Fotos vom Tagebaurand : Die Hoffnung auf den „Hambi“-Moment
Erkelenz-Keyenberg Die Fotografin Jordis Antonia Schlösser zeigt bewegende Fotos vom Tagebaurand. Die Wanderausstellung kommt in mehr als 20 deutsche Städte. Beim Start in Keyenberg erklärt Schlösser, welche Botschaft sie mit den Bildern verbindet.
Jordis Antonia Schlösser hofft für die Erkelenzer Dörfer am Tagebaurand auf einen zweiten „Hambi“-Moment. Sie hofft, dass die Dörfer zu einem ebenso großen Symbol der Klimaschutzbewegung werden. Sie hofft, dass die Dörfer doch noch bleiben. „Darum stehen wir hier. Sonst könnte ich die Bilder auch in einem Museum zeigen“, sagt Schlösser. Sie ist eine renommierte Fotografin und zeigt in Keyenberg und mehr als 20 deutschen Städten ihre Werke unter dem Titel „Der Abgrund, der mal Heimat war“.
Es sind Bilder, die Zerstörung zeigen, die Sehnsucht, Hoffnung und Verzweiflung spiegeln. Schlösser hat Schwarz-Weiß-Fotografien aus Umsiedlerdörfern im Rheinischen Revier, die sie im Jahr 2002 aufgenommen hat, aktuellen Farbfotos von Tagebau und nahen Orten gegenübergestellt. Schlösser beobachtet das Rheinische Braunkohlerevier schon seit mehr als 30 Jahren. Erste Eindrücke sammelte sie als Kind, weitere als Fotografiestudentin und immer neue als mittlerweile erfahrene Fotografin.
Mit ihren Bildern verbindet Schlösser auch eine politische Botschaft: Dörfer retten! Braunkohleabbau stoppen! Damit liegt sie auf einer Linie mit der Organisation Greenpeace, die die Fotoausstellung unterstützt. Greenpeace-Kohleexperte Bastian Neuwirth sagt am Rande der Ausstellungseröffnung, dass man von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) fordere, die Dörfer zu erhalten und den Tagebau Garzweiler im Rahmen der angekündigten Leitentscheidung deutlich zu verkleinern, um Klimaschutzielen gerecht zu werden.
Schlösser fotografierte eine Frau, die im alten Etzweiler zwischen Ruinen auf der Straße die Wäsche bügelt, auch eine alte Frau, die immer wieder zurück in ihre Heimat kommt, um in ihren Garten zu schauen, und immer wieder zerstörte oder verfallene Gebäude. Und dann die junge Tina Dresen, die die Hoffnung hat, mit ihren Pferden in Kuckum bleiben zu können. Dabei hat Schlösser einen starken Wandel festgestellt. Er ist bestimmt davon, dass Menschen, die gegen ihre Umsiedlung kämpfen, heute von außen unterstützt werden, weil es breite gesellschaftliche Forderungen nach mehr Klimaschutz gibt. „Vor 20 Jahren hat man das fatalistisch hingenommen. Seit Generationen wird hier umgesiedelt, das ist damals nicht richtig in Frage gestellt worden. Das musste man mit sich alleine ausmachen. Ich glaube, das hat sich geändert: Heute weiß man, man ist nicht mehr alleine“, sagt Schlösser.
Sie war lange unterwegs in den Dörfern. Sie hat auf der Suche nach Motiven für ihre Fotos mit vielen Menschen gesprochen, von denen einige beinahe zu Freunden geworden seien. Bewegend waren für sie aber auch stille Momente, in denen sie reflektierte, was bevorsteht. Die Momente, in denen sie durch die Orte ging und sich klar machte: Das soll es bald nicht mehr geben. „Das übersteigt die menschliche Vorstellungskraft, dass etwas gar nicht mehr existieren soll – ganze Landschaften, ganze Dörfer mit Äckern, Wäldern und Wiesen. Das ist für mich nach wie vor unfassbar“, sagt Schlösser. Sie ließ diese Gedanken an sich ran, sie ließ es zu, traurig zu werden.
Dass die Bilder nun an so einem symbolträchtigen Ort wie Keyenberg gezeigt werden, ist folgerichtig. Viele Fotos sind in den Erkelenzer Umsiedlungsorten entstanden. Die Umsiedlung von Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath läuft seit Jahren. RWE will die Kohle unter den Dörfern schon in wenigen Jahren abbauen. Gleichzeitig gibt es immer wieder massive Proteste gegen den Tagebau und die klimaschädliche Kohle. An diesem Wochenende werden Blockaden von Tausenden Kohlegegnern von „Ende Gelände“ im Rheinischen Revier erwartet.
Für Jordis Antonia Schlösser war aber auch wichtig, dass an diesem Punkt nicht Schluss ist. Sie will die Bilder auch anderen Menschen zeigen, für die der Konflikt um die Dörfer weit weg ist. „Beim Fotografieren habe ich die ganze Zeit gedacht: Das ist so unglaublich, was hier passiert, das müssen die Menschen wissen“, sagt Schlösser, die ihre Botschaft verbreiten will. Dabei will sie nicht auf die Tränendrüse drücken, sie will, dass sich etwas ändert. So wie beim Hambacher Forst, der nun doch nicht abgegraben wird.