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Wiedereröffnet: Jägerhof Ratheim bleibt dem Ort erhalten

Wiedereröffnet : Jägerhof Ratheim bleibt dem Ort erhalten

Den Jägerhof gibt es gleich zweimal, einmal in Ratheim, einmal in Hückelhoven. Dass der Jägerhof in Ratheim bleibt, was er ist, und doch ein bisschen anders wird, dafür sorgen zwei junge, optimistische Menschen, für die Gastronomie völliges Neuland ist.

Den Zapfhahn haben sie gar nicht ausgeschaltet, auch wenn der Zettel im Glaskasten sagt, dass die Gaststätte Jägerhof vorübergehend geschlossen ist. So konnte Ex-Wirt Hermann Nöthlichs immer mal wieder vorbeikommen, sich auf ein kühles Frischgezapftes freuen und schauen, wie weit Theresa und Freddy schon gekommen sind. Frau Dörfler und Herr Afif wird sie wohl niemand von den Stammgästen nennen und das finden sie auch gut so.

Die beiden haben ein kleines Schlafdefizit, denn neben ihren Jobs als Vertriebsleiter (er) und Social-Media-Managerin (sie) haben sie in den vergangenen Monaten jeden Abend stundenlang gebohrt, gehobelt, gestrichen. Und es gibt noch einiges zu tun, bevor sie am Samstag, 16 Uhr, ihre alten und neuen Gäste empfangen wollen: Ein paar Leuchten wollen noch in die Decke eingelassen, Gläser geputzt und herzhafte und süße Kleinigkeiten vorbereitet werden.

Ein bisschen nervös werde sie jetzt schon, erzählt Theresa während sie eine historische Reibe in die Hand nimmt, die noch keinen Platz gefunden hat. Auf der Theke soll sie nicht liegen bleiben. Die leuchtet jetzt Honiggold im Schein neuer Lampen. Das war direkt ihr erstes Projekt. Stundenlang haben sie geschliffen und poliert, damit der alte Tresen erhalten bleiben kann. Schließlich steht er da schon seit 1949. Das hat Frederik nachgelesen, ebenso wie die bewegte Geschichte des Gemäuers, das noch viel älter ist. Mal war es Kneipe, mal Kindergarten.

Theresa Dörfler und Frederik Afif wollen Tradition und Moderne im Jägerhof verbinden.
Theresa Dörfler und Frederik Afif wollen Tradition und Moderne im Jägerhof verbinden. Foto: MHA/Mirja Ibsen

„Wir haben uns viele Gedanken gemacht: Wie viel darf man modernisieren, wie viel darf bleiben“, sagt Theresa. Die Stammgäste sollen ihren Jägerhof wiedererkennen, aber sie wollen auch jüngeres Publikum ansprechen und sie wollen, dass der Hof auch ihre Handschrift trägt. Deshalb ist jetzt sehr viel Weiß da, wo vorher dunkles Teak war, deshalb stehen moderne Stühle neben rustikalen Tischen. Da, wo der Putz von der Wand bröckelte, darf jetzt auch das alte Fachwerk durchscheinen. Es bröckelte so einiges. So ist das, wenn ein Gebäude fast 200 Jahre alt ist. Frederik, der gerne werkelt, hat Licht hinter alte freigelegte Fenster gelegt, damit die besser zur Geltung kommen.

„Früher gab es 30 Kneipen in Ratheim, als es noch die Zeche Sophia-Jacoba gab“, erzählt der künftige Gastronom, „der Jägerhof ist der einzige, der übrig ist“. Da hätten die Menschen im Dorf schon ein bisschen gebangt, als sie hörten, dass der Jägerhof verkauft wird. Sollte diese Kneipe jetzt auch noch verschwinden? Keine Kegelbahn mehr? Kein Ort für Taufen und Hochzeiten? Kein Ort mehr für die Vereine?

