Protest gegen fortschreitenden Tagebau : Neubauer will Lützerathern Mut machen
Erkelenz-Lützerath Der Besuch der Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat mehr als 1000 Menschen zum Kulturfestival „Kultur ohne Kohle“ in den vom Abriss bedrohten Ort Lützerath gelockt.
Mit einer symbolischen Baumhausaktion und dem Besuch der Klimaaktivistin Luisa Neubauer endete das Kulturfestival „Kultur ohne Kohle“ in dem vom Abriss bedrohten Ort Lützerath.
Das dortige Klimacamp leistet seit Langem lauten Widerstand gegen den voranschreitenden Tagebau. Nach Planungen von RWE Power soll der Ort, in dem immer noch ein landwirtschaftlicher Betrieb besteht, im Herbst abgerissen werden.
Für die Klimaaktivisten hat Lützerath jedoch noch eine besondere Bedeutung. Denn der Ort liegt an der rechnerischen „1,5-Grad-Grenze“. Nach Lesart der Klimaaktivisten ist nach dem Überschreiten dieser Grenze und Verstromung der Braunkohle unter Lützerath sowie den fünf Erkelenzer Ortschaften das Einhalten des 1,5-Grad-Ziels nicht mehr möglich.
Beschrieben wird damit die Einhaltung besagten Grenzwertes bei der vom Menschen erzeugten Erderwärmung seit Beginn der Industrialisierung. Ein Thema, das der 25-jährigen Aktivistin aus Hamburg liegt. Ihr angekündigter Besuch mit anschließendem Dorfrundgang hatte über 1000 Interessierte ins Klimacamp gelockt.
Doch zunächst präsentierten sich verschiedene Arbeitskreise, die im Rahmen des Kulturfestivals neue Ziele erschlossen haben, die es anscheinend mit dem mittlerweile anerkannten Klimaprotest zu verknüpfen gilt. So erfuhren die Besucher, dass es im Rahmen des Kulturfestes eine eigene „Bipoc“-Klimakonferenz gegeben hatte. „Bipoc“ steht für „black and inogen people of color“. Die Teilnehmer dieser separaten Konferenz informierten über „Safe Places“, die kein Weißer betreten dürfe und die Tatsache, dass selbst der Tagebau Garzweiler II im Rheinischen Revier mit Kolonialismus und dem Vormachtstreben des weißen Mannes zu tun habe.
Die Aktivistin „Kali“ betonte, dass „People of Color“ und „queer-feministische Aktivist_Innen“ auch in der Klimabewegung oft kein Gehör fänden. Im Anschluss prangerten auch Vertreter altgedienter Organisationen des Tagebauprotestes neben der Umweltzerstörung auch Rassismus und Kolonialismus an.
Der Lützerather Landwirt Eckhard Heukamp blieb beim Thema. „Hier ist der Punkt, wo RWE Schluss machen muss“, erklärte er ganz ohne Kolonialismus und kündigte eine Klage gegen seine bevorstehende Zwangsräumung an. „Wir haben genug andere Möglichkeiten, die Zeit der Kohle ist angelaufen“, erklärte er.
Annette Ritter von der Initiative „Lebenslaute“ berichtete, dass zu Beginn des Tages durch eine Aktion der komplette Tagebau zum Erliegen gekommen war. In der Initiative haben sich Musikerinnen und Musiker zusammengeschlossen, die gezielt in den Tagebau und andere Orte der Zerstörung eindringen und dort klassische Konzerte geben. Unter dem Motto „Mit Achtel und Triole gegen Klimakiller-Kohle“ waren Aktivistinnen der Gruppe in festlicher Konzertkleidung bei Lützerath in den Tagebau eingedrungen und hatten Bach-Sonaten zwischen zwei Förderbändern aufgeführt.
Dann kam Luisa Neubauer und erklärte, dass sie dem Gesagten kaum etwas hinzufügen könne. Was sie jedoch hinzufügte, waren leichtgängige Zusammenfassungen. Lützerath müsse bleiben, Laschet lieber nicht. Man habe viel verloren, aber auch viel zu gewinnen. Gegen ein „Weiter so“. Schlimmeres müsse verhindert werden.
In diesem Sommer habe man die Wahl und könne die Weichen stellen. In ihrem Vortrag erinnerte Neubauer an die deutsche Künstlerin Julia Engelmann, die durch sehr eindringliche Texte bei Poetry Slams bekannt wurde. Neubauer war gekommen, um allgemein Mut zu machen. So wie Engelmanns Texte jeden ansprechen sollen. Daher blieben konkrete Bezüge zum Tagebau Garzweiler selten. „Wir sehen uns dann in Lützerath wieder“, rief sie den Zuhörern zu und erntete langen Applaus.
Dann ging es zum Dorfspaziergang durch den Ort, den es im kommenden Jahr vermutlich nicht mehr geben wird, wenn es nach den derzeitigen Planungen des Bergbauunternehmens geht.
Die Klimaaktivisten sehen in Lützerath hingegen eine Art Klima-Woodstock, in dem über die Zukunft entschieden wird. Sie planen ihre Aktivitäten über den Jahreswechsel hinaus.