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„One Billion Rising“: Tanzen gegen Missbrauch und Gewalt

„One Billion Rising“ : Tanzen gegen Missbrauch und Gewalt

Jede dritte Frau in Deutschland wurde schon einmal Opfer von Gewalt, von körperlicher oder sexualisierter. Das sagt die Statistik. Die Erkelenzer Frauen Aktion, ein Verein, tanzt am Valentinstag gegen Gewalt, es wird eine Art Flashmob. „One Billion Rising“ heißt die Kampagne, die am Freitag weltweit stattfinden soll. Warum eigentlich eine Tanzchoreografie?

„Tanz! Steh auf!“ Ute Eschweiler dreht die Musikanlage auf, und 30 bestrumpfte Füße, die in Socken stecken, die so unterschiedlich sind wie ihre Trägerinnen, tanzen, trippeln, toben über den Teppich. Es ist ein Donnerstag kurz vor Valentinstag, Choreografieprobe für „One Billion Rising“. Der Verein Erkelenzer Frauen Aktion, kurz Efa, hat in die Leonhardskapelle eingeladen.

Es gibt zwei Tage im Jahr, die auf Gewalt gegen Frauen und Sexismus aufmerksam machen: den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November und den V-Day am 14. Februar. Für einen solchen Februartag im Jahr 2012, an dem in Amerika oft Pralinenschachteln in Herzform im Namen der Liebe getauscht werden, hat die New Yorker Künstlerin und Feministin Eve Ensler die erste Tanzaktion unter dem Titel „One Billion Rising“ organisiert. Es war eine Kampagne ihm Rahmen der globalen V-Day-Bewegung gegen Gewalt gegen Frauen. Das „V“ steht dabei für Victory, Valentine und Vagina. Auf der ganzen Welt sollten Frauen auf sich aufmerksam machen und gemeinsam tanzen, um das Ende dieser Gewalt zu fordern. „One Billion Rising“ bedeutet übersetzt „Eine Milliarde erhebt sich“. Diese Zahl, eine Milliarde, bezieht sich auf eine Statistik der UN, nach der jede dritte Frau weltweit Opfer von sexualisierter Gewalt wird.

„Tanz für ein Ende!“

Die Tanzaktion fand weltweit Unterstützerinnen. Auch in Mönchengladbach, wo die Wassenberger Tanzpädagogin Ute Eschweiler 2012 das erste Mal mittanzte. „Ich war so begeistert“, erzählt sie und mit ihrer Begeisterung steckte sie mühelos ihre Tanzschüler an.

 Erkelenzer Frauen in Aktion tanzen bei „One Billion Rising“ mit. Die Choreografie wird in der Leonhardskapelle eingeübt.
Erkelenzer Frauen in Aktion tanzen bei „One Billion Rising“ mit. Die Choreografie wird in der Leonhardskapelle eingeübt. Foto: Mirja Ibsen

„Tanz, den Schmerz zu stoppen.“

Verlässliche Zahlen, wie viele Mädchen und Frauen in Erkelenz täglich Opfer von Gewalt und Missbrauch und sexueller Belästigung werden, kann Elke Bodewein, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erkelenz, nicht nennen: „Gerade in diesem Bereich gibt es eine hohe Dunkelziffer.“ Im Frauenhaus des Kreises Heinsberg, das an einem verborgenen Ort Sicherheit bietet, haben im Jahr 2018 42 Frauen und 43 Kinder Zuflucht gesucht. Auch im Moment ist die Kapazität knapp, sagt Leiterin Silvia Lenzen, die Raum für acht Frauen und ihre Kinder hat. Die Nachfrage ist groß. Immer wieder muss sie Frauen an andere Frauenhäuser weitervermitteln.

