Ortsumgehung Hückelhoven : Jetzt redet die Politik über die L364n
Hückelhoven Die Umgehungsstraße sorgt für einen handfesten Interessenkonflikt. Die Innenstadt würde von der geplanten Straße entlastet. In Doveren fürchtet man mehr Verkehr. Am Dienstag berät der Bau- und Umweltausschuss der Stadt über das Thema.
Es ist ein Thema, das aktuell viele Gemüter erhitzt: Die L364n soll als Ortsumgehung für Hückelhoven vom Durchgangsverkehr schwer gebeutelte Anwohner in der Innenstadt entlasten. Gleichzeitig fürchten Bewohner von Doveren und des Ortsrandes von Hückelhoven, dass die neue Straße ihnen mehr Lärm und Verkehr bescheren und gleichzeitig ein aus ihrer Sicht erhaltenswertes Stück Natur zerstören würde. Das ist die Gemengelage, die für Zündstoff sorgt. Auf Antrag der SPD-Fraktion beschäftigen sich am Dienstag, 18.30 Uhr, zunächst der Bau- und Umweltausschuss und am Mittwoch, 13. Februar, 18.30 Uhr, der Stadtrat mit dem Thema.
Die Politik: In der Hückelhovener Stadtpolitik gab es bislang immer eine klare Mehrheit für die L364n. Daran hält die CDU auch weiterhin fest, weil ihrer Ansicht nach die Vorteile der Ortsumgehung die Nachteile überwiegen. Es gibt jedoch auch in den Reihen der CDU kritische Stimmen, sie kommen vor allem aus Doveren.
Die SPD rückte zuletzt von ihrer Zustimmung für die Straße ab. Zumindest in der jetzigen Form. Kritisch sehen die Genossen etwa, dass geeigneter Lärmschutz fehle. Sie fordern, den Bau zumindest so lange zu stoppen, bis die Weiterführung um Hilfarth gesichert ist. Die Grünen sprechen sich vehement gegen das Straßenbauprojekt aus. Zu hoher Flächenverbrauch und Vernichtung von Natur fallen in diesem Zusammenhang als Schlagworte.
Am Ende wird aber das Votum der CDU entscheidend für die Abstimmung im Rat sein. Die Christdemokraten verfügen dort mit 26 von 44 Ratssitzen über eine komfortable absolute Mehrheit.
Die Stadt: Bürgermeister Bernd Jansen (CDU) hat sich in seiner Neujahrsrede klar für den Bau der L364n ausgesprochen: „Ich halte diese Entlastungsstraße, unabhängig davon, ob das Industriegebiet Lindern kommt oder nicht, für absolut notwendig! Es macht für mich einen gewaltigen Unterschied, ob man direkt an dieser Straße mit 14.000 Fahrzeugen pro Tag wohnt und diese queren muss oder ob diese Straße ohne Stop-and-Go-Verkehr ca. 170 Meter hinter einem Gartenzaun mit geschätzten 7000 Fahrzeugen verläuft! Und ehrlich gesagt, viele Menschen hoffen und warten nunmehr seit mehreren Jahrzehnten auf diese Umgehungsstraße. Wir haben jetzt die große Chance!“
Liest man die Verwaltungsvorlage für den anstehenden Bau- und Umweltausschuss, so kann diese auch als Argumentation für die Straße verstanden werden. Die aktuelle Situation schränke die Lebensqualität von rund 1600 Hückelhovenern und Hilfarthern, die an der stark befahrenen überörtlichen Straße wohnen, sehr ein. In der Vorlage ist die Rede von einer „unerträglichen Situation“. Ob die Umgehungsstraße von der Stadt überhaupt – wie von der SPD gefordert – in ihrer jetzigen Form gestoppt werden könnte, ist äußerst fraglich.
Die Gegner: Die Gegner des Straßenbauprojektes führen als eines ihrer Hauptargumente an, dass das Waldstück am Junkerberg von der Straße „zerschnitten“ werden würde. Es gehe ein attraktives Stück Natur für die Naherholung verloren.
