Gastbeitrag zum Strukturwandel im Rheinischen Revier : Nach Lützerath
Meinung Aachen/Düren/Heinsberg Riesige Herausforderung und riesige Chance: Beim Strukturwandel für das Rheinische Revier drängt die Zeit. Und möglicherweise braucht er auch vollkommen neue Impulse, meint der ehemalige Stadtplaner Hans-Dieter Collinet.
Während das erhaltene Fördergerüst auf dem Annagelände in Alsdorf auf ein Beispiel auch städtebaulich gelungenen Strukturwandels im alten Aachener Steinkohlenrevier schaut, blickt der 2008 im Rahmen der EUREGIONALE 2008 gebaute stählerne Indemann noch tief in die fossile Vergangenheit des Braunkohlentagebaus und demnächst auf die in den nächsten Jahrzehnten entstehende Seenlandschaft um die drei Tagebaue des Rheinischen Reviers: Inden, Garzweiler und Hambach.
Nach dem Fall von Lützerath gilt es jetzt, den Blick nach vorne zu richten und zu beweisen, dass der Kompromiss mit RWE zur Beendigung des Tagebaus schon 2030 in Verbindung mit der Rettung von fünf Dörfern verantwortbar war, auch weil nunmehr alle Anstrengungen unternommen werden, aus der wortreich proklamierten Modellregion der Nachhaltigkeit Wirklichkeit werden zu lassen.
Welch eine herausfordernde wie einmalige Aufgabe in dem Transformationsraum zwischen Mönchengladbach, Düsseldorf, Köln und Aachen!
Welch eine Chance dieser Generation, sich anstelle einer von der Agrarindustrie ausgeräumten Landschaft mit wenig attraktiven Dörfern eine neue Heimat um und zwischen den drei über die nächsten Jahrzehnte entstehenden Seen entwerfen und realisieren zu können. Dafür bedarf es einer Vision und Bilder für neue klimagerechte Siedlungsmodelle und abwechslungsreich gegliederte Kulturlandschaften. Die Bäume, die das Bild der Landschaft in der dritten Dimension prägen werden, müssen bald gepflanzt werden. Der gestalterische Anspruch heißt: Ästhetik nutzen, um ökologisch zu wirken. Hier kann bewiesen werden, dass Kultur und Natur – Schönheit und Artenreichtum – eine neue Symbiose eingehen und Ökologie und Ökonomie am gleichen Strang ziehen können. Erfindet die Bilder, um insbesondere die jungen Menschen dafür zu begeistern, an der Gestaltung ihrer neuen Heimat mitzuwirken. Denn sie erleben das, was wir heute planen.
Die Chance zur Wiederbelebung der weitgehend entwohnten fünf Dörfer, die nicht mehr abgebrochen werden müssen, liegt nun in der Verzahnung von Alt und Neu mit einem hohen gestalterischen wie ökologischen Anspruch. Sie schafft eine neue Identität und Attraktivität auch für Menschen aus den Ballungsräumen.
In einer Modellregion sind Investitionen in die graue Infrastruktur wie Gewerbegebiete einzubetten in die grüne Infrastruktur, in ein unverwechselbares neues Siedlungs- und Landschaftsbild mit hohem ökologischen, freizeitlichen wie touristischen Potential. Dann werden sich hier innovative Unternehmer, kreative Arbeitnehmer mit ihren Familien engagieren und auf Dauer niederlassen. Denn die Schönheit und Unverwechselbarkeit einer Region sind seit langem schon die entscheidenden Standortfaktoren im Wettbewerb der Regionen.
Die Zeit drängt. Die Umsetzung der Vision zur Modellregion Rheinisches Revier in Zeiten des Klimawandels braucht: das Erklären in verständlichen Bildern, um die Menschen mitzunehmen; modellhafte interdisziplinäre Planungsprozesse und Steuerung sowohl vor Ort wie in der Landesregierung (hier wird eine bessere Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Ressorts eingefordert); qualifizierende Entscheidungsabläufe und unbürokratischere Förderwege, die Flexibilität und Freiraum für kreative Köpfe und Experimente zulassen; eine organisatorische wie fachlich-inhaltliche Führung. An alledem, so die Einschätzung vieler engagierter Akteure, kann und muss noch auf allen Ebenen gefeilt werden. Warum ruft das Land nicht die REGIONALE Rheinisches Revier 2033 aus? Ein beispielhaftes, interdisziplinäres Instrument zeitgemäßer Förder- und Strukturpolitik, das die Landesregierung aus den positiven Erfahrungen mit der Internationalen Bauausstellung Emscher Park ableitete und seit 2000 alle zwei bis drei Jahre erfolgreich durchgeführt hat.