Chance für Langzeitarbeitslose : Förderung bringt im Kreis Heinsberg fast 300 Menschen in neue Jobs
Kreis Heinsberg Die Gründe sind vielschichtig, warum Menschen über Jahre in der Arbeitslosigkeit verharren. Dem Jobcenter Kreis Heinsberg gelang es, in den letzten drei Jahren 298 von ihnen eine neue Perspektive zu vermitteln.
Für Karl-Leo Speen, Inhaber und Geschäftsführer eines Erkelenzer Maler- und Glasermeisterbetriebs mit vier Gesellen und Astrid Kaminski, Teamleiterin beim Jobcenter Kreis Heinsberg, war die Zusammenarbeit der letzten beiden Jahre nach eigenem Bekunden ein voller Erfolg. Speen hat vor zwei Jahren Andreas D. (Name von der Redaktion geändert) eingestellt, der zu diesem Zeitpunkt über zwei Jahre arbeitslos war. Der Bewerber, den er am 1. März dieses Jahres auf eigene Rechnung in eine Vollzeitbeschäftigung übernommen hat, war zuvor zwei Jahre in einem vom Jobcenter geförderten Beschäftigungsverhältnis bei Speen angestellt. Das sogenannte Teilhabechancengesetz machte dies möglich und hatte sich ausgezahlt.
„Er hatte zwar eine abgeschlossene Ausbildung zum Maler und Lackierer, aber danach eine lange Zeit der Arbeitslosigkeit und einen häufigen Wechsel von Arbeitgebern“, sagt Speen. „Ohne die Förderung durch das Jobcenter hatte der Bewerber – bedingt durch seinen Lebenslauf – schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, erklärt Kaminski.
Die Gründe, die zu einer Langzeitarbeitslosigkeit führen könnten, seien vielschichtig, weiß Tina Pascai, verantwortlich für die Pressearbeit des Jobcenters. „Man muss jeden Einzelfall betrachten. Was oft dahintersteckt, ist eine fehlende Qualifizierung. Meist werden ausgebildete Fachkräfte gesucht.“
Der Markt gebe einfach nicht mehr so viele Stellen her wie früher. Doch das sei nicht der alleinige Grund, warum es einigen Menschen so schwerfalle, nach einem Jobverlust wieder Anschluss an den Arbeitsmarkt zu finden. „Dazu kommen noch persönliche Hemmnisse wie gesundheitliche Einschränkungen oder familiäre Probleme.“ Wenn zum Beispiel die Betreuung der Kinder sichergestellt werden müsse, sei dies nicht immer so einfach. „Es gibt auch Personen, die wir zuerst mit einer Schuldnerberatung zusammenbringen müssen.“
Der Kontakt zwischen Speen und dem neuen Mitarbeiter kam über einen persönlichen Ansprechpartner im Jobcenter zustande. „Dadurch, dass wir eine Vorauswahl treffen, kommt unsere Initiative sehr gut an. Wir haben viele Unternehmen, die an der attraktiven Förderung interessiert sind.“ Dann nähme man auch schon mal gerne in Kauf, dass die Einarbeitung des neuen Mitarbeiters vielleicht ein wenig länger dauere, sagt Pascai. Neben dem Handwerk wurden schon Langzeitarbeitslose im Bereich Pflege oder im Einzelhandel untergebracht. „Wir haben zudem einen kleinen Teil an öffentlichen Arbeitgebern, den wir gerne noch erweitern möchten.“
Durch das Teilhabechancengesetz sind zwei neue Förderungen im Sozialgesetzbuch entstanden: „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ und „Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, sollen wieder eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt erhalten, indem ihre Beschäftigungsfähigkeit durch intensive Betreuung, individuelle Beratung und wirksame Förderung verbessert wird.
Die Idee der Förderung stützt sich auf zwei Säulen: zum einen wird das Beschäftigungsverhältniss durch einen Lohnkostenzuschuss unterstützt und zum anderen wird dem Arbeitgeber und seinem neuen Mitarbeiter ein Jobcoach zur Seite gestellt. „Dieser leistet gezielte und bedürfnisorientierte Unterstützung“, erklärt Kaminski. „So können wir den Zielgruppen individuelle neue Perspektiven eröffnen.“
Zunächst absolvierte Andreas D. eine zweiwöchige Probearbeit in dem Maler- und Glaserbetrieb. „Man konnte in der Probearbeit erkennen, dass viel Potenzial bei Herrn D. da war, aber es fehlte etwas. Er war zu diesem Zeitpunkt kein vollwertiger Geselle“, berichtet Speen. Das Jobcenter unterbreitete Speen daraufhin das Angebot, die Beschäftigung über zwei Jahre zu fördern. In den ersten zwölf Monaten sollte Speen 75 Prozent Lohnkostenzuschuss erhalten, in den nächsten zwölf Monaten 50 Prozent.
Ein Jobcoach würde über die gesamte Dauer Ansprechpartner bei Fragen und Schwierigkeiten sein. „Ich habe nicht lange überlegt, weil der Mann motiviert und fähig erschien. Dass er zuvor so lange arbeitslos war, hat mich zwar schon stutzig gemacht, aber diese Zweifel wurden durch den finanziellen Anreiz ausgeräumt. Ich ging ja kein großes unternehmerisches Risiko ein“, so Speen.
„Je länger man arbeitslos ist“, sagt Pascai, „desto schwerer fallen einem tägliche Routinen. Da hilft der Jobcoach auch.“ Nach einem halben Jahr Probezeit war für Speen klar, dass er Andreas D. weiterhin beschäftigen würde. Ein Knackpunkt war allerdings der fehlende Führerschein. Hier konnte der Jobcoach ebenfalls Abhilfe schaffen.
Der Führerschein für den jungen Mann wurde kurzerhand gefördert. „Genau dafür ist der Jobcoach da: Er soll frühzeitig Probleme innerhalb des Arbeitsverhältnisses erkennen und bestenfalls aus dem Weg räumen. Besonders wichtig ist dabei, dass sowohl der Arbeitgeber als auch sein neuer Mitarbeiter ein Vertrauensverhältnis zum Jobcoach aufbauen und keine Scheu haben, diesen direkt anzusprechen“, erläutert Kaminski.
Der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit sei ein erklärtes geschäftspolitisches Ziel des Jobcenters Kreis Heinsberg, unterstreicht Geschäftsführer Christian Trox. „Nicht in allen Fällen hat der Übergang in ein ungefördertes Beschäftigungsverhältnis so gut funktioniert wie bei der Firma Speen, aber die Instrumente des Teilhabechancengesetzes sind überaus wirksam zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit.
Langzeitarbeitslose werden nicht vom Staat vergessen, weil sie dem Arbeitsmarkt ferner sind als andere. Aber sie benötigen oftmals eine intensivere Unterstützung auf Bewerberseite und einen finanziellen Anreiz auf der Arbeitgeberseite.“ Im Fall von Karl-Leo Speen und Andreas D. war dies ein voller Erfolg.