Museumsprojekt im Selfkant : Außen historisch, innen Historisches
Selfkant-Millen Die Pläne sind gezeichnet, die Fördergelder bewilligt: Die Propstei in Millen bekommt ein neues Innenleben und verwandelt sich in das „Haus der Westgrenze“. Sie wird zu einem Ort, der die wechselhafte Geschichte des Selfkants erzählt.
Nur noch 36 Tage, dann ist Herbert Corsten kein Bürgermeister mehr. Aber er bleibt ein Selfkänter. Und zwar einer, der immer noch übersprudelt vor Begeisterung für seine Gemeinde und ihre recht ungewöhnliche Geschichte. Deshalb nimmt er sich auch viel Zeit, um sein „Herzensprojekt“ vorzustellen: das Haus der Westgrenze. Deshalb kommt er auch mit zur Ortsbegehung und hüpft prüfend auf alten Dielen herum, die sich unter abgewohnten Laminat verbergen.
521.901 Euro erhält die Gemeinde aus dem Landesförderprogramm des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung mit dem Titel „Heimat. Zukunft. Nordrhein-Westfalen. Wir fördern, was Menschen verbindet“. Dafür hat Corsten gesorgt. Das Programm fördert unter anderem den Erhalt von historischen Gebäuden, die als Zeitzeugen die Geschichte des Ortes repräsentieren und für kommende Generationen zu „Lern-Orten“ werden können.
Genau so ein steinerner Zeuge steht in dem historischen Örtchen Millen, naja, eigentlich ja nicht nur ein Zeuge, denn da ist ja auch noch die Zehntscheune und die Kirche St. Nikolaus. Aber mit dem Scheck vom „Heimat-Zeugnis“ soll jetzt auch aus der alten Propstei ein Schmuckstück werden. Außen historisch und innen Historisches.
Die Gemeinde und die Heimatvereinigung werden die Propstei in einen musealen Ort verwandeln, der die Geschichte der Gemeinde erzählt. Aber nicht einfach von den Römer, deren Steine in der Kirche verbaut sind und deren Krüge in der Vitrine stehen, bis zur Jetztzeit, sondern vor allem von Geschichte, die sich so nur im Selfkant ereignet hat.
Nach dem Zweiten Weltkrieg forderten die Niederlande eine Entschädigung für die Kriegsschäden. Eigentlich wollten sie viel mehr, bekommen hatten sie als Faustpfand schließlich den Selfkant. Von 1949 an stand der Landstrich unter niederländischer Verwaltung bis im Jahre 1963 die Bundesrepublik das Land gegen 280 Millionen DM freikaufte.
Viel ist passiert in dieser Zeit, in diesem Ort zwischen zwei Welten, der nirgendwo richtig dazugehörte. Viel Material hat die Heimatvereinigung, die sich 1949 gründete, gesammelt – nicht nur amüsante Geschichten über Schmugglerei, aber auch. In der alten Propstei, in der heute ein Trauzimmer der Gemeinde untergebracht ist und bis vor kurzem noch ein Familie wohnte, soll all dies Platz haben.
Konzipiert wird die Ausstellung, die auch mit modernen digitalen Mitteln arbeiten soll, von einer Doktorandin der Universität Münster. Aber bevor die Vitrinen kommen, kommen die Handwerker. Als erstes sind die Fenster dran. Sie sind marode. Die Denkmalschutzbehörde sagt: Holzfenster. Also werden keine modernen Kunststofffenster mit Holzoptik, sondern echte Holzsprossenfenster mit regelmäßigem Pflegebedarf eingebaut. „33 Fenster müssen erneuert werden“, sagt Guido Moll vom Bauamt der Gemeinde, der hofft, dass ein regionales Unternehmen gefunden werden kann, das sich mit diesen alten Fenstern auskennt. „Jedes sieht ein wenig anders aus, die einen haben einen Bogen, andere sind gerade, es gibt sie mit und ohne Oberlichter.“ Die Ausschreibung wird gerade vorbereitet.
Der Blausteinboden im Flur bleibt, auch die alte, von vielen Schritten ausgetretene Steinstufe, über die schon die Caritasschwestern vom Heiligen Josef geschritten sind. Architekt Theo Kapell will im Inneren so viel vom alten Charme des Gebäudes wieder herstellen wie möglich, das Fachwerk freilegen, die Balkendecken vom Rigips befreien, die alten Dielenböden aufarbeiten. Einige Mauern müssen auch durchbrochen werden. Dafür, dass das Gebäude barrierefrei wird, sorgt unter anderem ein Aufzug, der neben dem alten Kamin in der ehemaligen Wohnung installiert wird. Neue, behindertengerechte Sanitäranlagen wird es auch geben. Davon profitieren dann künftig auch die Paare, die sich weiterhin in der Propstei trauen lassen können. Fertig soll alles im Jahr 2022 sein. Corsten, noch ganz Gemeindechef, ist aber sicher, dass es schon früher klappt.
Toni Boden, Vorsitzender der Heimatvereinigung Selfkant, freut sich schon darauf, bald Führungen durch Ausstellung im Haus der Westgrenze organisieren zu können. Aber auf die Mithilfe von einem möchte die Heimatvereinigung nicht verzichten: Herbert Corsten. Bürgermeister oder nicht.