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Waschbären im Kreis Heinsberg: Jäger oder Schmusebär? „Beides!“, sagt Tierschützerin Elke Cremer

Waschbären im Kreis Heinsberg : Jäger oder Schmusebär? „Beides!“, sagt Tierschützerin Elke Cremer

Waschbären im Selfkant? Natürlich! Die pelzigen Vierbeiner sind in Deutschland und in der Region längst heimisch geworden. Elke Cremer kümmert sich um Tiere, die alleine nicht überlebt hätten.

Akuma hat heute keine Lust. Gemächlich streckt er sich in seiner Wolldecke aus, schnuppert kurz und verkriecht sich dann wieder in sein warmes Eckchen im Außengehege. Waschbären sind eben eigen. Und mit seinen sieben Jahre und dem Status als Alterspräsident der Waschbär-WG kann er sich ein wenig Gemütlichkeit auch gut erlauben. Da kann Elke Cremer mit noch so leckeren Sachen locken, Akuma bleibt lieber liegen und verschmäht sogar seine Lieblingsspeise, den frischen Lachs, den Elke Cremer ihm schon direkt in den Mund legen muss, damit er ihn frisst. Aus seiner Höhle kommt er aber trotzdem nicht raus. Pech gehabt.

„Für die Waschbären hat genau wie für uns die Winterzeit begonnen“, erklärt Elke Cremer, die sich seit rund neun Jahren um die pelzigen Vierbeiner kümmert, wenn sie allein in der Natur nicht mehr zurechtgekommen wären. „Sie machen zwar keinen richtigen Winterschlaf, aber sie werden deutlich ruhiger und träger.“ Das sieht man auch an Akuma, der sich offenbar schon genug Winterspeck angefressen hat. Die gute Pflege von Elke Cremer macht es möglich.

 Elke Cremer und ihr Waschbärgehege im Garten. Ehemann Rolf hat die Anlage gebaut. Gemeinsam kümmern sich die beiden um sechs Waschbären.
Elke Cremer und ihr Waschbärgehege im Garten. Ehemann Rolf hat die Anlage gebaut. Gemeinsam kümmern sich die beiden um sechs Waschbären. Foto: MHA/Simone Thelen

Erst vor sechs Monaten ist Elke Cremer aus Eschweiler in den Selfkant gezogen. „In meinem Mehrfamilienhaus war einfach nicht mehr genug Platz für die Tiere“, erklärt die 58-Jährige. Nun bewohnt sie mit ihrem Mann Rolf ein Einfamilienhaus mit großem Grundstück und riesigem Innen- und Außengehege für ihre insgesamt sechs Waschbären. „Natürlich ist hier alles mit den verschiedenen Ämtern des Kreises Heinsberg abgestimmt und dort auch kontrolliert worden“, erklärt Cremer. Das ist auch wichtig, denn Waschbären zu halten, ist in Deutschland heute aufgrund der vielen Bestimmungen nicht mehr ganz einfach. „Seit ein paar Jahren gelten sie als invasive Art und werden deshalb bejagt. Aber Wachbären sind scheu und werden eigentlich nur unvorsichtig, wenn sie Nachwuchs haben, den sie mit Nahrung versorgen müssen. Werden sie dann auf ihrer Futtersuche von einem Jäger erwischt oder laufen vor ein Auto, sind die Waschbär-Babys sich selbst überlassen und können allein nicht überleben.“

An dieser Stelle springt dann Elke Cremer ein, die all ihre Schützlinge als hilflose Welpen bekommen und dann mit der Flasche aufgezogen hat. „Einen erwachsenen Waschbären könnte man auch nicht in Gefangenschaft nehmen“, erklärt Cremer. „Wenn er das Leben im Freien kennt, würde er im Käfig eingehen. Das ist Tierquälerei.“ Wieder auswildern darf Elke Cremer die Waschbären, wenn sie groß genug geworden sind, übrigens nicht mehr. Das Gesetz verbietet es. Und darum werden die sechs Waschbären Akuma, Yuki, Aponi, Haru, Najuma und Ragnar auch dauerhaft im Gehege von Elke Cremer bleiben und sich dort mit allerhand Leckereien verwöhnen lassen.

Akuma ist träge. Aus seinen Wolldecken lässt er sich selbst mit frischem Lachs nicht herauslocken.
Akuma ist träge. Aus seinen Wolldecken lässt er sich selbst mit frischem Lachs nicht herauslocken. Foto: MHA/Simone Thelen

Ragnar war einst Elke Cremers Sorgenkind. Als er zu ihr kam, war er mehr tot als lebendig, vollkommen kraftlos. „Ich hatte nicht gedacht, dass er es schaffen würde. Ich musste ihn über Tage mit einer Spritze zwangsernähren. Aber er hat gekämpft wie ein Großer, und deshalb hat er von mir einen starken Wikingernamen bekommen.“ Heute sieht man dem jungen Waschbär-Rüden mit glänzendem, buschigem Fell, diese Komplikationen nicht mehr an. Er ist ein munteres Kerlchen, das sich bei Elke Cremer pudelwohl zu fühlen scheint.