Eigentlich suchten auch Theresa und Freddy nur ein Haus zum Wohnen. Wie sehr die Gaststätte aber Teil des Ortes ist, haben die beiden gemerkt, als sie noch vor der Immobilienübergabe einzogen und mit dem ehemaligen Wirtspaar eine Art WG bildeten. „Die Jägerhof-WG haben sie uns genannt. Hermann hat für uns gekocht, als wir von der Arbeit kamen.“ Und es fühlte sich völlig selbstverständlich an, dass sie dann auch hinter der Theke und in der Küche mitgeholfen haben. Ein Probelauf sozusagen, schon mal die Stammgäste und Abläufe kennenlernen, die Luft hinter der Theke und in der Küche schnuppern. 

Den Tag, als sie den Kaufvertrag unterschrieben haben, werden sie nicht so schnell vergessen, nicht nur wegen der großen Herausforderung, nicht nur wegen der großen Skepsis ihrer Familie und Freunde. An dem Tag zog der große Regen über die Region hinweg und lies die kleinen Flüsse über die Ufer treten. Die Rur ist nicht weit weg. „Wir haben gebangt“, sagt Frederik. Gebangt, aber Glück gehabt. Gebäude und Gelände liegen hoch genug. Aber nicht alle in Ratheim hatten Glück und die fanden Unterschlupf in den „Fremdenzimmern“ des Hauses. „Und Hermann brutzelte kurz mal 50 Schnitzel für die Feuerwehr“, erzählt Frederik. Der Jägerhof war Treffpunkt. Das soll auch so bleiben.

Obwohl die beiden gar nicht aus der Gastronomie kommen, haben sie sich trotzdem direkt hinter Tresen und in der Küche wohlgefühlt, wo Theresa Schnitzel klopfte, als es Wirt Hermann nicht so gut ging, der die Kneipe schließlich aus gesundheitlichen Gründen abgeben musste. Nicht nur nicht aus der Gastronomie, die 32-Jährige ist auch noch Vegetarierin. Schnitzel wird es aber neben einem veganen und vegetarischen Angebot und Cappuccino mit Hafermilch auch weiterhin geben, auch eines namens „Hermann“, und zwar mit Jägersauce.

Hermann bleibt dem Hof aber nicht nur als Namensgeber für kulinarische Genüsse erhalten. Als ehemaliger Konditor wird er die Torten backen, die es künftig immer sonntags geben wird. Denn das ist neu: das Kaffee- und Kuchenangebot am Nachmittag, deshalb macht der Jägerhof sonntags auch früher auf, schon um 15 und nicht erst um 17 Uhr, so wie freitags und samstags. Die „netten Damen“ vom alten Team haben die beiden auch übernommen. Gerne würden sie auch eine Teilzeitkraft fest einstellen, „aber es ist schwer, jemanden zu finden“, sagt Frederik. 

Wie es ist, wenn das Dorf immer schon alles über einen weiß, das kennt der 39-Jährige von früher, denn er ist in einem 50-Seelen-Dorf im Bergischen Land eine halbe Autostunde entfernt von Köln aufgewachsen. „Da wussten meine Eltern schon immer vorher, was ich angestellt hatte, bevor ich nach Hause kam.“ Auch Theresa, die lange in Aachen gelebt hat, kennt das Gefühl  dörflicher Nähe, denn auch Horbach, wo sie herkommt, liegt eher ländlich. Sie findet es schön, im Supermarkt gegrüßt zu werden.

Familiär ist es im Jägerhof. Die Skepsis ist gewichen, Freunde und Familie haben sich von der Begeisterung der beiden Junggastronomen anstecken lassen und sogar Theresas Schwester ist mit Mann und Kind ins Haus eingezogen. 

Sie haben viele Pläne. Natürlich soll es weiterhin Taufen und Hochzeiten geben, die Kegelbahn ist renoviert und der große Festsaal soll künftig auch für Yoga-und Kinderkurse genutzt werden und die Gästezimmer sollen noch renoviert werden. So ganz viel Schlaf werden Theresa und Frederik in der nächsten Zeit wohl nicht bekommen.