„Tanz für Gerechtigkeit“

Siebenmal haben die Frauen aus dem Tanzkurs der Efa schon mitgetanzt, aber kurz vor dem Valentinstag werden die Schritte noch einmal aufgefrischt. „Es kommt nicht darauf an, die Choreografie zu beherrschen. Dabei sein ist alles“, sagt Ute Eschweiler. „Wenn es zu perfekt ist, schreckt es ja auch ab“, findet auch Gitte Rosenthal, vom Vorstand der Efa, die die Organisation des Flashmobs in Erkelenz übernommen hat. Diesmal wird es schon dunkel sein, wenn um 18 Uhr die Aktion auf dem Markplatz startet, vielleicht wird man nicht sehen, dass die Frauen etwas Schwarzes, Rotes oder Pinkes tragen, aber dafür soll diesmal die Musik gut zu hören sein, und nicht nur die Trommeln von Fatima Deckers, die oft Workshops leitet.

Erkelenzer Frauen in Aktion tanzen bei „One Billion Rising“ mit. Die Choreografie wird in der Leonhardskapelle eingeübt.
Erkelenzer Frauen in Aktion tanzen bei „One Billion Rising“ mit. Die Choreografie wird in der Leonhardskapelle eingeübt. Foto: Mirja Ibsen

„Ich hab Dir nie gehört und du weißt nichts von mir.“

Jede dritte Frau in Deutschland wurde bereits Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt, sagt die Statistik. Jede dritte Frau. Das heißt, sie könnte direkt neben Ihnen stehen. Ganz nah und unvermutet. So unvermutet, wie die Begegnung von der Christa Szaggars vom Vorstand der Efa erzählt und dabei immer noch eine Gänsehaut bekommt. Bei einer der Aktionen in den vergangenen Jahren hatte sie eine junge Frau, die mit einem Kinderwagen am Rand stand, ermutigen wollen, mitzumachen, und die junge Frau erzählte: „Ich bin auch betroffen …“ Es war ein Mann aus ihrer Familie. „Von Frauen für Frauen“ ist das Motto des Vereins Efa, der in solchen Fällen Kontakte vermitteln kann, wie den zu Konny Fulcyk von der Frauenberatungsstelle des Kreises Heinsberg. Solidarisch sein, keine Frau alleine lassen, Hilfestellung leisten, Adressen vermitteln, kulturelle Kurse und interkulturelle Begegnungen und einiges mehr will Efa bieten, das Tanzen gehört seit zehn Jahren dazu.

 Birgit Bertulies aus Gerderath (73) tanzt mit am 14. Februar: „Es ist ganz wichtig, dass wir ganz viele sind!“
Birgit Bertulies aus Gerderath (73) tanzt mit am 14. Februar: „Es ist ganz wichtig, dass wir ganz viele sind!“ Foto: Mirja Ibsen

„Tanz um die ganze Welt!“

„Darum geht es: Millionen Menschen tanzen, und wir sind mit dabei“, sagt Christa Szaggars. Ja, „Menschen“, sagt sie, nicht „Frauen“, denn Männer seien ebenso eingeladen, mitzumachen. „Sie können sich genauso solidarisch zeigen und mittanzen“, findet auch Ute Eschweiler, die die Choreografie, die auf der ganzen Welt die gleiche ist, etwas einfacher gestaltet hat, damit jede und jeder leicht mitmachen kann. Spätestens, wenn das Lied ein zweites Mal aus den Lautsprechern tönt, und dann in der deutschen Version, kann jeder die Schritte mitmachen oder auch ganz frei tanzen.

Eine offene Probe gibt es noch am Donnerstag, 13. Februar, um 11 Uhr in der Leonhardskapelle, für Menschen, die die Schritte nicht nur auf Youtube-Videos sehen, sondern schon einmal in der Gruppe üben wollen.

„Tanz für Gerechtigkeit!“

Am Ende des Lieds heben die Tänzerinnen den rechten Arm mit dem ausgestreckten Zeigefinger senkrecht nach oben, in Erkelenz und auch auf der ganzen Welt: One Billion Rising.