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„Wir sind eine sichere Quelle“: Die Polizei sagt nicht alles, was sie weiß – aus gutem Grund

„Wir sind eine sichere Quelle“ : Die Polizei sagt nicht alles, was sie weiß – aus gutem Grund

Das Presseteam der Heinsberger Polizei weiß, wie die Möwen am Lago Laprello starben, sagt es aber nicht. Die Gründe für das Schweigen sind vielfältig. Öffentlichkeitsarbeit für eine ermittelnde Behörde ist kompliziert.

„Ping.“ Exakt 13 Uhr und eine Minute. Keine Minute früher, keine Minute später. Zeitgleich ploppt in den digitalen Postfächern aller Redaktionen von Zeitungen, Radio, Fernsehen im Kreis Heinsberg auf: „Sehr geehrte Damen und Herren! In der Anlage finden Sie den Polizeibericht vom heutigen Tage.“ Die Polizei informiert. Das ist ihre Aufgabe. Neben vielen anderen. Sie schützt, sie beugt vor, sie bewacht, sie regelt – und sie berichtet.

„Es geht darum, die Menschen für Gefahren zu sensibilisieren“, erklärt Polizeihauptkommissar Frank Linkens, der seit 2021 Teil des Presseteams im Kreis Heinsberg ist. Einbrüche in der Nachbarschaft, Diebstähle von Autos, verbrecherische Maschen: „Es ist erschreckend, dass die Betrüger immer noch so viele Menschen erreichen“, sagt Linkens. Sobald die eine Methode publik gemacht wurde, denken sich die Betrüger eine neue aus. Es ist ein Wettrennen der Informationen.

Derzeit sind wieder falsche Telekom-Mitarbeiter unterwegs, die angeblich Fernsehkabel überprüfen und stattdessen Schmuck entwenden. Auch die Masche, älteren Menschen eine SMS mit einer angeblichen neuen Telefonnummer des Kindes zu schicken und danach über Messenger hohe Geldsummen zu verlangen, funktioniert immer noch bedauerlich gut, wie Linkens sagt. Dabei verlieren die Menschen oft ihr lebenslang angespartes Geld.

„Speichern Sie nur neue Nummern ab, die Sie persönlich von jemandem erhalten oder vergewissern Sie sich mit einem Anruf über die bekannten Nummern, ob es sich wirklich um die Person handelt“, rät Angelika Jansen. Die Polizeihauptkommissarin leitet die Pressestelle der Polizei des Kreises Heinsberg seit zwei Jahren. Das Thema liegt ihr am Herzen. „Wir arbeiten eng mit den Ermittlern zusammen“, sagt sie. Sobald eine neue Methode bekannt wird, überlegen sie gemeinsam, was veröffentlicht werden soll und vor allem wie. Das sei oft ein Balanceakt. Die Persönlichkeitsrechte der Opfer sollen unter allen Umständen geschützt werden.

„Wir müssen es so formulieren, dass die Person, die geschädigt wurde, nicht ein zweites Mal zum Opfer wird“, sagt Linkens. Die betroffenen Menschen sollen im Polizeibericht nicht zu erkennen sein. Deshalb wird eine „71-Jährige in Heinsberg“ um ihren Schmuck gebracht und nicht Lieselotte Müller in der Knickbruchstraße 10. Es geht um den Betrug und die Masche, nicht um die Person. „Hier kennt jeder jeden“, sagt Jansen. Da müsse eine Polizeipressestelle auf dem Land manchmal etwas sensibler formulieren, als eine Pressestelle in der Stadt.

Und es gibt noch mehr Gründe, warum die Polizei nicht alles sagt, was sie weiß. Bei Schlägereien oder Beziehungstaten zum Beispiel ermittelt die Polizei, aber sie berichtet nicht. Auch wenn zwei Nachbarn sich streiten und dabei die Fäuste fliegen, steht das nicht im täglichen Bericht. Es gehe schließlich nicht darum, die Neugier der Menschen zu befriedigen, sagt Jansen: „Seriösität ist das Stichwort.“ Oft kennen sich die Gruppen, die sich gegenseitig verletzen. Der Angriff sei nicht willkürlich und die Bürger und Bürgerinnen müssten deshalb auch nicht vor den Tätern gewarnt werden.

