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Erkelenz: Kritik und Proteste beim ersten Spatenstich zur Umsiedlung

Erkelenz : Kritik und Proteste beim ersten Spatenstich zur Umsiedlung

Der Erkelenzer Norden rückt näher an Rath-Anhoven ­heran. Denn Keyenberg, Kuckum, Unterwestrich, Oberwestrich und Berverath werden im Rahmen des Braunkohletagebaus Garzweiler II als die letzten fünf Orte im Rheinischen Revier dorthin umgesiedelt. Beim symbolischen ersten Spatenstich zur Erschließung des neuen Baugebietes gab es am Samstag nicht nur Festtags- und Dankesreden.

Kritische Töne und lautstarker Protest waren im Festzelt und davor zu vernehmen. Schon Bürgermeister Peter Jansen hatte in seiner Rede den Dank an alle Beteiligten in kritische Worte über das Tagebauprojekt gekleidet. Zwar sprach er vom Spatenstich als „Meilenstein im Verfahrensprozess“, wies aber auch auf die Belastungen hin, die den Umsiedlern zugemutet würden.

 Räuber Hotzenplotz vom Kasperle-RWE-Theater: Todde Kemmerich wählte diese Form des Protestes.
Räuber Hotzenplotz vom Kasperle-RWE-Theater: Todde Kemmerich wählte diese Form des Protestes. Foto: Wichlatz

„Trotz der Unwägbarkeiten und des politischen Wirrwarrs haben sich die Menschen in den betroffenen Ortschaften intensiv um die Gestaltung der Gemeinschaft der Orte gekümmert.“ Lange Zeit habe es an klaren Aussagen und Garantiezusagen seitens RWE gemangelt. Erst durch die Vereinbarung zwischen der Stadt und dem Energiekonzern sowie die Festlegung der Garantiezusagen im Braunkohleplan der Landesregierung „kam wieder Ruhe ins Verfahren“, so Jansen.

Las einen Brief von Umsiedlern vor: Hans Josef Dederichs, selbst betroffener Ratsherr der Grünen.
Las einen Brief von Umsiedlern vor: Hans Josef Dederichs, selbst betroffener Ratsherr der Grünen. Foto: Wichlatz

„Umsiedlung ist ein emotional schwieriger Schritt. Nicht unmittelbar Betroffene können die Belastung nur erahnen.“ Laut Bürgermeister besteht bei Wünschen der Umsiedler nach Grundstücksgrößen und -zuschnitten noch Klärungsbedarf.

 Trug sich ins Goldene Buch der Stadt Erkelenz ein: Landesminister Franz-Josef Lersch-Mense.
Trug sich ins Goldene Buch der Stadt Erkelenz ein: Landesminister Franz-Josef Lersch-Mense. Foto: Wichlatz

Auch Hans Josef Dederichs ging auf Klärungsbedarf ein. Der Ratsherr der Grünen ist als Kuckumer selbst von der Umsiedlung betroffen und hatte sich kurzfristig auf die Rednerliste setzen lassen. Im Namen der IG Umsiedlung kündigte er einen von bislang rund 50 Umsiedlern unterzeichneten Brief an, der an alle Beteiligten gehe: von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft über die Bezirksregierung bis hin zu RWE Power und Stadt Erkelenz.

„Den Sonntagsreden über Sorgen, die man ernstnimmt, müssen auch Taten folgen“, sagte er und übte Kritik am Verfahren und an seiner Meinung nach mangelnder Bürgerbeteiligung bei der Erstellung des Bebauungsplans. Auch bei den Versammlungen sei Kritik seitens der Umsiedler nicht beachtet worden. Konkret nannte er die Größe der Umsiedlungsgrundstücke. Gemüseanbau, wie man ihn am alten Standort oftmals praktiziert, sei am neuen Standort mangels Platz nicht möglich.

Um am neuen Standort ein gleich großes Grundstück zu bekommen, müssten die Umsiedler bis zu 40 Prozent mehr bezahlen, als ihr derzeitiges wert sei. Ebenso gehören Pferdehalter, Landwirte und Gewerbetreibende nach Dederichs Auffassung zu den Verlierern der Umsiedlung. Umsiedler kämen sich angesichts von mangelndem Respekt bei der Beteiligung an Entscheidungen über ihre Zukunft „verspottet und verarscht“ vor.

Für seine Ausführungen erhielt er immer wieder Applaus der anwesenden Umsiedler. Der Braunkohleplan sehe vor, dass kein Umsiedler durch die Umsiedlung schlechter gestellt sein dürfe, betonte Dederichs. In der Praxis sehe das anders aus. „Sie haben den Tagebau gewählt und genehmigt“, wandte er sich direkt an den Landesminister und Leiter der Düsseldorfer Staatskanzlei, Franz-Josef Lersch-Mense, der neben dem RWE-Power-Vorstandsvorsitzenden Matthias Hartung in der ersten Reihe saß. „Übernehmen Sie jetzt auch die Verantwortung für die letzten Umsiedler im Rheinischen Revier.“

RWE Power wirbt für Vertrauen

Hartung, der nach Dederichs das Pult betrat, erklärte, dass er Verständnis für die Sorgen der Umsiedler habe und betonte, dass die Regeln und Rahmenbedingungen ebenso wie die Zusagen seitens des Unternehmens eingehalten würden. Er warb für Vertrauen, das wichtig sei in dem sensiblen Prozess der Umsiedlung.

Gemeinsam müsse man nach vorne schauen und sich für den Erhalt der Ortsgemeinschaft einsetzen. Der Minister sagte in Dederichs‘ Richtung, dass 50 von rund 1500 Umsiedler nicht für die Mehrheit sprechen könnten. Die Umsiedler hätten sich mehrheitlich für den Standort entschieden. Er warb auch für die Innovationsregion Rheinisches Revier und für gemeinsame Anstrengungen, aus dem ehemaligen Tagebaurevier eine zukunftsfähige Wirtschaftsregion zu machen.

Für den Bürgerbeirat erklärte dessen Sprecher Fredi Schwartz, dass er von RWE „als Verursacher“ einen respektvollen Umgang mit den Betroffenen erwarte.

(hewi)