und alles in Flammen aufging. Ich bin froh, dass ich genau diesen Moment nicht mitbekommen habe“, sagt sie.
Am Nachmittag ist sie dann ins Krankenhaus gefahren, weil sie doch viel Rauch eingeatmet hatte. Da sei sie dann in Tränen ausgebrochen. Das einzige Mal, bevor sie wieder zur Notfall-Managerin des Familienunternehmens wurde. Nach dem Brand ist sie noch einmal im Gebäude gewesen. „Es war nicht viel, was ich noch retten konnte. Nur ein paar Akten“, sagt Schibbe. Die Feuerwehr aber habe großartige Arbeit geleistet und nach Löschen des Feuers sogar noch die Rechner aus dem Gebäude geholt, von denen noch einige Daten gesichert werden konnten. Ihr Vater, der an dem Tag, als sein Lebenswerk in Flammen aufging, seinen 87. Geburtstag gefeiert hat, sei dagegen noch nicht im ausgebrannten Geschäft gewesen. Christina Schibbe ist nicht wohl dabei.
„Wenn man drinnen zwischen Asche und Ruß steht, ist der Anblick wirklich schlimm und vollkommen surreal“, sagt sie. Dabei hätte ihren Vater die Nachricht über den Großbrand weniger getroffen als zunächst vermutet. „Vielleicht liegt es daran, dass er aus der Kriegsgeneration stammt. Er ist nur froh, dass kein Mensch zu Schaden gekommen ist“, sagt sie. Die syrische Familie ist inzwischen in einer neuen Wohnung untergekommen.
An der Parkhofstraße 28 sind die Schaufenster nun verbrettert und vernagelt, ein Bauzaun sperrt das Gebäude ab. „Was der Auslöser für das Feuer war, wird noch von der Polizei ermittelt“, sagt Schibbe. Auch, ob es wieder bewohnbar sein wird, wisse sie nicht. Sie hofft aber, dass schnell etwas mit dem Gebäude passiert, damit die Anwohner nicht länger als nötig den Geruch von Verbranntem, Asche und Ruß ertragen müssen. Und damit sie nicht täglich an die schreckliche Nacht am 3. März erinnert wird, sondern bald ganz neu anfangen kann.