Landwirtschaftskammer : Gülle aus Holland auf der Durchreise
Kreis Heinsberg Der Kreis Heinsberg hat die größte Importrate des Stickstoffhaltigen Naturdüngers aus der Tierhaltung in ganz NRW. Immer wieder sieht man Tankwagen aus den Niederlanden im Kreisgebiet, aber kaum etwas der Gülle landet auf dem eigenen Acker.
Die Protestaktionen laufen quer durch die Republik, die Bauern Sturm gegen das neue Agrarpaket der Bundesregierung, das ihre Lage massiv verschlechtere. Ein Teilaspekt ist die neue Düngeverordnung.
Nur noch 170 Kilogramm organischen Stickstoff pro Hektar und Jahr dürfen die Landwirte demnach auf ihre Felder ausbringen. Die Folge: Die Gülle legt oftmals immer größere Strecken zurück und kostet den Landwirt immer mehr Geld.
Je nachdem, wo die Abnehmer sitzen und was sie dafür verlangen, die Gülle aufzunehmen, zahlen Bauern inzwischen bis zu 18 Euro pro Kubikmeter. Dr. Christian Hoffmann, Leiter der Bezirksstelle Viersen für Agrarstruktur Düsseldorf/Ruhrgebiet der Landwirtschaftskammer, die auch für den Kreis Heinsberg zuständig ist, beleuchtete in diesem Zusammenhang auf Einladung der Stadt Heinsberg die Situation im Kreis – mit einem überraschenden Ergebnis.
Im Kreis Heinsberg wird weniger Gülle aufgebracht als erlaubt ist, und das trotz der Tatsache, dass der Kreis in Nordrhein-Westfalen sogar die höchste Importrate an Gülle aus den Niederlanden aufweist. Von etwa 2,8 Millionen Kilogramm sei die Rede, so Hoffmann.
Aufgebracht auf die heimischen Felder wurden bei der letzten statistischen Messung im Jahr 2016 allerdings nur 121,5 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. Das bedeutete sogar einen Rückgang gegenüber 2013 um 15,1 Kilogramm. In einem Kubikmeter Gülle sind etwa vier Kilogramm Stickstoff enthalten.
Aufgrund eines Fragenkatalogs der Heinsberger Grünen befasste sich Hoffmann nun im Rat der Stadt zunächst mit der erlaubten und praktizierten Technik, mit der die Gülle in den Boden gebracht werden darf.
Das traditionelle Bild der sogenannten Breitverteiler, bei der die Gülle im hohen Bogen breitflächig auf dem Boden und gegebenenfalls den Pflanzen verteilt wird, gehört dabei bald der Vergangenheit an. Diese Technik sei vergleichsweise preiswert, habe aber Nachteile, weil dabei sehr viel Geruch entstehe und Düngestoffe verloren gingen, erläuterte Hoffmann. Aufgrund der Nachteile läuft diese Technik aus: Ab dem 1. Februar 2020 darf sie nicht mehr auf bestelltem Ackerland, ab 1. Februar 2025 auch nicht mehr auf Grünland eingesetzt werden.
Auf unbestelltem Ackerland kann sie zwar weiterhin zum Einsatz kommen, es muss aber eine Einarbeitung des Düngers innerhalb von maximal vier Stunden erfolgen. Bei Schleppschläuchen hingegen wird die Gülle streifenförmig nah an die Pflanzenwurzel gebracht.
Bei Schleppschuhen werden mit Federstäben der Schlauch und die Kufen auf den Boden gedrückt und das Gras geteilt. Im Schlitzverfahren schneidet eine Scheibe den Boden auf und drückt ihn v-förmig auseinander. In den Schlitz wird die Gülle dann zwischen 1 bis 5 cm tief eingebracht. Zu guter Letzt wären da noch die Gülleinjektoren, die im Ackerbau eingesetzt würden.