Wenn etwas im Kreis Heinsberg passiert, das die Polizei interessiert, dann wissen die Pressekollegen Bescheid. Der Draht zu den Kollegen im Außendienst ist kurz, denn Jansen und Linkens waren selbst jahrelang im ermittelnden Polizeidienst aktiv und haben viele Kontakte. Nicht ganz so viele Kontakte und auch keine Polizeiausbildung, aber dafür um so mehr Erfahrung mit den sozialen Medien sowie im Bereich Video, Fotografie und Gestaltung hat Isabelle Hilgers, sie kümmert sich vor allem um die Auftritte bei Facebook, Twitter und Co und die Öffentlichkeitsarbeit.

Jansen, Linkens, Hilgers, damit ist das Team der Polizeipressestelle in Heinsberg komplett: klein, aber informiert – nur wenn es um Mord geht, dann muss das Heinsberger Team passen. Nicht weil es nichts sagen will, sondern, weil es nicht in die Ermittlungen involviert ist. „Sobald klar ist, dass es sich nicht um einen natürlichen Tod handelt, geht die Pressehoheit zum Presseteam nach Aachen oder zur zuständigen Staatsanwaltschaft“, erklärt Jansen. Denn die Kollegen der Mordkommission sitzen in Aachen und das Presseteam dort ist um einiges größer.

Auch wenn die persönliche Neugier manchmal groß ist, „ich weiß lieber nichts, worüber ich nicht berichten darf“, sagt Jansen. Informationen zum gewaltsamen Tod des 83-jährigen Rentners in Erkelenz, der an der Straße Am Schneller tot in seiner Wohnung gefunden wurde, hat sie deshalb nicht, obwohl der Tatort in ihrem Revier liegt. Sonst weiß sie aber immer genau, worüber sie spricht. Wenn die Polizeihauptkommissarin eine Nachricht rausgibt, dann hat sie sie zuvor ausführlich recherchiert. Sie fragt lieber zweimal, ob der Fahrer des Unfallwagens von links oder von rechts kam. Das ist wichtig. Was die Polizei sagt, muss stimmen. „Wir sind eine sichere Quelle“, sagt Angela Jansen.

Aber die Polizei sagt eben nicht alles. Wie die Möwen am Lago Laprello getötet wurden? Das weiß die Polizei – und der oder die Täter wissen es auch. Das ist dann ein Schweigen aus „ermittlungstaktischen Gründen“. Die Ermittler können Aussagen von potentiellen Zeugen nur dann richtig beurteilen, wenn sie nicht schon jedes Detail publik gemacht haben. Und Zeugen werden oft dringend gesucht, um bei den Ermittlungen weiterzukommen. Hat jemanden einen Jugendlichen Motorrollerfahrer beobachtet, der rücksichtlos in Hückelhoven unterwegs war, Autofahrern in den Weg fuhr und mit Steinen warf, als er zur Rede gestellt wurde? Die Kreispolizeibehörde nimmt Hinweise entgegen. Hat jemand gesehen, wer die 200 Pflastersteine von dem städtischen Spielplatz in Wildenrath wegschleppte oder wie aus einem Bagger in Geilenkirchen an der Heinsberger Straße Diesel abgezapft wurde? Ein Anruf bei der Polizei wäre hilfreich.

Die vermisste junge Frau aus einem Dorf bei Geilenkirchen meldete sich nach der Suchmeldung der Polizei selbst wieder zurück. Ein gutes Beispiel dafür, wie das Zusammenspiel von Polizei und Medien funktionieren kann.

Es geht aber nicht nur um Zusammenarbeit. Die Pressearbeit der Polizei ist gesetzlich vorgeschrieben, denn die Pressefreiheit ist im Grundgesetz als eine wichtige Säule des demokratischen Staates verankert. Jeder Mensch hat ein Recht auf freie Meinungs- und Willensbildung. Die Behörden müssen transparent arbeiten, deshalb schreibt das Landespressegesetz vor, dass jede Behörde eine Pressestelle haben muss. Dieses Müssen macht aber auch Spaß, sagt Angela Jansen. „Es ist so wie immer bei der Polizei, jeder Tag ist anders.“

Täglich von 7.30 Uhr bis 16 Uhr sind die Kollegen an der Carl-Severing-Straße 1 in Heinsberg im Dienst, manchmal gibt es Außeneinsätze etwa bei Demonstrationen wie in Lützerath, bei großen Unfällen, wenn Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden oder bei Geldautomatensprengungen, dann informieren die Kollegen zeitnah, und zwar alle Medien gleichzeitig, niemand soll bevorzugt werden. Und wenn nichts Außergewöhnliches passiert? Dann wird trotzdem informiert. 13.01 Uhr. Ping! „Ihr Posteingang enthält neue Nachrichten.“