Akumas Waschbärfreunde haben sich im Innenbereich ihres Geheges in die Nischen von einigen Holzpaletten gekuschelt. Aber wenn Elke Cremer mit ihren Leckereien kommt, lassen sie sich schnell aus ihren Höhlen locken. Der Speiseplan ist reichhaltig. Neben Hundetrockenfutter werden sie mit Mehlwürmern, frischem Obst, Käse und Nüssen und Eiern verwöhnt. „Jeder mag etwas anderes am liebsten“, erklärt Elke Cremer, die ihre Schützlinge nach Strich und Faden verwöhnt. Auch das Kuscheln darf natürlich nicht zu kurz kommen. Die Waschbären kennen ihre Menschen, lassen sich gerne kraulen und klettern auf Elke Cremers Schulter. „In all den Jahren bin ich nicht ein einziges Mal gebissen worden“, erklärt die Waschbär-Pflegemama. „Natürlich sind Waschbären Wildtiere und in der Regel nicht so zutraulich. Aber da ich sie ja selbst großgezogen habe, sind sie nun so zahm wie ein ganz normales Haustier. Und natürlich sind sie kastriert, komplett geimpft und werden tierärztlich versorgt.“ Bei der guten Pflege können die Waschbären gut und gerne einmal 18 bis 20 Jahre alt werden.

Eine Waffel als Snack? Warum nicht!
Eine Waffel als Snack? Warum nicht! Foto: MHA/Simone Thelen

Als Elke Cremer vor neun Jahren von einer Bekannten erstmals gebeten wurde, einen jungen Waschbären aufzunehmen, war die Haltung noch neu für sie. „Allerdings gab es da auch noch nicht so viele Auflagen. Zum Beispiel konnte ich die ersten Tiere an Wildparks weitervermitteln, wenn sie groß genug waren. Das ist heute leider nicht mehr erlaubt.“ 18 Jahre lang hat Elke Cremer als Verkäuferin gearbeitet, aber nach mehreren Bandscheibenoperationen musste sie ihren Beruf an den Nagel hängen. Die Haltung ihrer Waschbären finanziert sie mit Verkaufsständen auf Flohmärkten sowie eigenen Hoftrödeln und Basaren. Ihr Mann, ihre fünf mittlerweile erwachsenen Kinder und ein Pflegekind sowie ihre sechs Enkelkinder unterstützen Elke Cremer und sind natürlich genauso in die Waschbären vernarrt, wie Elke Cremer selbst. „Mein Mann gibt es zwar nicht zu, und er schimpft auch immer mal wieder mit mir, aber im Grunde tut er doch alles für die Tiere und hat schließlich auch das Gehege gebaut.“ Neben den Waschbären leben übrigens auch noch Hund Aiko und zwei Katzen im Cremerschen Haushalt. Und es kommt auch vor, dass junge Füchse und Eichhörnchen hier zeitweise ein Zuhause finden, die aber wieder ausgewildert werden, nachdem Elke Cremer sie aufgepäppelt hat.

Probleme mit ihren Nachbarn hat Elke Cremer noch nie gehabt. „Als wir hergezogen sind, haben sich alle auf die Waschbären gefreut. Aber sie machen ja auch kaum Lärm und haben keinen Wildgeruch.“ Was sie aber brauchen, ist viel Beschäftigung. Darum lässt sich Elke Cremer auch immer etwas Neues für ihre Pelztiere einfallen. „Mal eine Papprolle mit Leckerchen, mal eine eingefrorene Melone oder auch ein Stofftier können für viel Vergnügen sorgen.“

 Fütterung der zutraulichen Tiere. „Wenn ich hier drin bin, vergesse ich alle Sorgen“, sagt Elke Cremer.
Fütterung der zutraulichen Tiere. „Wenn ich hier drin bin, vergesse ich alle Sorgen“, sagt Elke Cremer. Foto: MHA/Simone Thelen

Die sechs lustigen Gesellen fühlen sich im Selfkant jedenfalls offensichtlich pudelwohl. Sie haben sich sogar mit Hund Aiko und den Katzengeschwistern angefreundet, die sich oft von außen an den Käfig schmiegen und dann durch die Gitterstäbe von den Waschbären gestreichelt und gekrault werden. „Und auch mir tun die Tiere gut“, gibt Elke Cremer zu. „Nach einem anstrengenden Tag, oder wenn ich mal Sorgen habe, gehe ich einfach zu den Waschbären, beobachte sie und kuschle mit ihnen. Da hat man alles andere ganz schnell wieder vergessen und wird doppelt und dreifach für den Aufwand, den man betreiben muss, entschädigt.“