Da die Gülle direkt in den Boden eingearbeitet wird, entfällt ein Arbeitsgang. Die erforderlichen Maschinen sind allerdings massiv gebaut und teuer. In der Regel bleibt diese effiziente Technik Lohnunternehmen vorbehalten. „In den letzten zwei Jahren bringen immer mehr Lohnunternehmer die Gülle aus, weil die Maschinen für den Landwirt zu teuer sind“, ergänzte Hoffmann.
Ein Fragenkomplex, der nicht nur die Grünen besonders beschäftigte: Ist Gülle, die aus dem Ausland eingeführt wird, anzumelden und wird die Menge lückenlos registriert? Falls ja, von welcher Institution? Natürlich spielte dies auf die immer wieder in der Region zu beobachtenden Gülletransporter aus den Niederlanden an.
„Die niederländische Gülle ist natürlich allen ein Dorn im Auge“, meinte Hoffmann. Es bestehe immer der Verdacht, dass es bei einigen Landwirten nicht nur darum gehe, den eigenen Düngebedarf zu decken, sondern zudem „noch einige Euro mitzunehmen“, weiß der Landwirtschaftsexperte.
Offiziell jedoch müsse alle Gülle, die aus Holland oder von einem anderen Betrieb stamme, in Deutschland in eine Meldedatenbank eingetragen werden. Was abgegeben werde ebenso wie das, was aufgenommen werde. „Deshalb kann man sagen, dass in Deutschland das System dicht ist,“ sagte Hoffmann.
„Das gilt aber nicht für die Niederländer, die sich als Abgeber nicht in eine deutsche Meldedatenbank eintragen müssen.“ Untersuchungen hätten ergeben, dass von 1300 angegebenen Empfänger-Adressen ein Drittel fehlerhaft gewesen sei. Da kam es dann auch schon einmal zu Kuriositäten, wobei eine Eisdiele mal eben zum Gülleverwerter deklariert wurde.
Niederländische Gülle-Abgeber melden geplante Exporte nach NRW laut Hoffmann im „Digitalen Dossier“ der Niederlande. Güllemengen, die aus dem Ausland und anderen Bundesländern nach NRW importiert würden, seien von aufnehmenden deutschen Landwirten beim Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragtem (DLWK) zu melden.
Anhand der Abgabemeldungen im „Digitalen Dossier“ sowie der GPS-Abladepunkte würden dann stichprobenartig Prüfungen durchgeführt, ob diese Mengen ordnungsgemäß ausgebracht wurden. Bei Importen aus anderen Ländern besteht diese Möglichkeit nicht, da dort keine Abgabemeldungen, auf die der DLWK Zugriff hat, erfolgen.
Zur Einhaltung der Vorschriften des Düngerrechts prüft laut Hoffmann die Landwirtschaftskammer jährlich 2500 bis 3000 Betriebe nach Aktenlage und 1200 bis 1300 vor Ort. Zudem würden etwa 600 Betriebe nach Cross Compliance geprüft. Bei diesen Prüfungen wird der Gesamtbetrieb geprüft, jedoch nicht die Aktivitäten auf den Einzelflächen. „Statistisch gesehen wird jeder Betrieb etwa alle zehn Jahre geprüft. Allerdings werden auffällige Betriebe öfter kontrolliert und demzufolge unauffällige weniger oft. Anzeigen von anderen Behörden und Bürgern werden zeitnah verfolgt.“
Wird ein Verstoß nachgewiesen, kann es für den Landwirt ganz schön teuer werden, wie Hoffmann darlegte. „Verstöße gegen die Vorschriften des Düngerrechts werden durch den DLWK mit Bußgeldbescheiden geahndet. Die Bußgeldhöhen liegen zwischen 50 und 50.000 Euro, im Falle von Gewinnabschöpfungen auch deutlich höher.“ Im Falle eines Wirtschaftsdüngervermittlers sprach Hoffmann von einer Million Euro, die er zu berappen hatte. Neben den Bußgeldern würden den Landwirten auch die EU-Prämien gekürzt.