Schriftstellerin Jutta Profijt : Zuhörer mit Motiven und Hintergründen fasziniert
Erkelenz-Lövenich Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Raiffeisenbank Erkelenz mit ihrer Reihe „Kultur in der Bank“ ein attraktives, abwechslungsreiches und unterhaltsames Programm anbietet.
So verwunderte es auch nicht, dass zur Auftaktveranstaltung im dritten Jahr der Reihe zahlreiche Besucher in die Hauptstelle nach Lövenich kamen, um die Lesung mit der Schriftstellerin Jutta Profijt mitzuerleben.
Sie ist mit ihrem Roman „Unter Fremden“ im vergangenen Jahr mit dem wichtigsten Preis der deutschsprachigen Kriminalliteratur, dem Friedrich-Glauser-Preis, ausgezeichnet worden und damit ebenso preisgekrönt wie ihre Kollegin Regina Schleheck aus Köln, die ebenfalls schon von Marketingchef Thomas Brockers nach Lövenich geholt worden war und die zur großen Freude vieler als Besucherin Jutta Profit überraschte.
Die 1967 geborene Schriftstellerin, die mittlerweile in Korschenbroich heimisch geworden ist, vermittelte den Zuhörern Eindrücke in ihrer Arbeitsweise und berichtete über die Schwierigkeiten, die die literarische Bearbeitung des Themas Flüchtlinge und Asyl mit sich brachte. „Es ist ein ernster Roman, den manche gar nicht als Krimi sehen wollen“, meinte die Autorin, die üblicherweise viel Humor in ihre Krimis und anderen Romane einfließen lässt.
Lange hatte sie sich mit Flüchtlingen aus Syrien auseinandergesetzt, hat ihr Leben in der Heimat und nach der Flucht im deutschen Asyl nachvollzogen, bis sie endlich die Hauptfigur für ihre Geschichte gefunden hatte: Eine gehandicapte, 34-jährige Frau aus Syrien, die immer eine Fremde bleiben wird in Deutschland, weil sie hier keine Heimat und keine kulturellen Wurzeln hat. Die Flüchtlinge sind Fremde in dem ungewohnten Land, sie sind aber auch fremd untereinander, weil sie sich nicht kennen.
„Es war meine Absicht, die Leser die eigene Fremdheit spüren zu lassen. Das ging nur in der Ich-Form, in der der Roman geschrieben wurde“, erläuterte Profijt, nachdem sie die Passage gelesen hatte, mit der sie Madiha vorstellt. Madiha ist eine Frau aus Syrien, die in einem Flüchtlingsheim am Niederrhein landet. Auf der Flucht half ihr Harun, ein junger Mann, der eines Tages spurlos aus der Flüchtlingsunterkunft verschwindet.
Auf Drängen ihrer deutschen Betreuerin gibt Madiha eine Vermisstenanzeige bei der Polizei auf. In derselben Nacht fliegt ein Molotow-Cocktail in ihr Zimmer, Haruns Kleidung wird gestohlen. Am liebsten würde Madiha die Angelegenheit der Polizei überlassen, aber sie ist ihrem Retter persönlich verpflichtet. So erkundet sie auf Haruns Spuren eine ihr fremde Welt, in der sie Freund und Feind bald nicht mehr unterscheiden kann.
Nicht nur Madiha zweifelt und verzweifelt fast, auch Profijt hatte Zweifel und Ängste, ob sie das Thema angemessen bewältigen kann. Sie holte sich Hilfe beim Schreiben, ließ sich beraten und verriet dem Publikum sogar, dass sie entgegen aller ihrer Gepflogenheiten ihren Roman geschrieben hatte, ohne darüber schon einen Verlagsvertrag gemacht zu haben. Sie überraschte ihren Verlag mit dem ungewöhnlichen Stoff, der so ganz anders war als der von ihr bekannte. Dass „Unter Fremden“ außergewöhnliche Qualität besitzt, erkannte nicht nur der Verlag, das erkannte auch die Jury des Glauser-Preises, die diesem Roman prämierte.
Wenngleich Profijt es in Lövenich dabei beließ, Andeutungen zu machen und mehr über Hintergründe und Motive sprach und las, lauschten ihr die Besucher fasziniert. Und während Brockers der Autorin für den aufschlussreichen und kurzweiligen Abend dankte, danken ihm viele Besucher dafür, dass er wieder einmal ein außergewöhnliches Kulturereignis in die Raiffeisenbank geholt hatte.