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Heinsberg: Demo von Corona-Leugnern

„Pilotveranstaltung“ : Protest ohne Maske gegen Schutzmaßnahmen

Etwa 70 sogenannte „Corona-Leugner“ demonstrieren in Heinsberg gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Viele Redner sind dafür extra an den ehemaligen Corona-Hotspot Kreis Heinsberg gereist, um die Symbolkraft des Ortes zu nutzen. Die Jusos organisieren den Gegenprotest.

Auf dem Marktplatz in Heinsberg haben am Samstag rund 70 „Corona-Rebellen“, „Querdenker“ und andere Aktivisten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen demonstriert. An der Ecke Liecker Straße und Hochstraße demonstrierten bei den Jusos rund 15 bis 20 Menschen gegen die „Corona-Leugner“. Die Polizei war, anders als bei einem ähnlichen Demonstrationsgeschehen im Juni, mit weniger Beamten im Einsatz.

Gefährlicher Egoismus

Unter den Gegendemonstranten befand sich auch der Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Heinsberg, der frühere Polizist und ehemalige Bundestagsabgeordnete Norbert Spinrath. Dieser Zeitung sagte er, unter den Demonstranten auf dem Markt seien Verschwörungsideologen, die ihre „wilden Fantasien“ dort „austobten“. Gegenprotest sei erforderlich, weil sich darunter Rechtsextremisten mischten. Dort stelle man die Demokratie in Frage, egoistisch bringe man Mitmenschen in Gefahr, so Spinrath.

"Masken retten leben" steht auf dem Schild, das eine Gegendemonstrantin in Heinsberg in die Höhe hält. Ein Paar Meter weiter demonstrieren Corona-Leugner auf dem Marktplatz gegen die Hygiene-Regeln.
"Masken retten leben" steht auf dem Schild, das eine Gegendemonstrantin in Heinsberg in die Höhe hält. Ein Paar Meter weiter demonstrieren Corona-Leugner auf dem Marktplatz gegen die Hygiene-Regeln. Foto: Michael Klarmann

Torben Seer, Vorstand der Jusos und Organisator des Gegenprotestes, kritisierte gegenüber dieser Zeitung, viele der „Corona-Leugner“ seien angereist, etwa aus Dortmund, Bayern oder Aachen. Den Kreis Heinsberg als ersten Corona-Hotspot Deutschlands nutzte man ohne Rücksicht auf Opfer und Betroffene zwecks „Symbolpolitik“.

Die polizeilichen Absperrmaßnahmen zwischen den beiden Protestlagern waren am Samstag für Passanten und Autofahrer sehr viel weniger einschneidend als Mitte Juni. Zu besonderen Zwischenfällen kam es nicht.

Anmelder der Versammlung gegen die Corona-Schutzmaßnahmen war, ein junger Mann, der früher in der Neonazi-Szene aktiv war, sich inzwischen aus dieser aber gelöst haben will. Dessen ungeachtet vertritt er nach Recherchen dieser Zeitung weiterhin auch rechte und verschwörungsideologische Ansichten.

Als Unterstützer traten Ableger der bundesweiten Initiative „Querdenken“ aus Dortmund, Duisburg, Aachen und dem bayerischen Miltenberg auf. Unter den rund 70 Teilnehmern und einigen Zaungästen waren Personen aus dem linksalternativen Spektrum, besorgte Eltern, Esoteriker, Anhänger von Verschwörungserzählungen, Impf- und Pharmazie-Gegner, „Reichsbürger“ sowie Personen aus dem rechten Spektrum.

Mehrere der Redner waren angereist. Etwa ein Bundespolizist aus dem Raum Köln gegen den nach eigenen Angaben ein Disziplinarverfahren läuft, weil ihn Kollegen privat ohne Maske in einem Bahnhof angetroffen hätten und die Sache dann zwischen ihm und den Kollegen eskaliert sei. Eine freiberufliche Fachärztin für Arbeitsmedizin aus Duisburg sagte, positive Corona-Testergebnisse hätten derzeit nur mit der hohen Fehlerquote des Tests zu tun.

Aus Ulm angereist war ein Kommunikationstrainer, der nun auch als „Querdenker“, PR-Profi und Redner gegen die Schutzmaßnahmen aktiv ist.

Manche Teilnehmer kritisierten auf Plakaten, dass das Grundgesetz durch die Regierung „ausgehebelt“ worden sei. Demgegenüber behaupteten „Reichsbürger“ auf einem Transparent, dass die Bundesrepublik gar kein Staat, sondern eine „BRiD-Firma“ („Bundesrepublik in Deutschland-Firma“) sei. Dieser Denkweise nach hätte das Grundgesetz, das andere Mitstreiter doch verteidigen wollten, rechtlich weder Bestand noch Grundlage. Weniger gegensätzlich waren die Meinungen bei der vehementen Ablehnung von Mund-Nasen-Masken, selbst bei zwei Teilnehmerinnen, die nach Recherchen dieser Zeitung in der Altenpflege und Krankenbetreuung tätig sind.

Von den Organisatoren war der Protest als „Pilotveranstaltung“ deklariert worden. Mit Spontanaktionen, Versammlungen und erneut anreisenden Unterstützern will man weiter aktiv bleiben. Dass Landrat Stephan Pusch (CDU) bei den Kommunalwahlen auch wegen seines Krisenmanagements mit fast 80 Prozent sowie über 90.000 Stimmen der Wähler im Amt bestätigt wurde, stört die Gegner der Schutzmaßnahmen nicht bei ihrer „Symbolpolitik“, wie Juso-Chef Seer sie nennt.