Heinsberg : Prozess um Tauchunglück im Lago Laprello: Ursache weiter unklar
Heinsberg Am Sonntag, 2. Juni 2013, war eine junge, damals 17 Jahre alte Taucherin im Lago Laprello in Heinsberg bei einem Tauchgang schwer verunglückt. Seit mehr als vier Jahren zieht sich die juristische Aufarbeitung hin. Bis heute ist unklar, wie das geschehen konnte.
Eine erste Hauptverhandlung hatte nach der Erkrankung des Richters von neuem angesetzt werden müssen. Unter dem Vorsitz von Amtsgerichtsdirektorin Corinna Waßmuth wird nun an mehreren Verhandlungstagen erneut versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Das langwierige Verfahren zerrt an den Nerven aller Beteiligten.
Auf der Anklagebank sitzt ein 52-jähriger ehrenamtlicher Tauchlehrer aus Hückelhoven. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Körperverletzung vor. Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung käme aber, nachdem die Frau inzwischen gestorben ist, auch in Betracht, wie das Gericht erläuterte.
Anstrengender Prozess
Der Angeklagte schwieg auch während des siebenstündigen bislang letzten Verhandlungstermins, an dessen Ende kurz vor 18 Uhr die Staatsanwältin signalisierte, dass ihre Aufnahmefähigkeit in spätestens zehn bis 15 Minuten erschöpft sei. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich der wohl wichtigste Zeuge dieses Verhandlungstags seit gut einer Stunde bereits den Fragen des Gerichts. Der 39-jährige ehrenamtliche Tauchlehrer der Tauchabteilung des TuS Oberbruch schilderte sehr gut strukturiert das Geschehen aus seiner Sicht.
Neben dem schweigenden Angeklagten war dieser Tauchlehrer die Person, die am nächsten dran war am tragischen Ablauf der Ereignisse. Drei Teams hatten sich am 2. Juni 2013 vom Vereinshaus des TuS am westlichen Seeufer zu Tauchgängen im Lago Laprello aufgemacht. Bei den beiden zweiköpfigen Teams, darunter das des Angeklagten und der Verstorbenen, standen sogenannte FunTauchgänge an. Das dritte dreiköpfige Team, zu dem auch der als Zeuge geladene Tauchlehrer zählte, wollte die Bergung eines Tauchers vom Seegrund üben.
Immer und immer wieder befragten die beiden Rechtsanwälte des Vaters der Verstorbenen, der als Nebenkläger auftrat, die beiden Verteidiger des Angeklagten, Staatsanwältin und Richterin den Tauchlehrer und die anderen als Zeugen geladenen Mittaucher nach der Sichtweite im See. Alle Taucher bezeichneten die Sicht im Lago als gut bis sehr gut. Da die Juristen leider keine Taucherfahrung mitbrachten, blieben Nachfragen bezüglich des Begriffes „gut“ nicht aus.
Verwunderung machte sich breit, als „gut“ mit zwei bis fünf Meter von den Tauchern kategorisiert wurde. Wenn man die Hand nicht vor Augen sehen könne, dann sei die Sicht schlecht, erläuterte der Tauchlehrer. Es könne durchaus sein, dass dies im Uferbereich vorkomme, wenn mehrere Taucher mit ihren Flossen beim Ausstieg aus dem Wasser Sediment aufwirbelten.
Die Verteidigung arbeitete unermüdlich daran, das wohl schwerwiegendste Argument der Anklage auszuräumen. Die Anklage stütze sich doch gerade darauf, so einer der Verteidiger, dass der Angeklagte in dem Moment fahrlässig gehandelt habe, indem er den Sichtkontakt zur Mittaucherin, mit der er ein Team bildete, verloren habe. Der Angeklagte war neben dem vernommenen Zeugen im Juni 2013 einer der beiden ehrenamtlichen Tauchlehrer des TuS Oberbruch gewesen. Richterin Waßmuth fragte ihn, ob der Angeklagte nach dem Geschehen etwas zu ihm gesagt habe.
Die beiden Tauchlehrer hatten die bewusstlose Frau gemeinsam aus dem Lago geborgen, nachdem der Angeklagte sie im See gefunden hatte. Beide hatten die Frau auf einen Steg gehievt. Dabei habe der Angeklagte zu ihm gesagt: „Ich habe nach rechts geguckt, ich habe nach links geguckt, da war sie weg.“ Das muss unmittelbar vor dem Auftauchen am Steg geschehen sein. Da habe sich der Angeklagte, so der Zeuge, orientieren müssen, um trotz der schlechten Sicht nicht gegen die Stegbefestigung zu stoßen.
Bei einem solchen Tauchgang sei es ganz normal, dass sich die beiden miteinander Tauchenden kurzzeitig aus den Augen verlieren. Im Einstiegsbereich sei die Sicht schlecht. Die junge Frau sei eine gute und erfahrene Taucherin gewesen. „Sie war Wasser“, sagte der Tauchlehrer bewegt. Die Qualitäten eines Tauchers könne man nicht von der Anzahl der Tauchgänge abhängig machen, meinte er. Er hätte ja noch versucht, das Mädchen wiederzubeleben, sagte die Richterin.
„Wir haben sie wiederbelebt, bis zum Eintreffen der Rettungskräfte“, stellte der Tauchlehrer im Zeugenstand klar. Der Zeuge verwies mehrfach auf den ungleich absinkenden Seegrund, typisch für einen Baggersee.
Detailliert beschäftigte sich das Gericht auch mit der Ausrüstung der verunglückten Taucherin. Diese hatte sie vom Verein ausgeliehen. Die Wartung der Sauerstoffflasche und die spezielle Luftzufuhr bei dem eingesetzten Atemregler wurden nachgefragt, ebenso die Zuständigkeiten im Verein bei der Gerätewartung.
Hitzige Atmosphäre
Richtig hitzig wurde die Luft im Gerichtssaal, als die Verteidigung andeutete, dass die Verunglückte persönliche Probleme gehabt habe. Da fuhr einer der Anwälte der Nebenklage aus der Robe, schlug auf den Tisch und brüllte: „Das finde ich so unter aller Sau! Machen wir mal eben einen Suizid draus.“
Der Vater der Verstorbenen konnte in diesem Moment nicht mehr an sich halten und appellierte an den schweigenden Angeklagten, sich einen Ruck zu geben und das Verfahren endlich abzukürzen. Und der Vater fügte hinzu: „Das Kind kriege ich nicht mehr wieder, das weiß ich.“
Ob der Angeklagte wirklich mehr weiß, als er sagt, kann nur er wissen. Der als Zeuge geladene Tauchlehrer vermutete, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe. Die Verhandlung wird mit der Vernehmung weiterer Zeugen und Sachverständiger fortgesetzt.
Dann wird es auch noch einmal um ein Gedächtnis-Protokoll gehen, das der Vorstand des TuS Oberbruch mit Beteiligten an den Tauchgängen noch am Abend des 2. Juni 2013 aufgesetzt hatte. In diesem Jahr ist kein Urteil mehr zu erwarten.