L12 am Tagebau Garzweiler : Menschenkette soll die Straße retten, auf der sie stattfindet
Erkelenz Nach den riesigen Lützerath-Protesten gehen Anwohner am Tagebau Garzweiler wieder auf die Straße. Und genau darum geht es auch: eine Straße.
Vier Monate nach den großen Protesten gegen den Abriss von Lützerath formiert sich erneut Widerstand am Tagebau Garzweiler. Diesmal geht es um eine Straße, die die Anwohner von Holzweiler und Keyenberg unbedingt erhalten wollen.
Anwohner rufen für Sonntag, 14. Mai, 11.30 Uhr, zu einer Menschenkette auf der Landesstraße 12 auf, die Startpunkte sind in Holzweiler und Keyenberg. Der Energiekonzern RWE wolle die Straße und sieben Windräder, die zwischen den beiden Orten stehen, ab Juni abreißen, um den Tagebau weiter voranzutreiben. Dafür habe der Konzern den Segen der NRW-Landesregierung, „obwohl erst 2026 entschieden wird, ob die darunter liegenden Kohlemengen überhaupt gebraucht werden“, teilt das kohlekritische Anwohnerbündnis „Alle Dörfer bleiben“ mit.
Die Anwohner befürchten gravierende Folgen für das Klima und eine Verschlechterung ihrer Lebensqualität, wenn die Straße einmal weg ist. Sie werfen RWE und der Landesregierung vor, die aktuelle Tagebauplanung nur an den Profitinteressen des Konzerns auszurichten.
„Wir lassen nicht einfach zu, dass Holzweiler von der Umgebung abgeschnitten wird und zu einer Halbinsel im Tagebau wird. Die L12 ist unsere Lebensader, sie verbindet Dörfer und Menschen“, sagt Gabi Hurtz aus Holzweiler. Die Landstraße verbindet Holzweiler mit dem geretteten Dorf Keyenberg. In Holzweiler haben Anwohner eine permanente Mahnwache für die Landstraße errichtet.
Auch gehen die Anwohner davon aus, dass die Kohlemengen unter der L12 bei einem Kohleausstieg 2030 gar nicht mehr benötigt würden. Heinz Junker aus Holzweiler kritisiert: „Es kann nicht sein, dass mitten in der Energie- und Klimakrise Windräder zerstört werden, um klimaschädliche Braunkohle zu fördern!“
Das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ kritisiert, dass mit dem geplanten Abriss der L12 nun vorzeitig Fakten geschaffen werden sollen. So hat die Landesregierung für den Herbst eine neue Leitentscheidung zur Braunkohle angekündigt, welche auch die Ausgestaltung der verbleibenden Tagebaue regeln soll. „Dabei hat die Regierung die Möglichkeit, die stillgelegte Grube Garzweiler I zu einem Biotop umzufunktionieren, wodurch hunderte Millionen Tonnen Abraum eingespart würden, die ansonsten zur Verfüllung des Loches dienen“, so Alexandra Brüne von „Alle Dörfer bleiben“. Diese sogenannte „Arche-Lösung“ hat ein Planungsbüro im Auftrag der Regierung entworfen. Trotzdem solle bereits ab Juni die L12 abgerissen werden, um genau diese großen Abraum-Mengen zu gewinnen. „Hier wird auf der einen Seite die neue Grube erweitert und wertvolles Ackerland abgebaggert, um auf der anderen Seite die alte Grube zuzuschütten“, sagt Brüne.
Auch der Naturführer und Waldpädagoge Michael Zobel ruft dazu auf, am Sonntag an einem seiner kohlekritischen Dorfspaziergänge und der Menschenkette auf der L12 teilzunehmen. Die Teilnehmer treffen sich dazu jeweils um 11.30 Uhr in Keyenberg und Holzweiler.
Während der Proteste gegen die Räumung von Lützerath war die L12 Schauplatz der Groß-Demonstration, bei der Tausende Teilnehmer den Demonstrationszug verließen, um das Dorf zu stürmen. Die Polizei konnte die Aktivisten erst kurz vor dem abgeriegelten Ort aufhalten. Kurz darauf formierte sich auf der L12 erneut ein Demozug, bei dem auch die weltbekannte Klimaaktivisten und „Fridays for Future“-Initiatorin Greta Thunberg Polizeiketten durchlief und erst an der Tagebaukante mit anderen Aktivisten von der Polizei eingekesselt wurde.
Bereits im Sommer 2021 hatte es eine Menschenkette an ähnlicher Stelle gegeben. Damals verlief sie von Keyenberg in Richtung Lützerath, das mittlerweile abgerissen ist. Die 2500 Teilnehmer forderten, möglichst viel Kohle im Boden zu lassen, um das 1,5-Grad-Ziel nicht zu verfehlen. So argumentiert Zobel auch heute, wenn er kritisiert, dass sich der Tagebau über die L12 hinaus weiter in die Landschaft frisst.