Tarifverhandlungen : Proteste vor dem Heinsberger Gefängnis
Heinsberg Vor der dritten Verhandlungsrunde wollen die Gewerkschaften Druck machen. Auch in Heinsberg machen sie ihrem Ärger Luft. Die Mitarbeiter der JVA demonstrierten in einer „aktiven Mittagspause“.
„Auch wir sind systemrelevant“ prangt auf dem großen Schild vor der JVA Heinsberg. Viele Berufsgruppen können das zu Recht von sich behaupten. Über Pfleger und Krankenhausmitarbeiter ist in den vergangenen Monaten viel berichtet worden. Eine Berufsgruppe fand kaum Erwähnung, möchte jetzt aber auf sich aufmerksam machen: die Bediensteten der Justizvollzugsanstalten.
Eigentlich sollte es deshalb am Donnerstag nach Düsseldorf vor den Landtag gehen, am großen Warnstreik-Tag im Öffentlichen Dienst. Die Busse waren schon organisiert, Schilder und Fahnen lagen bereit. Doch am Montag hatte der NRW-Landesverband des Bunds der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD) die Entscheidung bekanntgegeben, die Teilnahme an den Protesten vorm Düsseldorfer Landtag abzusagen. Grund sind die hohen Infektionszahlen. „In dieser Lage muss alles getan werden, um nicht zu viele Infektionen im Vollzug entstehen zu lassen. In den Gefängnissen, in denen Zwangsgemeinschaften in räumlicher Enge zusammenleben, würden Infektionen sehr schnell unbeherrschbar“, heißt es vom BSBD.
Bei solchen Protestaktionen – auch wenn die Bediensteten nach Düsseldorf gefahren wären – ist die Sicherheit im Gefängnis übrigens stets gewährleistet. Die Angestellten können von ihrem Streikrecht Gebrauch machen, doch die vielen Beamten, die dort arbeiten, können nur in ihrer Freizeit demonstrieren, müssen sich für eine solche Aktion also freinehmen oder Überstunden abbauen. „Es kommen dann nur die, die entbehrlich sind“, erklärt Detlef Plömacher, Ortsverbandsvorsitzender und stellvertretender Landesvorsitzender des BSBD in RW. Die Sicherheit in der JVA sei daher durchgehend sichergestellt.
Statt Demonstration mit tausenden Mitkämpfern machten die Beschäftigten der Justizvollzugsanstalt Heinsberg am Donnerstag eine „aktive Mittagspause“, um dennoch ein Zeichen zu setzen. Knapp 40 Mitarbeiter versammelten sich mittags vorm Heinsberger Gefängnis. Sie fordern unter anderem eine Gehaltserhöhung von fünf Prozent, mindestens um 150 Euro, und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Auszubildende.
„Doch Geld ist nicht alles“, sagt Plömacher, „Uns stört auch die fehlende Wertschätzung. Wir machen lautlos unsere Arbeit, auch während Corona, ohne Homeoffice, und jeder von uns gibt 100 Prozent. Wir wollen wahrgenommen werden und auch mal klar fordern dürfen“, sagt er.
Und noch ein Thema ist ihm wichtig: „Man hört immer von der Einstellungsoffensive“, sagt er. Doch die Bedingungen für Berufseinsteiger würden schlechter. „Was gerade passiert, hat nichts mit neuen Strukturen zu tun. Wir brauchen aber bessere Bedingungen für junge neue Mitarbeiter.“
Das Verhalten der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), mit denen verhandelt wird, ist für die Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten mehr als enttäuschend. Der Arbeitgeber praktiziere „Verzögerungstaktik vom Feinsten“, und das sei eine „Missachtung unserer Kolleginnen und Kollegen“, heißt es in einem Schreiben des BSBD.
Am kommenden Wochenende findet die dritte Verhandlungsrunde der Gewerkschaften mit den Vertretern der TdL in Potsdam statt. Es bleibt abzuwarten, ob sie für die Protestierenden vor der JVA zur Zufriedenheit verläuft.