Denkmal für Zechen-Retter : Die Helden von Sophia-Jacoba
Hückelhoven Eine Notbelegschaft rettete die Zeche Sophia-Jacoba am Ende des Zweiten Weltkrieges in dramatischer Lage und unter großem Einsatz vor dem Absaufen. Nun erhält sie ein ehrendes Andenken.
Zuletzt war die Notbelegschaft, die die Hückelhovener Zeche Sophia-Jacoba am Ende des Zweiten Weltkrieges vor dem Absaufen gerettet hatte, nicht größer als eine Fußballmannschaft gewesen.
Was diese Mannschaft geleistet hat, für den Erhalt der Zeche und letztendlich für die weitere Entwicklung der Stadt Hückelhoven, daran soll bald eine Gedenktafel erinnern. Sie soll an Schacht 3 am Fuße des Förderturms angebracht werden.
Detlef Stab, Vorsitzender des Fördervereins Schacht 3, und Willi Spichartz, Vorsitzender des Arbeitskreises Hückelhoven im Heimatverein der Erkelenzer Lande, stellten gemeinsam mit Manfred Küsters und Reinhard Prüfer, zwei Aktiven des Fördervereins, diese Idee und ihren Hintergrund vor.
Wäre das Coronavirus nicht dazwischen gekommen, hätten der Förderverein und der Arbeitskreis schon im März 2020, 75 Jahre nach Kriegsende, einen Vortrag zur Geschichte der Notbelegschaft veranstaltet.
Um die „Helden“ einer ganz anderen Zeit aber nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, soll nun die Gedenktafel möglichst mit Hilfe von Sponsoren, die sich gerne an den Förderverein wenden können, realisiert werden. Detlef Stab: „Was wäre aus Hückelhoven geworden, wenn die Notbelegschaft nicht da gewesen wäre? Sophia-Jacoba wäre abgesoffen.“
Die Geschichte der Notbelegschaft haben Willi Spichartz, Manfred Küsters und Peter Zubkovic unter Mithilfe von Ulrich Dohr recherchiert und aufgeschrieben. Sie konnten bei ihrer Recherche unter anderem auf eine Chronik zu Sophia-Jacoba zurückgreifen, die Erich Offermanns, Leitender Angestellter der Zeche, in den 1960er Jahren verfasst hatte.
Das größte Probleme, das die Notbegelegschaft zu bewältigen hatte, waren die Grubenwassermengen in der Geologie. Mit dem Dauereinsatz von Pumpanlagen mussten die bis in mehr als 600 Meter Tiefe reichenden Abbau- und Förderanlagen der Zeche gesichert werden.
Fallen die Pumpen aus, steigt das Grubenwasser bis zur Erdoberfläche. Eine spätere Beseitigung, eine sogenannte Sümpfung, wäre nicht mehr wirtschaftlich gewesen. Das Ende für Sophia-Jacoba wäre besiegelt gewesen.
Maschinen schützen
Die Notbelegschaft war eingesetzt worden, nachdem am 11. September 1944 die nationalsozialistischen Machthaber die Einstellung des Zechenbetriebs angeordnet hatten. Drei Tage später war die Evakuierung Hückelhovens befohlen worden.
Bergwerksdirektor Hans-Joachim Rauhut und Betriebsdirektor Carl Koch hatten 95 Arbeiter und 42 Angestellte ausgewählt. Diese Männer schützten die wichtigsten Maschinen und Einrichtungen. Dazu kam eine erweiterte Notbelegschaft von 170 Mann, die für die erforderlichen Kesselkohlen sorgen sollte.
Am 26. September 1944 waren die ersten Granaten auf die Zeche niedergegangen. Zum Jahresende hin waren das Bombardement und der Artilleriebeschuss heftiger geworden, Tiefflieger kamen hinzu. Verschiedene Materialien und Lebensmittel hatte die Belegschaft auf der 210-Meter-Sohle in Sicherheit gebracht. Fünf Kühe hatten den dortigen Pferdestall bezogen. Am 14. Dezember kam ein Stierkalb zur Welt.
Den schwersten Beschuss registrierte man in der Nacht zum 6. Januar 1945 mit 180 schweren Granateinschlägen. Die Förderseile an Schacht 3 erlitten irreparable Schäden, sodass keine Seilfahrt und Förderung mehr möglich war. Lediglich Schacht 2 blieb in Funktion.
Als am 21. Januar an Schacht 2 einige Wagen Kohle ausgefahren werden sollten, hatte sofort ein zwölf Stunden anhaltender Beschuss eingesetzt – mit katastrophalen Schäden. Die Untertagebelegschaft musste daraufhin über die Schachtfahrten nach Übertage klettern.
Mittlerweile waren unter Tage durch den andauernden Ausfall der Wasserhaltung die Schachtsümpfe aller drei Schächte abgesoffen, ebenso die vollständigen Grubenbaue unterhalb der 360- und der 600-Meter-Sohle. Da keine Kohlenförderung mehr möglich war, verließ die „erweiterte“ Notbelegschaft von 170 Mann auf Befehl der Wehrmacht die Zeche, nur eine reduzierte Mannschaft verblieb.
Aus Angst, zwischen die Fronten zu gelangen, nachdem Ventilatoren und Kompressoren abgestellt, Kühl- und Wassertürme geleert und verschiedene andere Betriebseinrichtungen unbrauchbar gemacht worden waren, verließen Werksdirektor Hans-Joachim Rauhut und Betriebsdirektor Carl Koch mit dem Rest der Notbelegschaft am 26. Januar um 19.30 Uhr Sophia-Jacoba in Richtung Gerderhahn.
Am 17. Februar kehrte ein „Himmelfahrtskommando“, wie sie es selber nannten, mit Rauhut, Koch und neun Männern zurück, um die auf der 260-Meter-Sohle lagernden Materialien und Lebensmittel zu bergen und die Wasserhaltung in Betrieb zu setzen.
Durch diesen mutigen Einsatz wurden die abrückenden deutschen Truppen auch an der Zerstörung oder dem Abtransport von wertvollen Maschinen gehindert. Mit dem endgültigen Abzug der Wehrmacht war auch die letzte Nachhut der Notbelegschaft gezwungen, die Zeche am 25. Februar ihrem Schicksal zu überlassen.
Einen Tag später besetzte amerikanische Infanterie Hückelhoven und die Zeche. Schon Mitte März nahm der amerikanische Bergbaufachmann Major Donald L. Sibray von der „Rhine Coal Control“ mit den beiden deutschen Werksleitern Kontakt auf und übermittelte ihnen einen handschriftlichen Passierschein, mit dem sie am 15. März nach Hückelhoven zurückkehrten, um eine schnelle Wiederinbetriebnahme der Grube zu gewährleisten.
Die Zeche Sophia-Jacoba, die während des Krieges und noch bis 1990, als sie an die Ruhrkohle AG verkauft wurde, im Besitz niederländischer Unternehmen gewesen war, war also nur knapp 20 Tage sich selbst überlassen gewesen.
Der Dank an die Notbelegschaft soll sich nun sichtbar ausdrücken in Form einer Gedenktafel. „Eigentlich müsste es ein drei Meter hohes Denkmal werden“, meinte Willi Spichartz.