Zudem befürchten sie, dass noch mehr Verkehr aus dem Gewerbegebiet Doveren/Baal durch Doveren rollen würde, um die A46 über die neue Ortsumgehung zu erreichen. Die Doverener sehen sich als Verlierer des Projektes. Sie haben ihre Kritik etwa bei einem „Waldspaziergang“ am Neujahrstag zum Ausdruck gebracht. Am vergangenen Sonntag trafen sich die Gegner erneut zu einem solchen Spaziergang, bei dem sie das Bauvorhaben scharf kritisierten. Im Internet haben sie auch eine Petition (www.openpetition.de/!l364n) gegen die Straße gestartet, die aktuell knapp 2750 Unterstützer hat.
Ein weiteres Argument, das gegen die Straße ins Feld geführt wird: Die Ruhe auf dem Friedhof werde durch die wahrscheinlich laute Umgehungsstraße gestört.
Auch Verantwortliche des Waldkindergartens in Doveren haben das Straßenbauprojekt kritisiert. Sie sehen sich dadurch in ihrer Arbeit eingeschränkt.
Die Befürworter: Die Befürworter der Umgehung stellen in den Vordergrund, dass die L364n besonders die Gladbacher Straße, die Straße Am Markt und die Dinstühlerstraße vom starken Verkehrsaufkommen entlastet. Die Anwohner haben die Nase voll von Lärm, Abgasen, Dreck, Erschütterungen und gefährlichen Situationen. Bislang rollen rund 14.000 Fahrzeuge täglich dort entlang. Die Befürworter der Umgehung gehen davon aus, dass sich diese Zahl mit der Umgehung deutlich reduziert. Das sei auch deshalb wichtig, weil viele Schüler der Grundschule „An der Burg“ und des Gymnasiums dem Autoverkehr auf teils sehr schmalen Bürgersteigen gefährlich nahe kommen.
Die Befürworter der Straße werten den Eingriff in die Natur, der durch die Straße entsteht, als wesentlich weniger gravierend als die Gegner. Diese Auswirkungen seien ausgiebig untersucht und gegen den Nutzen der Straße abgewogen worden.
Und auch in Hilfarth dürften viele Anwohner der Breiten Straße darauf hoffen, dass die L364n kommt. Denn ohne Ortsumgehung Hückelhoven wird es wohl auch keine Umgehung für Hilfarth geben.
Die Justiz: Aktuell läuft noch eine Klage gegen die L364n. Ein Landwirt aus Hückelhoven klagt vor dem Verwaltungsgericht Aachen mit dem Ziel, dass das Gericht feststellt, dass der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Köln bereits außer Kraft getreten ist. Will heißen: Das Gericht soll feststellen, dass die planungsrechtliche Grundlage ungültig ist. Der Landwirt verfügt über einige Grundstücke, die im Trassenverlauf der geplanten Straße liegen.
Mit der Klage hat er den Straßenbau in jedem Fall schon einmal verzögert. Denn der Landesbetrieb Straßen.NRW möchte mit dem Trassenbau vom neuen Kreisverkehr an der Autobahnanschlussstelle Hückelhoven-Ost aus so lange warten, bis über die Klage entschieden ist. Eine mündliche Verhandlung ist für den 27. Februar terminiert.
Die Weiterführung: Zunächst ist die Ortsumgehung Hückelhoven – von der Autobahn bis zur L117 – Voraussetzung dafür, dass eine Ortsumgehung für Hilfarth gebaut werden kann. Sie würde dann von der L117 an Hilfarth vorbeiführen und am Ortsausgang wieder auf die jetzige L364 treffen, die in Richtung Brachelen verläuft. Die Politik beteuert, dass diese Weiterführung schnellstmöglich gebaut werden soll, wenn die Ortsumgehung Hückelhoven fertig ist. Wann das so weit sein könnte und ob es überhaupt so kommt, ist aber noch nicht abschließend entschieden.
Fernziel der Straße ist das Gewerbegebiet Lindern, in dem Großindustrie angesiedelt werden soll. Die dortigen Firmen sollen dann über die verschiedenen Abschnitte der L364n zur Autobahn 46 gelangen.
Lindern ist einer von nur vier Standorten, die im Landesentwicklungsplan für „bedeutende Großvorhaben“ reserviert sind. Diese Standorte sind laut NRW-Staatskanzlei der Ansiedlung von Vorhaben mit besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes vorbehalten. In Lindern gehören 129,5 Hektar der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft NRW.Urban, 23,7 Hektar der Stadt Geilenkirchen.