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Tagebau Garzweiler ist heftig umstritten

Tagebau Garzweiler : Politisch und gesellschaftlich heftig umstritten

Garzweiler II versorgt Kraftwerke in der Region mit Braunkohle. Der Tagebau ist seit Jahrzehnten umstritten. Der Konflikt dauert bis heute an. Eine Bestandsaufnahme.

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Der Braunkohletagebau Garzweiler II ist seit jeher umstritten. In den vergangenen Jahren konzentrierten sich die Proteste gegen die Kohle auf die Orte um Keyenberg und Lützerath. Dabei geht es den Kohlegegner darum, weniger klimaschädliche Braunkohle zu verfeuern und ein Stück Heimat in den Erkelenzer Dörfern zu erhalten. Politisch schwelt der Konflikt aber bereits seit Jahrzehnten.

Tagebau wird kleiner als geplant

1995 genehmigte die NRW-Landesregierung Garzweiler II mit der absoluten Landtagsmehrheit der SPD. Kurz darauf verlor die SPD ihre absolute Mehrheit im Landtag jedoch und bildete die erste Koalition mit den Grünen. Die Braunkohleverstromung und die Tagebaue blieben zwischen den Koalitionären in den 90er Jahren heftig umstritten. In der Folge wurde das Abbaufeld dann erstmals deutlich verkleinert, von 68 auf 48 Quadratkilometer. Das hatte zur Folge, dass die Erkelenzer Dörfer Venrath, Kaulhausen, Wockerath und Kückhoven und der Mönchengladbacher Stadtteil Wanlo doch nicht abgebaggert werden sollten.

Überraschend kündigte die rot-grüne Landesregierung im Jahr 2014 an, den Tagebau noch einmal zu verkleinern und Erkelenz-Holzweiler zu erhalten. Zuletzt hatte die Berliner Ampel in ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 angekündigt, auch Keyenberg, Kückhoven, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath erhalten zu wollen. Das wäre dann die dritte Verkleinerung von Garzweiler II. Diese politische Willenserklärung ist jedoch noch nicht gesetzlich verankert.

Garzweiler und die Kraftwerke

Der Tagebaubetreiber RWE Power fördert im Tagebau Garzweiler nach eigenen Angaben 30 bis 35 Millionen Tonnen Braunkohle pro Jahr. Die Garzweiler-Kohle wird überwiegend in der Region zur Stromerzeugung verbrannt. Die Kohle wird etwa über die Unternehmenseigene Nord-Süd-Kohlebahn und über Bandanlagen zum Kraftwerk Neurath transportiert. Insgesamt laufen Bandanlagen mit 85 Kilometer Länge im Tagebau.

Eine neue Autobahn

Neben den Dörfern, die für den Tagebau weichen mussten, musste auch viel Infrastruktur ab- und wieder neu aufgebaut werden. Zwei Autobahnen wurden für den Tagebau zurückgebaut, die A44 und die A61. Die A44n ist seit 2018 als Ersatz für die alte A44 freigegeben. Die neue Autobahn, die wie auf einem Damm durch den Tagebau verläuft, ist zu einem Problemfall geworden. Sie ist extrem windanfällig. Ob die A61n gebaut wird, ist politisch noch umstritten.

DIW-Studie zu Fördermengen

Für Aufsehen sorgte im Jahr 2021 eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Demnach darf Lützerath nicht mehr abgebaggert werden, wenn Deutschland eine Chance haben will, das 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen. Eigentlich hätte dafür auch das bereits abgerissene Immerath erhalten bleiben müssen. Die Wissenschaftler hatten ausgerechnet, wie viele Millionen Tonnen Braunkohle maximal noch aus dem Tagebau gefördert werden dürfen, damit das Pariser Klimaziel erreichbar bleibt.

Der Immerather Dom ist verschwunden

Im Januar 2018 gingen die Bilder aus Immerath um die Welt. Dort wurde der imposante, auf freiem Feld stehende Immerather Dom abgerissen. Es war ein Tag, der viele Menschen bewegte. Damit ging nicht nur eine Landmarke in der Region verloren, sondern es verschwanden auch viele Erinnerungen an das Dorfleben, an Taufen, Hochzeiten und andere kirchliche Feste in riesigen Schutthaufen.

Große Proteste von „Ende Gelände“

Besonders heftige Proteste gegen den Tagebau Garzweiler gibt es seit 2015. In diesem Jahr stürmte das Aktionsbündnis „Ende Gelände“ mit Hunderten Aktivisten in den Tagebau. Die Polizei setzte beim Versuch die Aktivisten zu stoppen, Schlagstöcke und Pfefferspray ein. RWE erstattete in der Folge Anzeige gegen die Aktivisten, woraufhin es zu fast 800 Strafverfahren kam. In den folgenden Jahren hat „Ende Gelände“ immer wieder mit Tausenden von Teilnehmern versucht, die Infrastruktur des Tagebaus zu blockieren.

Demonstrationen mit Tausenden von Menschen

Neben solchen Blockaden gab es auch immer wieder große Demonstrationen gegen den Tagebau, zum Beispiel im Jahr 2019, als unter anderem auf Initiative des Schülerstreiks „Fridays for Future“ 8000 Menschen in Keyenberg für den Erhalt der Dörfer demonstrierten. Später verlagerte sich der Protest nach Lützerath, wo Landwirt Eckardt Heukamp lange gegen eine Enteignung seines Hofes kämpfte. Diesen Kampf hat er juristisch mittlerweile aufgegeben. Klimaaktivisten haben in Lützerath Baumhäuser und Hütten gebaut und viele Häuser besetzt. Damit wollen sie sich gegen eine Räumung des Ortes durch die Polizei wappnen. Im Frühjahr 2022 demonstrierten Tausende für den Erhalt von Lützerath.

Der Kampf gegen die Kohle nahm in Erkelenz Fahrt auf, nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster für den Hambacher Forst einen Rodungsstopp verhängt hatte. Dieser „Hambi-Moment“ blies dem Protest am Tagebau Garzweiler Rückenwind in die Segel.

Wie geht es nach der Kohle weiter?

Wie es in der Zeit nach der Kohle weitergeht, ist aktuell Gegenstand der Planungen. RWE renaturiert weite Flächen des heutigen Tagebaus. Am Ende wird jedoch ein großes Restloch bleiben, das per Rhein-Wasser-Pipeline gefüllt und zu einem riesigen See werden soll. Akteure wie der Zweckverband Landfolge Garzweiler arbeiten an Konzepten, um die Bereiche, Wohnen, Arbeit, Wirtschaft und Freizeit am künftigen See zu verbinden. Ein „Innovation Valley“ auf der Fläche der heutigen Grube und ein „Grünes Band“ um den See sind Kernaspekte dieser Planungen.