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Medizinbrücke: Erkelenzer baut eine Brücke in ukrainische Krankenhäuser

Medizinbrücke : Erkelenzer baut eine Brücke in ukrainische Krankenhäuser

Stefan Krojer aus Erkelenz arbeitet an einer Plattform, die sicherstellen soll, dass medizinische Hilfsgüter für die Ukraine dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Wie das funktioniert. Und was ihn antreibt.

In dem Hof in Hetzerath stehen Tische voller Lebensmitteln, die für ukrainische Flüchtlinge im Dorf gedacht sind. Etwas weiter hinten in der Ferienwohnung ist eine fünfköpfige Familie aus dem Land untergekommen, das sich aktuell dem schrecklichen Angriff der russischen Truppen ausgesetzt sieht. Stefan Krojer steht dort im Hof, der der Familie seiner Frau gehört, und redet darüber, wie er hilft. Aber Krojer geht es nicht nur um die Menschen, die in ihrer Not nach Deutschland gekommen sind. Er will etwas für die Menschen tun, die in der Ukraine sind und dort auf medizinische Versorgung angewiesen sind.

Krojer hat dafür schon rasch nach Ausbruch des Krieges die Initiative „Help for Health“ gegründet, die Medizinprodukte von der chirurgischen Schere bis zum Ultraschallgerät in die Ukraine vermittelte. Jetzt hat er die Initiative gemeinsam mit dem Berliner Arzt Dr. Henning Thole und einigen weiteren Partnern professionalisiert. Ihre Non-Profit-Medizinbrücke (Medical Bridge) soll dafür sorgen, dass gespendete medizinische Produkte in der Ukraine genau dort ankommen, wo sie gebraucht werden.

Bei Kriegsausbruch saß Krojer – wie viele andere Menschen auch – fassungslos und ohnmächtig vor dem Fernseher. Aber er verharrte nicht in dieser Haltung, sondern ergriff die Initiative. Als Gründer des Unternehmens Zukunft Krankenhaus-Einkauf und mit 22 Jahren Erfahrung in der Gesundheitsbranche bringt er vieles mit, was man für diese Aufgabe braucht. Zum Beispiel Fachwissen und gute Kontakte. Und Krojer fragte sich, wie er sich einbringen kann, um einen Mehrwert zu erzeugen. Er baut gern Dinge auf, er nennt das eine „Start-up-Affinität“. Und er arbeitet gerne an digitalen Lösungen. Also machte er sich ans Werk.

Über die Internetplattform der Medical Bridge (MedicalBridge.eu) können Krankenhäuser in der Ukraine nun bestellen, was sie brauchen. Das sind medizinische Produkte, die in Kriegsgebieten unerlässlich sind. Zum Beispiel das blutstoppende Celox, das bei schweren Verletzungen eingesetzt wird, zum Beispiel Schusswunden. Auch Material, mit dem man zum Beispiel ein verletztes Bein abschnüren kann, damit der Patient nicht verblutet. Rar in ukrainischen Kliniken sind zudem medizinische Näh-Sets, Verbandsmaterial und chirurgische Scheren. Vieles davon wird benötigt, um Kriegsverletzungen zu behandeln. Es fehlt aber auch an Medikamenten für Diabetiker, Epileptiker oder Krebspatienten, die teils personalisierte Medikamente benötigen.

Mit seiner Plattform Medical Bridge will Stefan Krojer aus Erkelenz medizinische Hilfsgüter passgenau an Krankenhäuser in der Ukraine liefern. Einige der Medizinprodukte lagert er bereits in Hetzerath.
Mit seiner Plattform Medical Bridge will Stefan Krojer aus Erkelenz medizinische Hilfsgüter passgenau an Krankenhäuser in der Ukraine liefern. Einige der Medizinprodukte lagert er bereits in Hetzerath. Foto: MHA/Daniel Gerhards

Nun gibt es ja schon eine Vielzahl von Hilfsorganisationen, die Lkw-Ladungen und Bahn-Container voller Hilfsgüter in die Ukraine schicken. Für Krojer bleibt dabei aber ein Problem bestehen. Vieles davon werde schon im westukrainischen Lemberg (Lwiw) abgefischt und gelange nicht zu den Krankenhäusern weiter östlich. Die Plattform soll nun in Echtzeit zeigen, welches Krankenhaus was braucht. Und damit die Güter nicht in falsche Hände geraten, gibt es bei der Medizinbrücke einen Verifizierungsprozess. Die Krankenhäuser müssen nachweisen, dass sie tatsächlich Krankenhäuser sind und dass sie sich noch nicht in russischer Hand befinden.

Dieser Verifizierungsprozess gepaart mit den passgenauen Bestellmöglichkeiten für die ukrainischen Mediziner gibt der Initiative eine besonders hohe Qualität. Dadurch nimmt das Projekt aber auch weniger schnell Fahrt auf als ohne diesen Extraschritt. Vor Ostern hatten sich bereits 15 bis 20 Krankenhäuser und Arztpraxen auf deutscher Seite angemeldet, die mit Spenden helfen wollen. Auf ukrainischer Seite hatten erst zwei Krankenhäuser den Verifizierungsprozess durchlaufen. Es gebe aber bereits rund 50 ukrainische Kliniken, die ein Interesse bekundet hätten, sagt Krojer. „In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob sich das durchsetzt“, sagt er.

Sollte der Krieg in der Ukraine doch schnell enden, dann ist das Projekt Medical Bridge aber noch nicht am Ende. „Wir sind überzeugt, dass die Plattform auch nach dem Krieg beim Wiederaufbau sowie bei anderen Katastrophenfällen wichtig bleiben wird“, sagt Krojer. Denn er habe festgestellt, dass 70 Prozent der medizinischen Geräte in ukrainischen Krankenhäusern schon vor dem Krieg gebraucht angeschafft worden waren.

Beim Wiederaufbau könne die Medical Bridge gebrauchte Geräte aus deutschen Krankenhäusern günstig in die Ukraine vermitteln. Auch medizinische Produkte, die kurz vor dem Ablauf stehen oder schon abgelaufen sind, aber noch in Umlauf gebracht werden dürfen, könnten in die Ukraine oder in andere Kriegs- und Krisengebiete geliefert werden. „Wir haben in Deutschland mehr als 1900 Krankenhäuser. Dort liegt noch ein riesiger Schatz“, sagt Krojer.